John Harvey Kellogg: Der Mann, der die Cornflakes erfand | PTA-Forum
John Harvey Kellogg

Der Mann, der die Cornflakes erfand

24.01.2014  11:06 Uhr

Von Ralf Daute / Der amerikanische Arzt John Harvey Kellogg wurde am 26. Februar 1852 im Tyrone Township, Michigan, also vor 162 Jahren geboren. Nicht seine medizinischen Erfolge machten ihn berühmt, sondern »seine« Frühstücksflocken.

»Nicht schlecht für einen Grasfresser«, soll John Harvey Kellogg kurz vor seinem Tod am 14. Dezember 1943 gesagt haben. Das gesegnete Alter von 91 Jahren und zehn Monaten wird der amerikanische Arzt – vermutlich auch auf die eiserne Diät zurückgeführt haben, die er zeit seines Lebens einhielt.

Ernährung, das war sein Thema. Er selbst lebte vor, was er mit missionarischem Eifer predigte. Auch von den Patienten seines Sanatoriums in Battle Creek im US-Bundesstaat Michigan verlangte er den Verzicht auf Fleisch, Kaffee, Tee, Alkohol und Schokolade. Stattdessen empfahl er Nüsse, Getreide, Gemüse und Früchte und dazu zehn Gläser Wasser pro Tag.

 

Diese Aufzählung mag ernährungsbewussten Menschen von heute vertraut klingen. Insbesondere für das Amerika des 19. Jahrhunderts waren diese Forderungen jedoch ein unerhörter Kulturbruch. Normalerweise aßen die US-Amerikaner damals bereits zum Frühstück Würste und Schweinsfüße oder schlürften Austern. Ein zeitgenössischer Autor schrieb: »Frittiertes Schwein wurde in dicken Stücken zum Frühstück, Mittagessen und Dinner serviert.« In einem amerikanischen Lexikon hieß es im Jahr 1830 darum unter dem Eintrag Verdauungsstörungen: »Alle Klassen und alle Altersgruppen leiden unter ihrem Alltag.« Das Leiden äußerte sich in rebellierenden Därmen und hatte sogar einen Namen: Americanitis.

 

Wer das Geld hatte, konnte dieses Leiden in einem Sanatorium behandeln lassen, zum Beispiel in dem, welches John Harvey Kellogg im Jahr 1876 in Battle Creek übernommen hatte. Ursprünglich hatte Kellogg Lehrer werden wollen. Doch diesen Plan ließ er fallen, nachdem er an dem medizinischen Gedankengut der Siebenten­-Tag-Adventisten, einer evangelischen Freikirche, Gefallen gefunden hatte. Dieser Glaubensvereinigung gehörten auch Kelloggs Eltern an. Die Anhänger der Freikirche standen der Schulmedizin kritisch gegenüber und veröffentlichten eigene medizinische Schriften. Außerdem hatte die Glaubensgemeinschaft die finanziellen Mittel, Kindern aus ihren Reihen eine medizinische Ausbildung zu finanzieren. Kellogg wurde Chirurg, machte im Jahr 1875 seinen Doktor und übernahm ein Jahr später in seiner Heimatstadt das »Health Institute«, das er in Sanatorium umbenannte.

In dieser Klinik begann Kelloggs Kampf gegen die Übel seiner Zeit – ausgehend von der Annahme, dass nahezu alle Krankheiten durch eine falsche Ernährungsweise ausgelöst werden. Darüber hinaus hatte nach Ansicht des Mediziners auch die menschliche Sexualität verheerende Folgen: Sie schwäche den menschlichen Körper, gleichgültig, ob alleine oder zu zweit ausgeübt, und mache ihn somit anfällig für Krankheiten.

 

Daher lebte Kellog auch die sexuelle Enthaltsamkeit vor. Zwar heiratete er 1879 die New Yorkerin Ella Eaton, doch das Paar hatte nie ein gemeinsames Schlafzimmer, und die Ehe wurde nie vollzogen (sagte er zumindest). Stattdessen nahmen die Kelloggs 42 Pflegekinder auf, von denen sie etliche adoptierten. Bezüglich seines Sexuallebens vermuten einige Fachleute, dass der Arzt an einer krankhaften Störung litt und seine Lustgewinne aus den Einläufen bezog, die er sich morgens zur Darmreinigung verabreichen ließ.

