"Tüchtige und energische Frau": Alt-OB Ude erinnert sich an verstorbene Liselotte Vogel | Abendzeitung München
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"Ihr war wichtig, die Welt zu erobern": Alt-OB Ude erinnert sich an verstorbene Liselotte Vogel

Die Vogels zogen bewusst früh ins Augustinum in München, genossen noch lange ihr Leben. Vier Jahre nach ihrem Mann Hans-Jochen ist nun auch Liselotte Vogel gestorben. In der AZ erinnert sich Alt-OB Christian Ude.
| Felix Müller
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Jahrzehntelang sieht man Liselotte Vogel bei vielen öffentlichen Auftritten, hier mit ihrem Mann Hans-Jochen beim Bundespresseball in Bonn am 7. November 1975.
Jahrzehntelang sieht man Liselotte Vogel bei vielen öffentlichen Auftritten, hier mit ihrem Mann Hans-Jochen beim Bundespresseball in Bonn am 7. November 1975. © Archiv/dpa

München - Die Vogels. Sie haben Christian Ude immer wieder überrascht. So gibt es viel zu erzählen, wenn der Alt-Oberbürgermeister von seinem Vor-Vorgänger und dessen Frau Liselotte erzählt. Einmal, berichtet Ude am Mittwoch am Telefon, sei er durch den Englischen Garten geradelt – und habe die beiden "mit Stadtplan auf dem Lenker!" ebenfalls radelnd entdeckt. "Dabei waren sie sicher beide schon über 80", sagt er beeindruckt.

Ja, älter werden und aktiv zu bleiben, das war der Anspruch der Vogels. Von Hans-Joachim Vogel, der jahrzehntelang die Münchner und die bundesdeutsche Politik geprägt hat, 1960 bis 1972 OB war, später Bundesminister und SPD-Chef und bis ins ganz hohe Alter Bücher schrieb, sich an Debatten beteiligte. Aber eben auch von seiner Frau.

2006 zogen Liselotte und Hans-Jochen Vogel in die Seniorenresidenz Augustinum

Einer größeren Münchner Öffentlichkeit ist sie natürlich durch viele Auftritte an der Seite ihres Ehemannes bekannt. Aber eben auch und besonders durch die Entscheidung, dass sie 2006 ihre eigene Wohnung aufgaben und in die Seniorenresidenz Augustinum zogen. Da waren die beiden durchaus noch fit. Sie gingen also bewusst einen Schritt, vor dem sich sehr viele Menschen fürchten.

Die Vogels hatten lange eine Wohnung im Olympischen Dorf – inklusive Blick auf die Anlagen der Sommerspiele 1972.
Die Vogels hatten lange eine Wohnung im Olympischen Dorf – inklusive Blick auf die Anlagen der Sommerspiele 1972. © archiv/dpa

Darüber hat Liselotte Vogel das Buch "Ich lebe weiter selbstbestimmt" geschrieben. "Die beiden haben sehr vielen Menschen geholfen, die Angst vor dem Altenheim zu überwinden", sagt Christian Ude voller Bewunderung. "Dorthin zu gehen, so lange es einem noch gut geht, es als eine Wohnung mit Service zu sehen." Ihr Buch, sagt Ude, habe Liselotte Vogel sehr viel bedeutet. Auch, weil es gezeigt habe, dass sie doch viel mehr sei als "nur" die Frau an der Seite ihres Mannes.

Christian Ude über Liselotte und Hans-Jochen Vogel: "Wir sind sehr oft zusammen ausgegangen"

Seit 1972 waren die Vogels verheiratet, für beide war es die zweite Ehe. Christian Ude verbindet mit dem Ehepaar aber vor allem die Jahre ab 2014, als er selbst im Ruhestand war und man sich viel privat traf. "Wir sind sehr oft zusammen ausgegangen", sagt er. Ausgegangen? Aber ja doch! Im Augustinum hätten die Vogels einen schönen Raum reserviert mit Restaurant-Service. Dort sei man stundenlang zusammengesessen und habe politisch diskutiert. Die Vogels wiederum seien mit dem Taxi nach Schwabing gekommen, wo die Udes ihnen Restaurants gezeigt hätten.

