Midway 1942: Fünf Minuten, in denen Japan den Weltkrieg verlor - WELT
WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Geschichte
  3. Zweiter Weltkrieg
  4. Midway 1942: Fünf Minuten, in denen Japan den Weltkrieg verlor

Zweiter Weltkrieg Midway 1942

Fünf Minuten, in denen Japan den Weltkrieg verlor

Nach Japans Siegeszug in Asien wollte der kaiserliche Admiral Yamamoto die US Navy im Pazifik vernichten. Beim Midway-Atoll kam es am 4. Juni 1942 zur Schlacht, die in einer Katastrophe endete.
Freier Autor Geschichte

Lange hatte Admiral Isoroku Yamamoto gegen den Krieg gegen die USA plädiert. Der Oberbefehlshaber der Vereinigten Flotte Japans hatte sich sogar in den Schutz seines Flaggschiffs zurückgezogen, um den mörderischen Nachstellungen der Falken aus der Armeeführung zu entgehen. Als aber im Herbst 1941 im kaiserlichen Kriegsrat die Entscheidung gefallen war, dass ausgerechnet mit Yamamotos Plan eines Luftüberfalls auf Pearl Harbor der Krieg entfesselt werden sollte, versprach er, „sechs Monate oder ein Jahr lang wild“ um sich zu schlagen. Sollte der Krieg aber ein zweites oder drittes Jahr dauern, sehe er „äußerst schwarz“. Dann würde Amerika Ressourcen mobilisiert haben, von denen sein Kaiser nur träumen konnte. Yamamoto wusste, wovon er sprach, hatte er doch in den USA studiert.

Die Überzeugung, dass sein Gegner mit jedem Tag an Stärke gewann, wurde zur Leitlinie von Yamamotos Strategie. Noch während die japanischen Truppen nach seinem Überfall auf die US-Pazifikflotte in Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 in erfolgreichen Blitzfeldzügen die Philippinen, Malaysia, Birma, Indonesien, große Teile Papua Neuguineas sowie die meisten Inselgruppen des Pazifiks eroberten, forderte der Admiral den Ausbau eines weit gespannten Verteidigungsgürtels, der Japan vor amerikanischen Angriffen schützen sollte. Und als der sich als allzu durchlässig erwies, setzte er alles auf eine Karte: Mit einer Entscheidungsschlacht wollte er die US Navy in den Weiten des Pazifik stellen und vernichten. Als Ort wählte er ein Atoll ziemlich genau auf halber Strecke zwischen Tokio und Los Angeles: Midway.

Zwei amerikanische Aktionen hatten Yamamoto gezeigt, dass die Zeit drängte. Am 18. April 1942 hatten einige US-Bomber unter Führung des Armee-Colonels James Harold Doolittle Tokio und Yokohama bombardiert. Im Grund war der „Doolittle-Raid“ aus der Verzweiflung heraus geboren, mangels stärkerer Mittel der amerikanischen Öffentlichkeit einen irgendwie gearteten Vergeltungsschlag für Pearl Harbor zu bieten. Ein Flugzeugträger hatte die 16 B-25-Maschinen bis auf 1100 Kilometer vor die japanische Küste gebracht, sodass die Besatzungen es irgendwie ins freie China schaffen konnten. Aber sie legten damit auch die Schwächen der japanischen Luftverteidigung bloß.

Dass die US-Flotte trotz ihrer Verluste in Pearl Harbor ein ernst zu nehmender Gegner war, zeigte kurz darauf die Schlacht im Korallenmeer. In diesem ersten Gefecht, das ausschließlich über große Distanzen mit Flugzeugen ausgetragen wurde, konnten die Amerikaner Anfang Mai den japanischen Vormarsch nach Neuguinea stoppen, einen leichten Träger versenken und einen modernen Flottenträger so schwer beschädigen, dass er über Monate hinweg ausfiel. Zwar ging die „USS Lexington“ verloren, aber die beschädigte „Yorktown“ schaffte es aus eigener Kraft noch bis Pearl Harbor.

So wurde Amerika in den Krieg gezogen

Am 7. Dezember 1941 überfielen japanische Trägerflugzeuge die US-Pazifikflotte in Pearl Harbor auf Hawaii. Amerika erklärte Japan den Krieg, der damit endgültig zum Weltkrieg wurde.