 

In seiner Klinik, die um die Jahrhundertwende 700 Betten hatte, sparte der stets weiß gekleidete Chef ebenfalls nicht mit Anwendungen dieser Art. Darüber hinaus setzte er auf eine strikte Diät, die damit begann, dass seine Patienten vor jeder Mahlzeit langsam ein Stück Zwieback zerkauen mussten. Falsches Kauen führe zu schlechten Zähnen und zu Verstopfung, so Kelloggs Ansicht.

 

Für seine Patienten erfand Kellogg die Erdnussbutter, damit sie die wichtigen Nüsse zu sich nehmen konnten. Und als revolutionäre Alternative zu der zahnzertrümmernden Zwieback-Vorspeise entwickelte er: Cornflakes.

 

Bruder schaffte Durchbruch

In der Laborküche des Sanatoriums kochte, walzte und trocknete Kellogg gemeinsam mit seinem Bruder Will Keith Weizenkörner. Nach dieser Prozedur lag das Getreide 1884 in knusprigen Flocken vor. Ursprünglich sollten seine Patienten damit das Kauen üben, doch das Produkt ließ die Grenzen medizinischer Anwendungen rasch hinter sich. Nach und nach eroberte es die Frühstückstische in aller Welt. Die erste Verbesserung stammte von seinen Patienten: Sie hatten die Flocken mit Milch versetzt, bevor sie diese zu sich nahmen. Der Durchbruch gelang jedoch, als später der Bruder aus kommerziellen Zwecken das Gesundheitsprodukt mit einer Zutat kindgerecht konfektionierte: Zucker.

Während Bruder Will das Geschäft ausbaute und das Unternehmen am Ende kontrollierte, führte John Harvey Kellogg weiterhin das Leben des Diätmissionars. Er diktierte acht Stunden am Tag Briefe, Fachartikel oder Bücher, operierte bis tief in die Nacht hinein und ersann unablässig Mahlzeiten und Übungen. Es verwundert also nicht, dass er sich mit seinem eher weltlich orientierten Bruder überwarf und die beiden sich sogar vor Gericht befehdeten.

 

Aus für das Sanatorium

John Harvey Kellogg konzentrierte sich auf die Arbeit in seinem Sanatorium. Zu seinen Patienten zählten Berühmtheiten wie der Unternehmer Henry Ford, die Schauspielerin Sarah Bernhardt, der Erfinder Thomas Alva Edison und die Pilotin Amelia Earhart. Um 1920 suchten jährlich etwa 1200 Patienten Hilfe in seiner Klinik. Kellogg übernahm sich jedoch finanziell, als er im Jahr 1927 das Klinikgebäude baulich erweiterte. Als infolge der großen Weltwirtschafts­krise deutlich weniger Gäste ab den 1930er-Jahren nach Battle Creek kamen, musste er das Sanatorium 1938 schließen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er drei Millionen Dollar Schulden.

Doch davon ließ sich Kellogg nicht unterkriegen. Unermüdlich nahm er neue Projekte in Angriff, verwirklichen konnte er allerdings keines mehr richtig. Im Jahr 1942 erkrankte er an einer akuten Bronchitis, und am 14. Dezember desselben Jahres starb er in seinem Heimatort an den Folgen einer Lungenentzündung.

 

Die Grundgedanken seiner Ernährungstheorie, wenig Fleisch und viel Gemüse zu essen, haben bis heute überdauert. Doch weitaus sichtbarer ist sein Erbe in nahezu jedem Supermarkt dieser Welt. Überall tragen Produkte regalmeterweise seinen Namen: Cornflakes, Fruit Loops, Frosties, Choco Krispies… Paradoxerweise stehen die meisten nicht mehr für gesunde Ernährung. /

E-Mail-Adresse des Verfassers
ralf.daute(at)me.com

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