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Panorama „Hart aber fair“

„Kubicki ist genau der Typ Mann, auf den ich stehe“

FDP-Vize Wolfgang Kubicki und Schauspielerin Sophia Thomalla im Plasberg-Talk FDP-Vize Wolfgang Kubicki und Schauspielerin Sophia Thomalla im Plasberg-Talk
FDP-Vize Wolfgang Kubicki und Schauspielerin Sophia Thomalla im Plasberg-Talk
Quelle: WDR/Oliver Ziebe
Bei Frank Plasberg wurde über Gender-Mainstreaming und seine sprachlichen Auswirkungen gestritten. Doch FDP-Vize Wolfgang Kubicki ließ sich lieber von Schauspielerin Sophia Thomalla bezirzen.

Wer hätte vor ein paar Jahren gedacht, dass im Machtkampf der Geschlechter hierzulande noch so viel Feuer steckt? Wenn man die Feminismus- und Genderdiskurse in den sozialen Medien verfolgt, ist man sogar geneigt, von einem veritablen Krieg zu sprechen. So verfeindet stehen sich die Lager gegenüber. Oder täuscht dieser Eindruck? Prallen hier online mit großem Tamtam leicht erregbare Randgruppen aufeinander, die schon die Existenz einer abweichenden Position als Provokation empfinden?

Um über das und mehr Aufschluss zu erlangen, lohnt es sich, die Diskussion gelegentlich im Scheinwerferlicht eines Talkshow-Studios und vor einem Millionenpublikum zu führen. “Nieder mit den Ampelmännchen – Deutschland im Gleichheitswahn?”, gab Frank Plasberg seinen Gästen also als Thema vor. Eine Anspielung auf diverse kommunale Initiativen, die männlichen Ampelfiguren gegen weibliche auszutauschen. Und das Beispiel war gut gewählt. Denn im Grunde verkörpert der Ampelmännchenstreit die ganze ungewollte Komik des Konflikts.

Unsinniger Ampelmännchenstreit

Weder geht, wie von den Gegnern gerne beschworen, das Abendland unter, noch gerät die Männerwelt bedrohlich in die Defensive, wenn mancherorts stilisierte Frauen den Verkehr regeln. Andererseits stellt das auch keinen Schritt zu mehr Gleichstellung oder Gendergerechtigkeit dar. Schon deshalb, weil keine Einigkeit darüber herrscht, wie feminin eine solche Ampelfrau überhaupt aussehen darf. So trug es sich jedenfalls in Berlin zu.

Der Vorschlag ist, genau wie die Empörung darüber, ein Auswuchs. Eine Stilblüte, die der eigenen Sache hüben wie drüben eher schadet als nutzt. “Das ist wirklich kein entscheidendes Problem. Ich wundere mich, warum man sich über so Zeug aufregen kann”, bekannte auch der Grünen-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter.

Man kann aber an den Ampelmännchen oder der geschlechterübergreifenden Unisex-Toilette für Menschen, die sich weder als Frau noch als Mann empfinden, ganz wunderbar ablesen, wie Randphänomene urplötzlich in den Fokus rücken können. Sie müssen nur vorher zum Gegenstand eines ideologisch aufgeladenen Streits geworden sein. Denn der breiten Öffentlichkeit präsentiert sich die lautstark geführte Genderdebatte als nicht viel mehr.

Genderdebatte geht an Lebenswirklichkeit vorbei

Dass die Lebenswirklichkeit der meisten Bürger nur am Rande davon berührt wird, geht im Chor der schrillen Töne ebenso unter, wie die Ziele, um die es den authentischeren Stimmen auf beiden Seiten des Grabens geht: Freiheit, Selbstbestimmung und Chancengerechtigkeit. Zu den prominenteren zählen die feministische Bloggerin Anne Wizorek und die konservative Journalistin Birgit Kelle. Beide waren bei Frank Plasberg zu Gast und vertraten ihre entgegengesetzten Positionen kämpferisch, aber in halbwegs sportlichem Geist. Hart, aber fair eben.

Kelle hat zwei Töchter und zwei Söhne, macht sich für die Zukunft vor allem Sorgen um die Letzteren und verweist gerne darauf, dass klassische Mütterbiographien vor allem bei den eigenen Geschlechtsgenossinnen auf Ablehnung stoßen. Und was die Frauenbewegung als politische Errungenschaft feiert, empfindet sie schon mal als staatliche Bevormundung, die dem Leistungsprinzip widerspricht: “Ich finde es als Frau degradierend, dass die Politik ständig versucht, mir unter die Arme zu greifen”, so die erfolgreiche Buchautorin. Mit solchen Äußerungen legt sie den Finger bewusst in offene feministische Wunden und erntet dafür kräftigen Gegenwind.

