Reisetipp vom Experten: Polen
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Polens Oppelner Land blickt auf große Geschichte zurück

Oppeln / Lesedauer: 5 min

Die Reise zu den Kulturdenkmälern im Oppelner Land in Polen führt in eine bewegte Geschichte.
Veröffentlicht:17.05.2024, 06:00

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Schloss Sulislaw scheint sich ein bisschen zu verstecken inmitten dieser denkmalgeschützten Parklandschaft im Oppelner Land, der kleinsten von Polens Woiwodschaften ganz im Süden an der tschechischen Grenze. Besucher, die hier zum ersten Mal herfinden, sind überrascht, wie der weiße Palast ganz unvermittelt auftaucht zwischen dem Grün der mächtigen alten Bäume. Mit seinen pittoresken Türmen und Zinnen gilt das Anfang des 19. Jahrhunderts im neogotischen Stil erbaute Anwesen als das Märchenschloss unter den Sehenswürdigkeiten in der an Kulturdenkmälern und Kunstschätzen reichen Gegend. Berühmt geworden als Schloss Zülzhof, mit König Friedrich Wilhelm III. von Preußen als zeitweiligem Besitzer, firmiert es nun als Pałac Sulisław Hotel & Spa mit fünf Sternen. Zugleich hat es sich mit Kulturveranstaltungen wie dem Chopin-Elster-Festival einen Namen gemacht.

Natürlich ist viel verloren gegangen oder zerstört worden in den Wirren der Zeit, doch darf sich der Gast noch an so schönen Dingen erfreuen wie originalen Stuckaturen und Holzvertäfelungen und den mit Delfter Kacheln ausstaffierten Kaminen. Mächtig stolz ist man hier auch auf einen Kronleuchter aus dem Appartment von Sophia Loren und auf den Klapptisch, den Sir Mick Jagger für seine Burg in Schottland erwarb, von Königin Elisabeth II. Auf dem stilvollen Schreibtisch im Hotelzimmer liegt ein Bildband über das Oppelner Land (Ziema Opolska), ein Gastgeschenk der Woiwodschaft mit der freundlichen Einladung, diese Region zu erkunden, die zugleich schlesisch, ostpolnisch, deutsch und tschechisch sei, mit Traditionen „so bunt wie das Oppelner Blumenmuster“.

Bemaltes Porzellan

Was es mit dem Oppelner Blumenmuster auf sich hat, erschließt sich wenig später im Museum für das Oppelner Schlesien, knapp 50 Kilometer östlich von Sulislaw, in der Bezirkshauptstadt Oppeln (Opole) an der Oder. Im Oppelner Land lebt noch eine beachtliche deutsche Minderheit, Menschen, die nach 1945 der Vertreibung entgehen konnten, im sozialistischen Polen aber der Pflege ihrer Sprache, Kultur und Traditionen beraubt waren. Das hat sich grundlegend erst 1990 mit Abschluss des deutsch-polnischen Kooperationsvertrags geändert. Die damals gegründete Sozial-Kulturelle Gesellschaft der deutschen Minderheit im Oppelner Schlesien trägt mit ihrem Engagement in Bildung, Kunst und Kultur wesentlich zum Erscheinungsbild des Oppelner Landes bei. Das auf Porzellan gemalte Oppelner Blumenmuster ist ein schönes Symbol dafür. Ursprünglich findet man es eingraviert auf Ostereiern, „Kroszonka“ genannt. Ab den 1960er-Jahren haben schlesische Frauen Teller, Tassen, Schalen und Vasen damit bemalt und so das Erbe über die Zeit gerettet. Heute gilt ihre Kunst als charakteristisch für das Oppelner Land und wird von Designerinnen wie Agnieszka Pyka, Absolventin des Kunstinstituts der Universität Oppeln, mittels neuer Techniken behutsam weiterentwickelt.

Das schön restaurierte alte Oppeln präsentiert sich als junge, quirlige, international beliebte Studentenstadt. Der akademische Nachwuchs residiert auf dem Universitätshügel im Collegium Maius, ehemals ein Dominikanerkloster, mit tadellos erhaltenem barocken Refektorium. Es ist der höchste Punkt der Altstadt mit Blick auf das Rathaus und seinen 65 Meter hohen Turm. Das Ensemble rund um den Marktplatz hat sich seit dem Mittelalter durch Kriege und andere Katastrophen immer wieder verändert. Heute ist es geprägt von den pastellfarbenen Fassaden der barocken Bürgerhäuser und einem 1936 nach dem Vorbild des florentinischen Palazzo Vecchio wieder aufgebauten Rathaus.

Italienisches Flair

Noch mehr italienisches Flair verspricht ein Spaziergang über den Boulevard an der Młynówka und weiter auf der Pfennigbrücke mit ihren Jugendstillaternen hinüber zur Oderinsel Pasieka. Auch hier stand einmal eine mächtige Burg, als Sitz der Herrschaftsdynastie der Oppelner Piasten, bis zum Tod von Fürst Johann II. dem Guten anno 1532. Davon übriggeblieben ist der Piastenturm, heute das älteste Denkmal für Wehrarchitektur in Polen und einer der besten Aussichtspunkte. Man kann von hier aus die tausend Jahre alte Kathedrale zum Heiligen Kreuz sehen, der in der Region eine große Bedeutung zukommt wegen des Bildes der Mutter Gottes von Opole und auch aufgrund der Piastenkapelle mit den Grabplatten der letzten Herrscher.

In unmittelbarer Nachbarschaft des Turmes und von hier oben gut einsehbar gibt es an der Stelle der ehemaligen Burg noch eine Art Wallfahrtsort: das Amphitheater Opole, das seit 1963 jedes Jahr im Juni Tausende Menschen zum Festival für das polnischen Liedgut anzieht. Es gibt in Oppeln auch ein Museum für das polnische Liedgut, ein Nationales Zentrum für das polnische Liedgut und an der Ostseite des Marktplatzes eine Allee der Stars des polnischen Liedguts, eine Art Walk of Fame. Alle zu finden in der Festivalroute, die das Tourismusamt der Stadt neben einer Historischen Route und einer Grünen Route zur Orientierung der Besucher ausgearbeitet hat.

Park statt Schloss

Für ein besonderes musikalisches Erlebnis lohnt es sich im Juni wenige Kilometer Richtung Norden nach Pokój zu fahren. In dem ehemaligen Carlsruhe, seit 1748 Jagdresidenz des Herzogs Carl Christian Erdmann von Württemberg-Oels, später auch Kurbad und das wichtigste kulturelle Zentrum Oberschlesiens, verbrachte Carl Maria von Weber von 1806 bis 1807 ein ganzes Jahr als Gast des Herzogs Eugen Friedrich Heinrich von Württemberg. Zu Ehren des Komponisten, der hier seine zwei Symphonien und wohl auch die Oper „Der Freischütz“ schuf, findet in Carlsruhe seit 2004 jeden Sommer das „Carl Maria von Weber Musikfestival der historischen Parks und Gärten“ statt. Schauplatz ist auch die Evangelisch-Augsburgische Kirche in Pokoj, die durch die Initiative der Fürstin Sophie und Fürst Karl Christian Erdmann von Württemberg zwischen 1765 und 1775 errichtet wurde. Im Inneren gibt es noch eine Orgel aus dieser Zeit. Die Kirche wie auch der historische Friedhof sind im Krieg verschont geblieben. Das Schloss wurde von der Roten Armee verwüstet und dem Erdboden gleich gemacht. Auch von der Kleinstadt Carlsruhe, einzigartig mit ihrem Grundriss eines achtstrahligen Sterns, ist nichts übriggeblieben.

Aber die Arbeiten in dem 193 Hektar großen Park gehen sichtbar voran, dank des Engagements der Gemeinde und der Unterstützung der Europäischen Union. „Wir werden den alten Glanz der englischen und französischen Gärten wiederherstellen“, sagt der Vorsitzende des Vereins „Carlsruhe“, Hubert Kołodziej, der auch der Sozial-Kulturellen Gesellschaft angehört und als Abgeordneter für Tourismus und internationale Beziehungen zuständig ist: „Die Wiedergeburt ihres Paradieses sind wir den Württembergern schuldig.“


Weitere Infos unter www.visitopolskie.pl 

Die Reise wurde unterstützt vom Polnischen Fremdenverkehrsamt (www.polen.travel).