Christian Ude und seine Frau Edith Welser-Ude beim Besuch im Augustinum 2017 mit dem Ehepaar Vogel.
Christian Ude und seine Frau Edith Welser-Ude beim Besuch im Augustinum 2017 mit dem Ehepaar Vogel. © Privatarchiv Christian Ude

Die Rolle an der Seite Vogels, dem doch eine gewisse Besserwisserei nachgesagt wurde, nahm Liselotte offenbar auch mit Humor. Ude erzählt, wie er bei einem ihrer Ehepaar-Treffen berichtet habe, dass er ein Protokoll aus jener Zeit wiedergefunden habe, als Ude ein aufmüpfiger Schwabinger Jungsozialist war – und Vogel Oberbürgermeister. "Wir haben dem OB damals berichtet, wie schwer es für uns sei, dass er bei jedem Thema besser Bescheid weiß", habe er dem hochbetagten Hans-Jochen Vogel erzählt. Da habe Liselotte Vogel nur gerufen: "Das kann ich gut verstehen!"

Mit dem Nachtzug nach Berlin

Ude erinnert sich an eine "tüchtige und energische Frau", die studierte Germanistin war lange für die Pfennigparade tätig. Und, natürlich, an der Seite ihres Mannes. Über dessen nie enden wollenden Tatendrang konnte auch die hochbetagte Liselotte noch viele Geschichten erzählen. "Ihr war wichtig, wie man aus dem Augustinum noch die Welt erobern kann", sagt Ude.

"Sie erzählte immer, wie Hans-Jochen abends mit dem Taxi zum Bahnhof fuhr, um den Nachtzug nach Berlin zu bekommen. Dort absolvierte er am nächsten Tag drei, vier Fernsehaufzeichnungen, nahm abends den Nachtzug zurück, fuhr mit dem Taxi wieder ins Augustinum, um dort pünktlich beim Frühstück eine Runde Damen damit zu unterhalten, was sie nächste Woche im Fernsehen sehen würde."

Nach seinem Tod ihres Mannes 2020 lebte Liselotte Vogel zurückgezogen

Wenn Liselotte Vogel im Fernsehen auftauchte, sprach sie wiederum oft über das gute Älterwerden. Darüber, dass sie den vielen Platz der alten Wohnung gar nicht vermisse, zum Beispiel. Auf kleinerem Raum zu wohnen, sagte sie dann etwa, sei doch kein Problem. "Man braucht gar nicht so viel Platz, wie man sich einbildet." Und überhaupt, wenn ihr Mann weg sei, fülle sie gut die ganze Wohnung aus. Es gäbe ja keine ungenutzten Räume.

Bei der Trauerfeier für ihren verstorbenen Mann im Gasteig 2020 ergreift Liselotte Vogel auch selbst das Wort.
Bei der Trauerfeier für ihren verstorbenen Mann im Gasteig 2020 ergreift Liselotte Vogel auch selbst das Wort. © Archiv/Peter Kneffel/dpa

In einem Interview mit der "Frankfurter Rundschau" hat Liselotte Vogel in den frühen 2010er Jahren mal gesagt, sie finde ganz erschreckend, wie schnell doch die Zeit vergehe. Die Debatte um eine Münchner Olympiabewerbung 2018, ach, die sei sowas von uninteressant für sie, das werde sie doch eh nicht mehr erlebeben. Auch Alt-OB Ude erzählte am Mittwoch im Gespräch mit der AZ, Liselotte Vogel habe viel länger gelebt, als sie erwartet habe. Viele gute Jahre habe sie noch mit ihrem Mann im Augustinum gehabt. Nach seinem Tod 2020 aber lebte sie zurückgezogen. Christian Ude hat in den vergangenen Jahren nur noch gelegentlich am Telefon mit ihr gesprochen.

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Das Rathaus bestätigte der AZ am Mittwoch einen Bericht des "Münchner Merkur", wonach Liselotte Vogel nun mit stolzen 97 Jahren gestorben ist. Sie wurde am Bogenhauser Friedhof beerdigt. Im Familiengrab, wo auch schon ihr Hans-Jochen liegt.

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