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Maximilian von Stuckrad-Barre·11 May 2024

Wie konnte das passieren? PL-Topstar soll plötzlich in die Wüste

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Für die meisten von uns wäre Arabisch Lernen - wie das Erlernen jeder anderen Fremdsprache - in der persönlichen Entwicklung ein Schritt nach vorn. Bei Weltklassefußballern sind neu zu gewinnende Arabischkenntnisse dieser Tage allerdings im Regelfall ein Schritt zurück, beziehungsweise einer in Richtung Karriereende.

Denn dann ruft die Saudi Pro League, in der zwar weltklasse bezahlt, aber im Vergleich dazu sehr schlecht Fußball gespielt wird. Während der Kontostand in neue Sphären vordringt, ist der Anspruch an den eigenen Fußball mit Unterschrift bei einem Saudi-Klub (zumindest aktuell noch) von akuten Spaßnahmen betroffen.


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Wenn einem eigentlichen Weltklassespieler nun in den sozialen Medien nach einer schlechten Leistung ans Herz gelegt wird, arabisch zu lernen, muss das natürlich nicht direkt etwas heißen. Im Fall von ManUniteds Casemiro sind aber nicht nur ein paar Internet-Trolls der Meinung, dass zeitnah ein Wechsel nach Saudi Arabien angesagt ist, auch ein durchaus renommierter Premier-League-Experte will den fünfmaligen Champions-League-Sieger schnellstmöglich in die Wüste schicken.

Nach Uniteds 0:4-Niederlage gegen Crystal Palace am Montag wurde Ex-Liverpool- und England-Verteidiger Jamie Carragher bei ‘Sky’ dahingehend ziemlich deutlich: “Ich denke - und ich meine das todernst -, dass Casemiro heute Abend als erfahrener Spieler wissen sollte, dass er nur noch drei weitere Spiele auf höchstem Niveau hat: Die nächsten zwei Ligaspiele und das Pokalfinale. Danach sollte er denken: 'Ich muss in die MLS oder nach Saudi-Arabien'."

Carragher kann sich bei seiner einigermaßen vernichtenden Kritik auf ein, beziehungsweise acht sehr gute Argumente stützen. Achtmal wurde Casemiro gegen Palace nämlich von Gegenspielern durch Dribblings überwunden. Zum Vergleich: Liverpools Virgil van Dijk ist das über den gesamten Saisonverlauf nur sechsmal passiert.

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Ist es bei Casemiro, der nicht nur vor knapp zwei Jahren noch mit Real seinen fünften Henkelpott holte, sondern ja auch erst 32 Jahre alt ist, also wirklich schon so weit? Was ist mit dem Casemiro passiert, der Europa zusammen mit Toni Kroos und Luka Modrić jahrelang das Fürchten lehrte?

Eine mögliche Antwort: Er spielt eben nicht mehr bei Real Madrid in LaLiga, sondern der wesentlich körperlicheren Premier League. Mit einem Spitzentempo irgendwo bei 29 oder 30 km/h (je nachdem, wo man guckt) kann es in einer physisch geprägten Liga schwierig werden, wenn viele Spieler an den 36 km/h kratzen.

Allein: Casemiro war noch nie besonders schnell. Auch nicht im letzten Jahr, als der Brasilianer in seiner Debütsaison noch als einer der besten United-Spieler gefeiert wurde. Spitzensprintwerte oder herausragende Beweglichkeit, waren nie Attribute, mit denen Casemiro überzeugen konnte. Das hat er gemeinsam mit einem, der gerade in der Champions League eindrucksvoll bewiesen hat, dass man nicht zwingend schnell sein muss, um schnelle Spieler zu stoppen: Mats Hummels.

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Dazu passt, dass Casemiro gegen Crystal Palace auch nicht unbedingt wegen gravierender Temponachteile so oft das Nachsehen hatte. Schaut man sich die Highlights der Partie nochmal an, haperte es viel mehr in einem Bereich, in dem man im Alter eigentlich immer besser wird: der Entscheidungsfindung.

Vor dem 1:0 setzte er im Zweikampf zu einer Grätsche an, als keine nötig gewesen wäre, beim 3:0 hatte er schlicht im eigenen Sechzehner den Überblick und damit den eigenen Gegenspieler aus den Augen verloren, vor dem 4:0 dann viel zu lange den Ball gehalten und ihn so in Tornähe an den Gegenspieler abgegeben.

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Drei Szenen, die eins klar zeigen: Casemiro scheint innerhalb des aktuellen United-Gebildes oft nicht zu wissen, wann er eingreifen muss und wann nicht, wann er den Ball halten kann und wann er ihn abgeben sollte. Das hat wahrscheinlich nur bedingt damit zutun, dass der Ex-Real-Star individuell abgebaut hat, sondern mehr damit, dass Erik ten Hag in dieser Saison einfach keine klare erste Elf findet. In der Viererkette, in der Casemiro gegen Crystal Palace erneut aushelfen musste, standen in der aktuellen Spielzeit bereits 14 verschiedene Innenverteidigerpaare auf dem Platz, funktionierende Abstimmung kann da kaum zu erwarten sein.

Dazu kommt ein Punkt, der hier schon angeschnitten wurde: Casemiro spielt eben nicht mehr bei Real Madrid. Das hat aber nicht insofern große Auswirkungen, als dass er in einer körperlicheren Liga spielt, sondern insofern, dass er bei Manchester United aktuell mit deutlich schwächeren Spielern zusammenspielt. Eine unnötige Grätsche bleibt womöglich eher aus, wenn man weiß, das hinter einem noch Eder Militao oder David Alaba absichern, als wenn man sich auf Jonny Evans (der sich beim 2:0 austanzen ließ) verlassen muss.

Verlassen ist dabei nun ein gutes Stichwort, um nochmal auf die Kritik von Jamie Carragher zurückzukommen. Denn genau das fordert er nämlich nicht nur mit Bezug auf die Premier League von Casemiro, er attestiert ihm sogar, schon längst verlassen worden zu sein: "Ich erinnere mich immer an ein Sprichwort, das ich mir als Fußballer immer gemerkt habe: 'Verlasse den Fußball, bevor der Fußball dich verlässt'. Der Fußball hat ihn auf diesem hohen Niveau verlassen", so der 'Sky'-Experte.

Zwar hat er Recht damit, dass Casemiro in dieser Saison auch einige Szenen hatte, in denen er schlicht zu langsam oder nicht handlungsschnell genug war. Dieser Umstand dürfte allerdings niemals in einem so harten Urteil münden. Denn wenn der Fußball Casemiro verlassen hat, muss man auf YouTube nicht lange suchen, um mehrere Compilations zu finden, in denen Jamie Carragher allein in Laufduellen mit Thierry Henry mehrmals vom Fußball verlassen wird. Die Premier League verließ er trotzdem erst Jahre später.

Zumindest aber Manchester United zu verlassen, könnte Casemiro in diesem Sommer dennoch gut tun. Spieler wie Romelu Lukaku, Angel Di Maria und Alexis Sanchez bewiesen nach schwierigen Zeiten bei United, dass sie durchaus noch fähig waren, auf hohem Niveau zu spielen. Der Arabischkurs darf also möglicherweise noch etwas aufgeschoben werden.