�ber uns das All (D 2011) : KRITIK : artechock

�ber uns das All

Deutschland 201190 min. � FSK: ab 12
Regie: Jan Schomburg
Drehbuch:
Kamera: Marc Comes
Darsteller: Sandra H�ller, Georg Friedrich, Felix Knopp, Kathrin Wehlisch, Valery Tscheplanowa u.a.
Die wunderbare H�ller bei K�lsch & Co.

Die sch�nen Risse im Bild des Anderen

�Love is not love
Which alters when it alte�ra�tion finds,
Or bends with the remover to remove:
O no! it is an ever-fixed mark
That looks on tempests and is never shaken;
It is the star to every wandering bark,
Whose worth’s unknown, although his height be taken.�

Die ersten Worte dieses Films stammen von Shake�speare. Dessen Sonett 116 handelt von der Ewigkeit der Liebe – und leugnet doch zugleich die St�rme nicht, die diese ersch�t�tern k�nnten. Es entpuppt sich im R�ckblick als Schl�ssel zu dieser so unge�w�hn�li�chen, wie unkon�ven�tio�nell erz�hlten Geschichte �ber eine Ersch�t�te�rung, die noch funda�men�taler ist, als gew�hn�liche Liebes�s�t�rme.

Die �u�ere Handlung von �ber uns das All ist schnell erz�hlt: Martha, Anfang 30, Englisch-Lehrerin in K�ln unter anderem mit ihren Sch�lern Liebes�lyrik durch�nimmt, ist mit dem ange�henden Arzt Paul anschei�nend gl�cklich verhei�ratet. Feine Haarrisse legt Regisseur Jan Schomburg aller�dings von Beginn an in sein Bild dieser Beziehung. Ihre Gespr�che durch�zogen vom Thema Wahrheit und L�ge – �Was bringt das? Wenn etwas rauskommt?� fragt Paul einmal, scheinbar aus Spa�. Etwas sp�ter scherzt Martha ��ber jemand, der sich f�r dich ausge�geben hat. Der sah auch so aus, wie du...�

Im R�ckblick gewinnt alles in diesen ersten Minuten, die leeren Blicke Pauls, die pl�tz�liche Absage seines Doktor�va�ters, seine doppelte Verab�schie�dung vor der Reise nach Marseille, neue Bedeutung. Denn am Tag darauf teilt die Polizei Martha mit, Paul habe in Marseille Selbst�mord begangen. Die folgenden Minuten sind ein Meis�ter�s�t�ck darin, wie unauf�dring�liche Insze�nie�rung durch Regie und die Haupt�dar�stel�lerin Sandra H�ller die Absur�dit�t eines solchen Gesche�hens deutlich machen: Auf die Todes�nach�richt reagiert sie ungl�ubig – �voll�kom�mener Quatsch� – und bittet Paul erst einmal via Mailbox, das Miss�ver�s�t�ndnis schnell aufzu�kl�ren. Als kein Zweifel mehr besteht, Paul anhand von Fotos iden�ti�fi�ziert ist, ruft sie noch einmal den Toten auf dem Handy an: �Was machst Du denn f�r Sachen?� Gegen�ber Dritten kleidet sich ihre Ersch�t�te�rung in Sach�lich�keit: �K�nnen Sie ja nix f�r�, sagt sie dem Poli�zisten, der ihr sein Beileid ausspricht, und dann: �Was muss ich denn jetzt machen. Muss ich was unter�schreiben.� Sanft kratzt der Film hier wie nebenbei an sozialen Rein�heits�ge�boten, die wissen wollen, wie man sich als Witwe zu verhalten habe, und stellt infrage, dass es richtige und falsche Weisen zu trauern g�be.

Die bisherige Sicher�heit in Marthas Leben ger�t ins Wanken. Instinktiv macht sie sich auf die Suche nach Spuren von Pauls Existenz. Doch seine Disser�ta�tion gibt es nicht, und auch sonst st��t sich nur auf ein Nichts. Scheinbar hat der Mann ein Doppel�leben gef�hrt – als habe es Paul und beider Beziehung nie wirklich gegeben.

Dann begegnet Martha einem anderen Mann, dem Histo�riker Alexander. In seinen Gesten und seinen Blicken scheint Paul, scheint ihr vergan�genes Leben wieder�auf�zu�er�stehen. Hier entwi�ckelt der Film eine neue Dynamik, wird zum myste�ri�sen Thriller. Inwiefern l�sst sich Marthas Liebe vom einen auf den anderen Mann �ber�tragen?

Mehr als nur ein Hauch von Hitch�cocks Vertigo durch�zieht �ber uns das All. Ein paar beil�u�fige Verweise, wie ein fr�her taumelnder Blick eine Wendel�treppe hinab, eine unbe�merkte Beob�ach�tung, Vexier�bilder im Verkehr, stimmen den Zuschauer entspre�chend ein. Jan Schomburg, der auch das Drehbuch schrieb, fragt �hnlich wie der Brite nach der Rolle von Projek�tion und Verdr�n�gung, der feinen Grenze zwischen Fakten und Phantasie. Und er fragt danach, wie wichtig eigent�lich die Wahrheit ist? Anders gesagt: Ist eine Liebe die vorge�spielt ist, notwendig die schlech�tere? Oder meint Liebe nicht am Ende immer eher ein Bild des Anderen, als diesen selbst? Georg Fried�richs zur�ck�hal�tend und weich gespielter Alexander ist am Ende die lebens�kl�gste Figur von allen. Denn er akzep�tiert einfach, dass er f�r Martha immer auch ein Surrogat darstellt, dass er mit ihr nicht zusammen w�re, w�rde er sie nicht an Paul erinnern.

�ber uns das All ist ein beein�dru�ckendes, und unge�w�hn�lich reifes Deb�t. Kame�ra�mann Marc Comes findet auch f�r Allt�g�li�ches unge�w�hn�liche Einstel�lungen und zeigt uns K�ln und sp�ter Marseille in unge�se�henen Facetten. Damit unter�s�t�tzt er Schomburg dabei, Marthas Verwir�rung zunehmend und in produk�tiver Weise auf den Zuschauer zu �ber�tragen. Auf ein plattes Lob der L�ge und des Scheins l�uft dies aller�dings nicht hinaus. Denn es mag ja sein, dass die konstruk�ti�vis�ti�schen Philo�so�phen richtig liegen, und wir nicht viel mehr haben, als eben die wahr�ge�nom�mene Realit�t. Ein Trost ist das aller�dings auch nicht.