Kritik zu Flag Day: Sean Penn kann’s doch nicht lassen - FILMSTARTS.de
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    Flag Day
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Flag Day

    Sean Penn kann’s doch nicht lassen

    Von Teresa Vena

    Eigentlich hatte Sean Penn nach der Pleite seines Entwicklungshilfe-Melodramas „The Last Face“, das 2016 so universell wie wenige Prestige-Produktionen von der Kritik verrissen wurde, angekündigt, dass er fortan nicht mehr selbst Regie führen wolle. Aber offensichtlich konnte er es dann doch nicht lassen und präsentierte „Flag Day“, in dem er an der Seite seiner Tochter Dylan Penn die Hauptrolle spielt, nun abermals im Wettbewerb der Filmfestspiele in Cannes.

    Dort wurde das Melodrama zwar nicht wie der Vorgänger regelrecht aus dem Saal gebuht, aber auch nicht gerade besonders wohlwollend aufgenommen. Das Resultat ist – was den Inhalt als auch die Form betrifft – mehr als konventionell. Nachdem er bisher Jack Nicholson („Crossing Guard“ & „Das Versprechen“), Viggo Mortensen („Indian Runner“) und Emile Hirsch („Into The Wild“) in den Hauptrollen seiner Filme besetzt hat, ist „Flag Day“ nun die erste Regiearbeit von Penn, in der er selbst mitspielt. Eine gute Entscheidung, denn zumindest auf seine eigene schauspielerische Leistung kann er zählen, selbst wenn der Rest des Films wenig aufregend ist.

    Jennifer hat es geschafft - selbst wenn ihr Vater nie für sie da war...

    Jennifer vergöttert ihren Vater John (Sean Penn), auch wenn er sie, ihren Bruder und ihre Mutter früh verlassen hat, um mit einer anderen Frau zu leben. Selbst seine ausweichende, schönredende Art erträgt sie stoisch und wünscht sich nur, nämlich in seiner Nähe sein zu dürfen. Doch John ist überfordert mit der Verantwortung als Familienvater. Für eine Karriere als Zeichner hat es leider nicht gereicht, weshalb er sich nun von einem halblegalen Geschäft zum nächsten hangelt. Läuft was schief, brennt er buchstäblich alles hinter sich nieder.

    Als Erwachsene versucht Jennifer (jetzt gespielt von: Dylan Penn) ein weiteres Mal, den alkohol- und drogenkranken Vater auf die richtige Spur zu bringen, was vor allem bedeutet, dass er einen „normalen“ Job finden soll. Doch seine anfängliche Einsicht hält nicht lange an. Zwischenzeitlich baut sich Jennifer aus eigener Kraft eine beachtliche Karriere als Journalistin auf…

    Viele Symbole, wenig Substanz

    Reale Aufsteigergeschichten von erfolgreichen Menschen, die ihre „White Trash“-Vergangenheit erfolgreich hinter sich gelassen haben, scheinen nicht nur dank der Netflix-Verfilmung des Bestsellers „Hillbilly-Elegie“ aktuell Hochkonjunktur zu haben. „Flag Day“ basiert auf dem autobiographischen Roman der US-Amerikanerin Jennifer Vogel und ist Zeugnis einer persönlichen Erfolgsgeschichte, geprägt von Hartnäckigkeit und Opferbereitschaft. Ähnlich wie die vor einigen Jahren ebenfalls verfilmte Journalistinnen-Autobiographie „Schloss aus Glas“ mit Brie Larson geht es auch im Buch von Vogel zentral um die psychische Belastung, denen Kinder von verantwortungslosen Eltern ausgesetzt sind. Dabei spielt nicht nur Penns Tochter Dylan mit, sondern auch ihr Bruder Hopper Penn. Die Besetzung des real verwandten Vater-Tochter-Sohn-Trios bedeutet aber leider nicht, dass das inszenierte Familienleben deshalb automatisch auch authentisch wirkt.

    Bricht man die Handlung des Films auf ihre Essenz herunter, hätte der Stoff vermutlich eher für einen Kurzfilm ausgereicht. Ein tragisches Fazit angesichts der Tatsache, dass sich Penn hier eigentlich vorgenommen hat, eine komplexe Geschichte von der Beziehung zwischen Vater und Tochter über 20 Jahre hinweg zu erzählen. Aufgebläht hat er ein banales Drehbuch mit einer Vielzahl an Rückblenden, die, eingetaucht ins warme Licht eines Sonnenuntergangs, einen idyllischen Blick auf Momente unbeschwerter Kindheit und Vater-Tochter-Zeit werfen. In regelmäßigen Abständen werden diese Kaleidoskope der Erinnerung in nahezu identischer Komposition wiederholt. Darin erscheint konstant ein einzelnes Motiv, nämlich das übergroße Werbeschild eines Restaurants in Gestalt eines Cowboys, das Penn immer weiter symbolisch auflädt, ohne es je mit der erzählten Geschichte in einen reellen Bezug zu setzen.

    Sean Penn bleibt zumindest als Schauspieler eine sichere Bank, selbst wenn seine Regiearbeiten zuletzt kaum überzeugen konnten.

    Dies ist nur eines von vielen Beispielen für formale wie inhaltliche Details, die isoliert für sich bleiben. Es wirkt, als habe Penn eine Metapher an die andere gereiht, ohne deren Bedeutung in Gänze zu verstehen oder vielleicht in der Meinung, dem Film damit wie automatisch eine philosophische Tiefe zu verleihen. So verhält es sich auch mit dem Titel. Am „Flag Day“ hat die von Penn gespielte Figur Geburtstag – und Ende. Aufgeladen mit übermäßigem Pathos wird der notorische Lügner und Kleinkriminelle John als eine Art weißer Ritter der missverstandenen Freiheitskämpfer dargestellt. Reichlich naiv beschreibt der Film ihn als einen Systemverweigerer, der zwar ständig lügt und betrügt, vielleicht auch das eine oder andere Mal das Leben anderer aufs Spiel setzt, aber eben zumindest den Mut hat, nicht mit dem Strom zu schwimmen. Es gibt dabei auch noch nicht mal einen Hauch von Ironie, die die Rolle womöglich noch ambivalent brechen könnte.

    Zum Glück ist Sean Penn aber auch noch als Darsteller dabei. Seine charismatische Präsenz, die im Laufe des Films an Intensität zunimmt, hat stellenweise etwas derart Berührendes, dass man ihm einfach laut und deutlich sagen möchte, sich doch bitte auf diese, nicht unbedeutende Stärke zu konzentrieren. Unvergesslich ist etwa die Szene, in der Penn alias John mit einem angeblichen Autohändler telefoniert, den er von irgendeinem Geschäft überzeugen will, aber mittendrin Jennifer den Stecker zieht – unbeeindruckt bleibt John in seiner Rolle und beendet das Gespräch, als wäre die Verbindung nie unterbrochen worden. Dylan Penn hat der Performance ihres Vaters in der farblosen Figur der Aufsteiger-Journalistin hingegenkaum etwas entgegenzusetzen.

    Fazit: Es funktioniert leider einfach nicht mehr. Sean Penn gehört inzwischen offensichtlich vor und nicht hinter die Kamera. Seine neue Regiearbeit ist zwar nicht so offensichtlich fehlgeleitet wie „The Last Face“, aber inhaltlich wie formal flach. Überladen mit Musik trieft der Film nur so vor Pathos und Sentimentalität.

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