Quelle: WELT

Die Schlacht im Korallenmeer hatte einmal mehr deutlich gemacht, dass der Angriff auf Pearl Habor nicht den gewünschten Erfolg gehabt hatte, weil zwar die Schlachtschiffe, nicht aber die Flugzeugträger der Pazifikflotte ausgeschaltet worden waren. Zum Zweiten zeigten die Luftkämpfe, dass die japanischen Marinepiloten ihren amerikanischen Gegnern deutlich überlegen waren, sie aber nicht über genügend ausgebildete Rekruten verfügten, um die Lücken, die durch die großen Verluste entstanden waren, zu schließen. Mehr noch als die Wehrmacht setzte die japanische Marine auf die Kampfkraft ihrer ersten Linie. Über eine Tiefenrüstung, wie sie für einen langen Krieg unerlässlich war, hatte sich auch Yamamoto keine Gedanken gemacht.

Mit seiner Autorität konnte er sich gegenüber dem kaiserlichen Admiralstab durchsetzen. Die sechs Midway-Inseln, zusammen gerade einmal zwölf Quadratkilometer groß, wurden zum Ziel einer Armada, die aus insgesamt elf Schlachtschiffen, vier großen und vier leichten Trägern mit 319 Flugzeugen, 26 Kreuzern, 55 Zerstörern, 20 U-Booten und 39 Transportern bestand. Das Atoll war ihm dabei nur Mittel zum Zweck, um „die gegnerischen Träger herauszulocken und in einer Entscheidungsschlacht zu vernichten“.

Yamamoto teilte seine riesige Flotte in vier Kampfgruppen auf, denen er einen sehr komplizierten Operationsplan zuwies. Um die Amerikaner zu verwirren, sollte am 1. Juni ein Verband auf den westlichen Aleuten-Inseln landen. Drei Tage später sollte die Landungsflotte Midway nehmen, während das Gros der großen Träger die zur Verteidigung anrückende US-Schiffe erwarten würde. Wenn deren Anmarsch erkannt worden sei, wollte Yamamoto mit dem Gros seiner Schlachtschiffe die Falle zuschnappen lassen. Das Problem dieser weiträumigen Dislozierung war allerdings, dass sich die einzelnen Verbände nicht gegenseitig unterstützen konnten. Vor allem der Abmarsch der beiden leichten Träger zu den Aleuten schwächte die Marineluftwaffe beträchtlich.

Warum Yamamoto, der so viel für den Aufbau der japanischen Trägerwaffe getan hatte, noch immer dem Schlachtschiff eine entscheidende Rolle zuwies, ist bis heute ungeklärt. Während die Amerikaner ihre Großkampfschiffe längst im Sicherungsdienst der Trägerkampfgruppen einsetzten, dirigierte der japanische Admiral von dem Superschlachtschiff „Yamato“ aus seine Verbände.

Der Heidelberger Historiker und Japan-Spezialist Takuma Melber („Pearl Harbor“) verweist auf den konservativen Ehrenkodex der kaiserlichen Admiralität: „Für die meisten älteren Admiräle waren die Schlachtschiffe nach wie vor die mächtigste Waffe, die sie nicht einfach zu Gehilfen der Träger degradiert sehen wollten. Selbst Yamamoto konnte sich diesem Prestigedenken nicht entziehen.“

FILE ? In this June, 1942 file photo, black smoke rises from a burning U.S. oil tank, set afire during the Battle of Midway on Midway Atoll in the Northwestern Hawaiian Islands. The Battle of Midway was a major turning point in World War II's Pacific theater. The remote atoll where thousands died is now a delicate sanctuary for millions of seabirds, and a new battle is pitting preservation of its vaunted military history against the protection of its wildlife. (AP Photo, File) |
Zunächst bombardierten japanische Flugzeuge die US-Einrichtungen auf Midway
Quelle: picture alliance / AP Photo
Anzeige

Mängel in der Aufklärung taten ein Übriges. So ging Yamamoto davon aus, dass die US Navy im Korallenmeer zwei große Träger verloren hätten. Dass die „Yorktown“ innerhalb von nur 48 Stunden in der Werft von Pearl Harbor wieder kampfbereit gemacht wurde und wieder auslief, blieb ihm ebenso verborgen wie die Fähigkeit der US-Funkabwehr, den japanischen Marinecode zu lesen. Als die Spezialisten erkannten, dass das Ziel der japanischen Flotte Midway sein würde, bezogen die drei Träger „Hornet“, „Enterprise“ und „Yorktown“ 300 Meilen nordöstlich von Midway Position. Auch war es ein amerikanischer Aufklärer, der den Anmarsch der Japaner erkannte, während Yamamoto und Chūichi Nagumo, der Kommandeur der Träger, nichts von der gefährlichen Nähe der Amerikaner ahnten.

Erst am Morgen des 4. Juni wurde Nagumo gemeldet, dass sich nördlich von Midway feindliche Marineeinheiten befänden. Während ein Teil seiner Bomber noch einen Einsatz gegen die Inseln flog, um die Landung vorzubereiten, entschied der Admiral, dem Gegner mit voller Kraft entgegenzufahren. Zugleich wurde an Bord alles Nötige für die Aufrüstung der Bomber auf Seeziele und die Wiederbetankung der Rückkehrer vorbereitet. In den Hangars stapelten sich bald Bomben und Torpedos, die normalerweise in die sicheren Munitionsdepots gebracht worden wären.

Im Kampf mit den Torpedobombern der „Hornet“ und der „Enterprise“ zeigte sich noch einmal die Überlegenheit der kaiserlichen Piloten und ihrer Flugzeuge. Fast alle Angreifer wurden von den Zero-Jägern abgeschossen. Doch während diese noch um die Flugzeugträger engagiert waren, erreichten 68 US-Sturzkampfbomber in etwa 5000 Meter Höhe das Kampfgebiet, nachdem sie sich zuvor verflogen hatten.

Zwischen 10.25 und 10.30 stürzten sich diese auf die japanischen Träger. Innerhalb weniger Minuten verwandelten auslaufendes Flugbenzin und explodierende Bomben die „Soryu“, „Akagi“ und „Kaga“ in Flammenhöllen. Die „Hiryu“ konnte zwar noch entkommen und mit ihren Bombern die „Yorktown“ so schwer beschädigen, dass sie kurz darauf leichte Beute eines japanischen U-Boots wurde. Bomber der beiden anderen US-Träger versenkten im Gegenzug die „Hiryu“.

Innerhalb von fünf Minuten und fast auf den Tag ein halbes Jahr nach dem Überfall auf Pearl Harbor hatte Japan den Kern seiner Trägerwaffe verloren. Trotz drückender Überlegenheit an Schlachtschiffen brach Yamamoto das Unternehmen gegen Midway ab und zog sich zurück.

The Imperial Japanese Navy aircraft carrier Soryu was constructed between 1934 and 1937, and served between 1927 and 1942. The Soryu participated in the attack on Pearl Harbour in December 1941, and was sunk at the Battle of Midway in June 1942. | Verwendung weltweit, Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
Der japanische Flottenträger "Soryo" gehörte zu den Opfern der Schlacht
Quelle: picture alliance / CPA Media Co.

Von da kämpfte Japan in der Defensive. Bald mit dem Rücken zur Wand. Denn der moderne Seekrieg war auch eine Frage der Industriepotenziale. Zwischen 1941 und 1945 konnte Japan noch fünf große Träger in Dienst stellen, die USA dagegen 16 (und zusätzlich rund 70 leichte und Geleitträger). Den Verlust an ausgebildeten Piloten konnte das Kaiserreich überhaupt nicht mehr ersetzen, geschweige denn Flugzeuge entwickeln, die den neuen US-Typen gewachsen waren.

Doch den Krieg hatte Japan im Grunde schon sechs Monate zuvor verloren, als es nicht gelang, beim Angriff auf Pearl Harbor Träger und Werftanlagen zu zerstören. „Midway war keine Entscheidungsschlacht“, sagt Historiker Melber. „Selbst wenn Yamamoto bei Midway gesiegt hätte, hätte dies den Krieg allenfalls verlängert.“ Zu übermächtig waren die Ressourcen Amerikas.

Sie finden „Weltgeschichte“ auch auf Facebook. Wir freuen uns über ein Like.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema