Er ist 55, sie ist 31. Er ist der britische Premierminister, sie war mal seine Pressechefin – und jetzt wird sie auch seine First Lady, genauer gesagt „First Girlfriend“. Als Boris Johnson nach seinem Triumph in die Downing Street 10 zurückkehrte, war auch Carrie Symonds an seiner Seite und lächelte vor dem Haus, in dem die beiden für die nächsten fünf Jahre wohnen werden, in die Kameras.
Mit Symonds zieht zum ersten Mal der unverheiratete Partner eines Premierministers an die berühmte Adresse. Gerade für ein Mitglied der Konservativen Partei ein Statement. Tatsächlich spekulieren britische Medien nun, ob bald eine Hochzeit des so ungleich wirkenden Paares anstehe. Denn seit der Wahl Johnsons im Juli 2019 hatte sich Symonds weitestgehend von der Öffentlichkeit ferngehalten – und auch vom Regierungssitz –, erst im Wahlkampf sah man sie wieder mit der gemeinsamen Jack-Russell-Hundedame Dilyn an seiner Seite. Unter anderem auf Twitter, wo sie – häufig eine rote Mütze tragend – sich mit Wählern fotografieren ließ.
Ihr gemeinsamer Einzug in Downing Street Number 10 könnte bedeuten, dass die Scheidung von Johnsons zweiten Ehefrau Marina Wheeler, mit der er vier Kinder hat, kurz bevorsteht. Ein Wähler, den Johnson bei der Abgabe seines Stimmzettels traf, sprach den Politiker ganz konkret darauf an und fragte, ob er seiner Freundin jetzt endlich mal „einen Klunker“ kaufen werde. Johnson antwortete daraufhin diplomatisch mit „wait and see“, sagte aber zugleich, dass er „sehr happy“ sei.
Beobachter schreiben Symonds einen großen Einfluss auf Johnson zu, viele halten sie sogar mitverantwortlich für seinen Erfolg. Der Tory-Politiker, sonst bekannt für seine eher polternden Äußerungen, trete neuerdings seriöser auf. Auch seine äußere Erscheinung habe sich zum Besseren gewandelt. Der „Daily Express“ nannte sie die „die stählerne Blondine, die Boris in Form gebracht hat“.
Unter anderem wird Symonds zugeschrieben, Johnson geholfen haben, die Affäre um Jennifer Arcuri politisch zu überstehen. Während seiner Zeit als Bürgermeister Londons zwischen 2008 und 2016 soll Johnson über Jahre hinweg eine Beziehung zu der US-amerikanischen Geschäftsfrau gehabt haben, mitsamt einer Reihe lukrativer Aufträge, die Jennifer Arcuri erhielt.
Symonds hat nach dem Theater- und Geschichtsstudium eine steile Karriere als PR-Beraterin gemacht. Die Tochter des Mitgründers der Zeitung „The Independent“ und einer Verlagsanwältin hatte im Jahr 2010 begonnen, für die Tories zu arbeiten. Schnell stieg sie auf. CNN berichtet, sie sei mit 29 Jahren die bis dato jüngste Pressechefin der Partei gewesen. 2012 war sie Mitglied des Teams, das Johnson bei seiner Wiederwahl zum Bürgermeister Londons unterstützte.
Wann die Affäre mit Johnson begann, ist nicht bekannt. Doch als ihre Beziehung publik wurde, tobte die britische Presse zunächst gegen „Apples“, wie Symonds Spitzname lautet. Mehrere Parlamentarier kritisierten diesen Umgang der Medien mit der sonst so tough wirkenden PR-Frau in einem offenen Brief. Danach beruhigten sich die Gemüter wieder. Und Symonds begleitete immer mal wieder Johnson auch bei öffentlichen Anlässen.
Opfer eines Serienvergewaltigers
Für viele ist Symonds tatsächlich Johnsons „bessere Hälfte“: Sie gilt als leidenschaftliche Naturschützerin. Nach Bekanntwerden der Beziehung musste sie die Tories verlassen und arbeitet seitdem als PR-Beraterin für eine Umweltorganisation namens Oceana. Ihr Engagement schlägt sich auch modisch nieder.
Bei der „British Birdwatching Fair“ trug sie ein Blümchenkleid eines Labels, das umweltbewusste Kleidung herstellt, dazu Gummistiefel. Kurz darauf war das Modell ausverkauft. Ein Effekt, der schon bei Modeikone Kate Middleton griff, der jetzigen Ehefrau von Prinz William.
Zudem engagiert sie sich für Frauenrechte. 2009 war Symonds selbst das Opfer des sogenannten Black-Cab-Rapist geworden, eines Serienvergewaltigers namens John Worboys. Er hatte die damals 19-Jährige von einer Bushaltestelle in seinem Taxi mitgenommen.
Später bot er ihr einen Drink an, der vermutlich mit Drogen versetzt war - bis heute, sagt Symonds, könne sie sich an die Stunden danach nicht erinnern. Im Prozess hatte Symonds damals gegen Worboys ausgesagt und später dafür gesorgt, dass er nicht vorzeitig aus der Haft entlassen wird.
Welche Rolle Symonds in Zukunft an der Seite Johnsons einnehmen wird, ist noch nicht klar. Anders als zum Beispiel die Gattin des US-Präsidenten gibt es in Großbritannien keine konkrete Aufgabe als First Lady. Sie ließ jedoch schon mitteilen, dass sie kein vom Steuerzahler finanziertes Büro haben werde, das ihre Termine koordinieren müsse.
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