NATO – Geschichte und Gegenwart eines westlichen Bündnisses
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NATO – Geschichte und Gegenwart eines westlichen Bündnisses

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Die Nato wurde als westliches Bündnis gegen die Bedrohung durch die Sowjetunion gegründet. Welche Aufgaben hat sie seit dessen Fall?

Brüssel – Die Nato (North Atlantic Treaty Organization) wurde im Jahr 1949 durch zwölf europäische und nordamerikanische Staaten gegründet. Die Idee dahinter war ein System kollektiver Verteidigung, dass sich vor allem gegen die Sowjetunion richtete. Da die Sowjetunion Expansionsbestrebungen verfolgte, stellte sie insbesondere eine Gefahr für die europäischen Staaten dar. Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges entwickelte sich die Sowjetunion in eine Position direkter Konkurrenz zu den Vereinigten Staaten.

NameNorth Atlantic Treaty Organization (NATO)
Gründung4. April 1949
HauptquartierBrüssel, Belgien
Mitgliedsstaaten31
GeneralsekretärJens Stoltenberg
Gesamttruppenstärkeetwa 3,46 Mio.

Die Nato wurde 1949 von zwölf Staaten gegründet

Im Angesicht des gerade beendeten Zweiten Weltkriegs gehörte die Bundesrepublik Deutschland nicht zu den Gründungsstaaten der Nato. Allerdings entwickelte sich das geteilte Deutschland zunehmend zu einem zentralen Schauplatz des Kalten Krieges. So stimmten die Westalliierten 1955 schließlich einer Wiederbewaffnung Deutschlands und einem Beitritt der Nato zu.

Nach dem Ende des Kalten Kriegs verlor die Nato ihre ursprüngliche Bedeutung. So vollzog sie eine Transformation von einem internationalen Verteidigungsbündnis hin zu einem internationalen Sicherheitsbündnis. Es sollte nicht nur nach außen, sondern auch gleichzeitig nach innen für Frieden sorgen. Als Erfolgsgeschichte gelten hier die konfliktreichen Beziehungen zwischen Griechenland und der Türkei, deren Konflikt dank der Nato statt mit militärischen, mit politischen Mitteln ausgetragen wurde.

Nato
Eine Flagge der Nato. © Daniel Naupold/dpa

Nach dem Fall der Sowjetunion muss die Nato sich neu orientieren

Die Neubestimmung als Allianz für Sicherheit führte auch zur Nato-Osterweiterung. Durch den in Aussicht gestellten Beitritt bot die Nato den ehemaligen Staaten des Warschauer Paktes eine attraktive Perspektive, die die Entwicklung der jungen Demokratien im ost- und mitteleuropäischen Raum in Richtung liberaler Demokratiemodelle und einer politischen Stabilisierung förderte. So traten 1999 die Staaten Polen, Tschechien und Ungarn bei, 2004 folgten Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei und Slowenien. Dies bedeutete eine Erweiterung des Bündnisses bis an die Grenze zu Russland. Die ehemaligen Sowjetstaaten versprachen sich von einem Beitritt zur Nato Schutz vor dem, als Bedrohung wahrgenommenen, Russland.

Um die Organisation zu erhalten, richtete die Nato in ihrem strategischen Konzept von 1991 den Fokus auch auf nicht-traditionelle Sicherheitsbedrohungen und schuf so neue Aufgabenfelder für die Allianz. