Schindlers Liste (USA 1993) : KRITIK : artechock

Schindlers Liste

Schindler's List

USA 1993195 min. � FSK: ab 12
Regie: Steven Spielberg
Drehbuch:
Kamera: Janusz Kaminski
Darsteller: Liam Neeson, Ben Kingsley, Ralph Fiennes, Caroline Goodall, Jonathan Sagalle
Das ikonische M�dchen im roten Mantel

Ein Hochstapler der Moral

Wer es gesehen hat, wird es nicht vergessen: Das M�dchen im roten Mantel. Inmitten eines Schwarz�wei�-Films. Inmitten der H�lle – des 13.M�rz 1943, als das Ghetto von Krakau ger�umt wurde...

Es ist eine ikonische Szene, gerade in all ihrer R�tsel�haf�tig�keit, indem hier absolute Unschuld und das absolute Grauen in eins fallen.
Es ist der Augen�blick des Films, der Augen�blick, in dem das Jetzt einbricht in die histo�ri�sche Zeit, und der Moment, der zur Initia�tion wird f�r Oskar Schindler.
In diesem Augen�blick wird aus einem guten Menschen, den seine allt�g�liche Humanit�t nicht daran hindert, vom Krieg zu profi�tieren und von billigen Zwangs�ar�bei�tern, ein beson�derer Mensch, ein Held, und einer der Gerechten unter den V�lkern.

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Was f�r ein Film! Und was f�r eine uner�war�tete Erfahrung, ihn jetzt wieder�zu�sehen. Kaum zu glauben, dass es 25 Jahre her ist: Vor einem Vier�tel�jahr�hun�dert, Anfang 1994, bewegte Steven Spiel�bergs Film Schind�lers Liste die Welt – aus Anlass seines 25-j�hrigen Jubil�ums l�uft Schind�lers Liste am kommenden Sonntag – und nur an diesem Tag – noch einmal in �ber 400 deutschen Kinos, im Verleih des Hollywood-Studios Universal Pictures Inter�na�tional.

So wie sich manches f�r immer ins Ged�chtnis einge�brannt hat – so sehr hat man anderes vergessen. Schind�lers Liste ist n�mlich ein Spielfilm, der auch einfach besonders gefilmt und gut erz�hlt ist. Allein die erste Vier�tel�stunde, in der die von Liam Neeson gespielte Figur des Oskar Schindler einge�f�hrt wird: Ein zwie�lich�tiger Held, wie ihn ein Humphey Bogart oder Robert Mitchum h�tten spielen k�nnen, ein Hoch�stapler – aber einer der Moral und aus mora�li�schen Gr�nden.

Schind�lers Liste ist ein Spielfilm �ber den millio�nen�fa�chen Mord an den europ�i�schen Juden durch Deutsche, aber auch die Geschichte �ber einen guten Deutschen: Oskar Schindler, der so trick�reich wie entschlossen, mit viel Mut zum Risiko �ber 1200 Juden vor der Ermordung rettet.
All das basierte, man wei� es, auf histo�ri�schen Fakten, die aber ausge�rechnet in Deutsch�land voll�kommen unbekannt waren. Als habe man nichts h�ren wollen von einem Deutschen, der bewies, dass es m�glich war, sich auch anders zu verhalten.
Tats�ch�lich hatte die deutsche Film�f�r�de�rung in den Jahren vor Spielberg alles daf�r getan, verschie�dene Projekte �ber Schindler, einen Doku�men�tar�film wie ein Spiel�film�vor�haben, zu verhin�dern.

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Als Spiel�bergs fertiger Film dann in die Kinos kam, und noch vor dem deutschen Filmstart Anfang M�rz ‘94 sieben Oscars gewann, l�ste er heftige Debatten aus, in Deutsch�land wie in der �brigen Welt:
�ber die Figur Schindler und wie sie denn moralisch zu bewerten sei. Schindler habe doch aus Gewinn�sucht gehandelt, habe doch die Namen auf seiner Liste will�k�r�lich ausge�w�hlt. So meinten einige besonders Schlaue einwenden zu m�ssen – als ob das Schind�lers Mut einschr�nken w�rde, und als ob es darauf ank�me, dass Schindler nicht ebenso sachlich Buch gef�hrt hat, wie die Nazis mit ihren Todes�listen und der b�ro�kra�ti�schen Verwer�tung noch des letzten Goldzahns der Toten.

Schwerer wiegen die Einw�nde zur Darstel�lung des Mordens und Sterbens, zur Frage, was man zeigen kann und darf, und wo die Obsz�nit�t beginnt? Kein Gerin�gerer als Claude Lanzmann, der mit Shoah die ulti�ma�tive doku�men�ta�ri�sche Darstel�lung des Juden�mords vorgelegt hatte, erhob seine Stimme gegen den Film: Im Spielfilm sei das Geschehen nicht zu fassen.

Das wiegt bis heute schwer und ist nicht zu wider�legen. Man kann nur dagegen argu�men�tieren, dass Spielberg ein Publikum f�r seine Themen anspricht, das man nur durch diese Art des gehobenen Unter�hal�tungs�kinos gewinnen und sensi�bi�li�sieren kann. Der Erfolg gibt ihm da recht.

Schind�lers Liste ist ein Film, der bewegt, aber aus dem sich auch viel lernen l�sst. Ein Film, der unbedingt im Schul�un�ter�richt gezeigt werden sollte – nicht nur, weil im offi�zi�ellen deutschen Schul�pro�gramm der Vision Kino zwar Spiel�bergs Film enthalten ist, aber neben Schrott wie Hanni und Nanni, der dann oft genug l�uft, weil man glaubt, dass das den Kindern gef�llt.

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In der Geschichte des deutschen Vergan�gen�heits�um�gangs, bei dem nichts zu bew�l�tigen ist, sondern nur im neuen Gewand wieder�kehrt, ist Schind�lers Liste ein �hnlicher Meilen�stein wie sonst nur die k�rzlich in der ARD wieder�holte Serie �Holocaust�, die 1979 ganz West�deutsch�land aufw�hlte.

Im R�ckblick ist dieser Film eine Wasser�scheide unserer Erin�ne�rungs�kultur: Es gibt ein Vorher und ein Nachher, und es ist inter�es�sant sich einmal einzu�lesen: Das leise Protes�tieren, das damals gegen den Film zu h�ren war, markiert auch das Auftau�chen des intel�lek�tu�ellen Fl�gels der neuen Rechten. Wer damals �ffent�lich gegen Spielberg und Schindler Einspruch erhob, geh�rt heute zum radikalen Umfeld der AfD oder der noch extre�meren Rechten.
So gesehen ist das heutige Wieder�her�aus�bringen dieses Films auch ein Kommentar zu den gegen�w�r�tigen poli�ti�schen Verh�lt�nissen. Dieser Film zeigt – vor der Wehr�machts�aus�stel�lung – deutsche Soldaten als undis�zi�pli�nierte Mord�banden.

Vor allem die Figur Oskar Schindler provo�ziert nach wie vor. Einer, der 1200 Juden rettete aus einem Polen, in dem 1994 nur 4000 Juden lebten.
Denn dies ist genau das, was manche Natio�nal�kon�ser�va�tive und ihre Freunde gern einfor�dern: Ein deutscher Held. Einer der die Richtigen provo�ziert.