Kubicki ist genau der Typ Mann, auf den ich stehe

Bei ihrem Talkshow-Auftritt sprang ihr aber Sophia Thomalla zur Seite. Die Schauspielerin und Tochter von Tatort-Kommissarin Simone Thomalla teilte Kelles Ansicht, dass Sexismus gegen Frauen auch von Frauen selbst ausgehen kann: “Wenn ich in meinem Leben auf mein Äußeres reduziert worden bin, dann von Frauen, nicht von Männern”. Gerade Frauen konfrontierten sie häufig mit dem Vorwurf, sie sei ja nur hübsch, habe aber nichts in der Birne.

Neben solchen rhetorischen Glanzlichtern fiel Thomalla vor allem durch ihren demonstrativen Flirt mit dem stellvertretenden FDP-Bundesvorsitzenden Wolfgang Kubicki auf. Der sei genau der Typ Mann, auf den sie stehe: “Er ist selbstbewusst, sagt, was er denkt. und macht Frauen gern ein Kompliment”.

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Das muss man wohl so stehen lassen. Kubicki jedenfalls genoss es sichtlich, dem Publikum als stilvoll ergrauter Playboy präsentiert zu werden. Um dieses Image zu untermalen, zeigte man ihn am Steuer seiner Privatjacht und beim ausgelassenen Feiern mit Parteikollegin Katja Suding.

Der Diskussion um die sprachlichen Auswirkungen des Gender-Mainstreamings, die meist gleichbedeutend mit einer geschlechtlichen Neutralisierung sind – so soll etwa in Nordrhein-Westfalen aus dem Studentenwerk das Studierendenwerk werden – konnten die Schauspielerin und der FDP-Mann wenig abgewinnen. Kubicki war das alles schlicht zu teuer, Thomalla zu lebensfern.

Gefährdet Gender-Mainstreaming die deutsche Sprache?

Dafür diskutierten die übrigen Teilnehmer umso engagierter über diesen Punkt, dessen grundlegende Bedeutung Anton Hofreiter zu erläutern versuchte. Der Weg über die Sprache ins Bewusstsein sei deshalb unumgänglich, weil sich unser Denken in Sprache konfiguriere: “Wenn sie Ärzte sagen, wenn sie Politiker sagen, wenn sie Studenten sagen, dann denken sie in der Regel nur im männlichen Bereich”, so der Grünen-Vertreter. Und Anne Wizorek führte mit Verweis auf das letzte Beispiel an: “Wenn wir ein Wort wie Studierende haben, ist das ein einschließendes, das alle Geschlechter umfasst”. Man denke dabei nicht mehr automatisch nur an Männer.

Die Bloggerin war sichtlich bemüht, diese Eingriffe in die Sprache, die per se wandelbar sei, als eine Möglichkeit zur persönlichen Entfaltung und Vermeidung von Diskriminierung anzupreisen. Sie selbst sage beispielsweise Frauenteam statt Frauenmannschaft.

Beim Studiopublikum stieß das auf wenig Gegenliebe. Wirklich in Rage darüber geriet aber Birgit Kelle. “Das ruiniert unsere ganze Sprache. Ich sehe nicht ein, dass grammatikalisch korrektes Deutsch nicht mehr reichen soll”, echauffierte sie sich. Und gegen die Versuche, staatlich verordnet in die Sprachentwicklung einzugreifen, führte sie an, dass Redeweisen sich normalerweise von unten entwickelten. “Was hier gerade passiert, ist aber, dass uns irgendwelche Leute, die sich diskriminiert vorkommen, vorschreiben, wie wir, die große Mehrheit, jetzt zu reden haben. Und das sehe ich überhaupt nicht ein”.

Wahre Probleme geraten in den Hintergrund

Da waren sie also wieder, die Silbenstreitigkeiten, die Diskussionen um den politisch korrekten Unterstrich und die Wortendungen, die manch einen wichtigeren Punkt überlagern. Als es anschließend um ein sehr handfestes Thema ging, dass nämlich Frauen im Beruf rund ein Fünftel weniger verdienen als Männer und selbst nach der Bereinigung um Sonderfaktoren noch sieben Prozent davon übrig bleiben, waren sich die gegnerischen Lager in der Verurteilung dieser Ungerechtigkeit durchaus einig.

Weil aber im ganzen Genderdiskurs nicht sein kann, was nicht sein darf, zankte man stattdessen über die Ursachen, warum sich Frauen am Arbeitsmarkt als weniger durchsetzungsfähig erweisen. Während Kelle das weibliche Naturell dafür verantwortlich machte, war für Wizorek und Hofreiter die Sozialisierung schuld.

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Auf den Lohn- und Gehaltszetteln der Republik dürfte diese alte Debatte aber weder heute noch morgen Spuren hinterlassen. Und man stelle sich nur mal vor, wie viel Gleichberechtigung Frau sich leisten könnte, wenn es nur gelänge, diesen wirklichen „Gender Gap“ zu schließen.

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