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Geschichte Medici-Attentat 1478

Der Bischof wurde erhängt, sein Partner nackt durch die Stadt getrieben

Um die Macht der Medici zu brechen, verbündeten sich 1478 Kirchenfürsten und die Pazzi-Familie zu einem Komplott. Giuliano de’Medici wurde im Dom von Florenz ermordet, aber Lorenzo entkam. Es folgte ein Blutbad.
Freier Autor Geschichte
The Pazzi conspiracy. Private Collection. Artist : Ussi, Stefano (1822-1901). (Photo by Fine Art Images/Heritage Images/Getty Images) The Pazzi conspiracy. Private Collection. Artist : Ussi, Stefano (1822-1901). (Photo by Fine Art Images/Heritage Images/Getty Images)
Das Attentat der Pazzi im Dom von Florenz – von Stefano Ussi (1822-1901)
Quelle: Heritage Images/Getty Images

Sandro Botticelli (1445–1510) zählt zu den bedeutendsten Malern der Renaissance. Nicht zuletzt als Porträtist machte er sich einen Namen. Eine Person hat der Florentiner geradezu in Serie dargestellt: Giuliano di Piero de’Medici (1453–1478). Vier Fassungen seines Konterfeis haben sich erhalten. Stets hält er darauf die Augen geschlossen, und auf der Version in der National Gallery in Washington begleitet ihn eine Taube, die sich auf einem verdorrten Zweig niedergelassen hat, ein Zeichen ewiger Treue: Kunst im Dienst politischer Propaganda. Denn als die Porträts entstanden, war Giuliano bereits tot, Opfer einer Verschwörung gegen die Medici, Botticellis Auftraggeber.

Der Anschlag der sogenannten Pazzi-Verschwörung am 26. April 1478 besaß alle Ingredienzien eines internationalen Komplotts. Adlige, Bankiers, Söldner und Kirchenfürsten bis in die höchsten Etagen des Vatikan waren darin verstrickt. Sie einte das Ziel, den Medici, der mächtigsten und reichsten Familie von Florenz, Mäzene der Renaissance und globale Unternehmer, endgültig den Garaus zu machen.

UNSPECIFIED - CIRCA 2003: Portrait of Giuliano di Piero de Medici (Florence, 1453-1478) Italian politician, painting by Sandro Botticelli (1445-1510), 1478, tempera on panel, 53x36 cm. Berlino, Dahlem, Staatliche Museen Zu Berlin, Museum Europaischer Kulturen (Photo by DeAgostini/Getty Images) Getty ImagesGetty Images
Sandro Botticelli hat Giuliano de' Medici (1453-1478) nach 1478 wiederholt porträtiert. Die Version in der Berliner Gemäldesammlung ...
Quelle: De Agostini via Getty Images
Portrait of Giuliano de' Medici (by Sandro Botticelli, Italian, 1446 - 1510), circa 1478-80. From the National Gallery of Art, Washington DC. Tempera on panel. (Photo by GraphicaArtis/Getty Images) Getty ImagesGetty Images
... in der National Gallery of Art in Washington ...
Quelle: Getty Images
ITALY - JUNE 10: Bergamo, Pinacoteca Dell'Accademia Carrara (Art Gallery, Paintings) Portrait of Giuliano de Medici, ca 1478-1480, by Sandro Botticelli (1445-1510), tempera on wood, 54x36 cm. (Photo by DeAgostini/Getty Images) Getty ImagesGetty Images
... und in der Pinacoteca Dell'Accademia Carrara in Bergamo
Quelle: De Agostini via Getty Images

Die Gelegenheit schien günstig. Nach dem Tod des großen Cosimo, der die Familie an die Spitze der Florentiner Gesellschaftshierarchie geführt hatte, und der kurzen Herrschaft seines Sohnes Piero hatte 1469 dessen gerade einmal 20jähriger Sohn Lorenzo (1449–1492) die Führung der Geschäfte übernommen. Ohne große Erfahrung für das sensible Machtspiel zwischen der Fassade einer republikanischen Verfassung, Familienrivalitäten, Patronage und protokapitalistischer Ökonomie, galt er als leichter Gegner für Konkurrenten, die nach dem Vorbild der Medici im Bankgeschäft reich geworden waren.

Vor allem der Pazzi-Clan pochte darauf, endlich einen Anteil an der politischen Macht zu erhalten, der seinen Geschäftsbilanzen entsprach. Lorenzo de’ Medici hatte ihnen daraufhin im Squittino, der Prüfung der Amtsfähigkeit, die Grenzen aufgezeigt und ihnen zudem eine lukrative Erbschaft durchkreuzt, was erhebliche Einbußen an Geld und – vor allem – Ehre zur Folge hatte.

Portrait of Pope Sixtus IV della Rovere, early 1500s. Attributed to Pedro Berruguete (Castilian, c. 1504). Oil on wood, transferred to canvas; framed: 95.5 x 76 x 5 cm (37 5/8 x 29 15/16 x 1 15/16 in.); unframed: 70.2 x 51.4 cm (27 5/8 x 20 1/4 in.). (Photo by: Sepia Times/Universal Images Group via Getty Images)
Der Mann im Hintergrund: Papst Sixtus IV. (1414-1484)
Quelle: Sepia Times/Universal Images Group via Getty Images

Auf der Suche nach einem Verbündeten wurden sie bei Francesco della Rovere (1414–1488) fündig. Diesem Emporkömmling aus der wenig bedeutenden Stadt Savona war es 1471 gelungen, auf den Thron Petri gewählt zu werden. Als Sixtus IV. machte er sich umgehend daran, seiner Familie mit zahlreichen Pfründen den sozialen Aufstieg zu bereiten.

Indem er sechs Verwandten den Kardinalshut verschaffte, blockierte er zugleich die Begehrlichkeiten der Medici. Schließlich entzog Sixtus ihnen sogar die Rolle des päpstlichen Bankiers und übertrug das Amt des Generaldepositars den Pazzi. Die dankten dem Heiligen Vater, indem sie ihm den Kauf der Festung Imola finanzierten, die die Verbindungen zu den Alaunminen der Medici kontrollierte, deren Salze für die Tuchfärbung entscheidend waren.

Lorenzo de' Medici (1 January 1449 ? 9 April 1492) was an Italian statesman and de facto ruler of the Florentine Republic during the Italian Renaissance. Known as Lorenzo the Magnificent (Lorenzo il Magnifico) by contemporary Florentines, he was a magnate, diplomat, politician and patron of scholars, artists, and poets. He is perhaps best known for his contribution to the art world, sponsoring artists such as Botticelli and Michelangelo. His life coincided with the mature phase of Italian Renaissance and his death coincided with the end of the Golden Age of Florence. | Verwendung weltweit, Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
Lorenzo de' Medici (1449-1492), „il Magnifico“ (der Prächtige)
Quelle: picture alliance / CPA Media Co.

Diesem Machtkartell trat auch der Erzbischof von Pisa, Francesco Salviati, mit seinem Bankiers-Clan bei. Als Männer fürs Grobe steuerte der Papst noch zwei Söldnerführer bei. Federico da Montefeltro ging mit 600 Mann unweit der Stadt in Stellung, um die erwartete Erhebung zu unterstützen. Den tödlichen Schlag gegen Lorenzo de’ Medici sollte Giovanni Battista da Montesecco führen. Auf ihn geht die Aussage zurück, sein päpstlicher Vorgesetzter habe unzweideutig den Sturz der Medici gewünscht, „solange niemand getötet wird“, ein der hohen Würde geschuldetes paradoxes Lippenbekenntnis, urteilt der Historiker und Renaissance-Spezialist Volker Reinhardt.

Als Tag des Anschlags wurde Ostern 1478 festgesetzt. Es war zu erwarten, dass die beiden Brüder Lorenzo und Giuliano es sich nicht nehmen lassen würden, am 26. April zum Hochamt im Dom zu erscheinen.

Supported by pope Sixtus IV, the PAZZI family conspire against the MEDICI at Firenze - fighting breaks out in the Chiesa del Riparata (Konrad Ermisch in Spamer, Illustrirte Weltschichte) | Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
Während Giuliano de'Medici hingemetzelt wird, kann sich Lorenzo erfolgreich zur Wehr setzen
Quelle: picture alliance / Mary Evans Pi

Nun aber begannen die Probleme. Der alte Krieger Montesecco gab vor, ein Attentat an einem hohen christlichen Fest nicht mit seiner Moral vereinbaren zu können. Gut möglich, dass dem erfahrenen Militärführer schwante, wie die Florentiner auf einen Anschlag während der Messe reagieren würden. Zwei Priester hatten weniger Skrupel und erklärten sich zum Anschlag bereit, allerdings war ihre Erfahrung im Umgang mit Mordwerkzeugen begrenzt.

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Schließlich fühlte sich Giuliano am Morgen des Osterfestes unwohl, sodass Francesco de’Pazzi und sein Gefolgsmann Bernardo Bandini ihren ganzen geheuchelten Charme aufwenden mussten, um ihn zum Gang in den Dom zu bewegen. Dabei stellten sie erleichtert fest, dass der jüngere Medici keinen Panzer unter seinem Gewand trug.

UNSPECIFIED - DECEMBER 16: Bronze medal struck in memory of Giuliano de Medici (Florence, 1453-1478) victim of the e Pazzi Conspiracy, 1478, by Bertoldo di Giovanni (ca 1420-1491). Florence, Museo Nazionale Del Bargello (Bargello National Museum) (Photo by DeAgostini/Getty Images) Getty ImagesGetty Images
Bronzemedaille zur Erinnerung an die Pazzi-Verschwörung
Quelle: De Agostini via Getty Images

Als Zeichen war der Glockenton verabredet worden, der die Wandlung von Wein und Brot in Blut und Körper Christi anzeigt. Mit 19 Messerstichen wurde Giuliano de’ Medici buchstäblich niedergemetzelt, wobei sich Pazzi selbst eine Wunde im Schenkel beibrachte. Auch die beiden Priester bewiesen, dass sie keine Profis waren. Lorenzo konnte sich verteidigen und entkam leicht verletzt in die Sakristei und von da in seinen Palast. Und er war geistesgegenwärtig genug, das Volk von Florenz an die Wohltaten seiner Familie zu erinnern und sie unter seinen Schutz zu stellen.

Die Florentiner ließen sich das nicht zweimal sagen. Statt sich gegen die Herrschaft der Medici zu erheben, machten sie Jagd auf die Verschwörer und ihre Anhänger. „Die Gliedmaßen der Ermordeten sah man sie auf den Spitzen der Waffen steckend umhertragen oder durch die Straßen schleppen; überall vernahm man Ausbrüche des Hasses, überall sah man grause Handlungen gegen die Pazzi“, schrieb der Zeitgenosse Niccolò Machiavelli in seiner „Geschichte von Florenz“.

Drawings of Bernardo di Bandino Baroncelli hanged, and emblems, c1472-c1519 (1883). Bernardo di Bandino Baroncelli was one of the Pazzi conspirators who tried to displace the de` Medicii family as rulers of Florence in 1478. From The Literary Works of Leonardo Da Vinci, Vol. 1 by Jean Paul Richter, PH. DR. [Sampson Low, Marston, Searle & Rivington, London, 1883]. (Photo by The Print Collector/Getty Images) Getty ImagesGetty Images
Die Hinrichtung von Bernardo di Bandino Baroncelli – Skizze von Leonardo da Vinci
Quelle: Getty Images

Der Erzbischof wurde unter dem Johlen der Menge im vollen Ornat vor dem Palazzo Vecchio gehängt. Francesco de’Pazzi wurde nackt durch die Straßen getrieben, ebenfalls gehängt und in den Arno geworfen. Bandini konnte nach Konstantinopel entkommen, doch erwirkte Lorenzo beim Sultan die Auslieferung. Seine Hinrichtung war Leonardo da Vinci eine Skizze wert.

Lorenzo de’Medici nutzte die Gelegenheit, um auch mit anderen Gegnern abzurechnen. Doch es war Blutdurst mit eiskaltem Kalkül. Zwar verhängte Papst Sixtus IV. das Interdictum (Verbot christlicher Rituale) über Florenz und brachte seinen mächtigen Verbündeten, König Ferdinand von Neapel, dazu, der Stadt den Krieg zu erklären. Doch Lorenzo setzte auf Diplomatie, reiste nach Neapel und brachte einen akzeptablen Frieden nach Hause.

Tomb of Giuliano de' Medici, Duke of Nemours, 1524-1534, sculptural and architectural marble complex by Michelangelo Buonarroti (1475-1564), Sagrestia Nuova, Medici Chapels, Basilica of Saint Lawrence, Florence, Tuscany, Italy, 16th century. Getty ImagesGetty Images
Das Grabmal für Giuliano, gestaltet von Michelangelo Buonarroti für die Medici-Kapelle in Florenz
Quelle: De Agostini via Getty Images

Dabei gab er sich als „wahrhaft patriotisch beseelter Bürger, zum Selbstopfer entschlossen, um das Gemeinwesen zu retten“ (Volker Reinhardt), was seine Stellung weiter stärkte. Nicht nur als Kunstmäzen galt er bald als „il Magnifico“ (der Prächtige).

Dafür sorgten auch Botticellis Porträts seines ermordeten Bruders, die die Erinnerung an die Verschwörung der Pazzi wachhielten. Doch es ging Lorenzo wohl nicht nur um Politik, sondern auch um Familiensinn. Nach Giulianos Ermordung erfuhr er, dass dieser mit einer Geliebten ein Kind gezeugt hatte, das einige Tage nach dem Anschlag zur Welt gekommen war. Lorenzo nahm den Jungen auf und ließ ihm eine standesgemäße Erziehung zukommen. Als Papst Clemens VII. sollte er 1523 den Stuhl Petri besteigen.

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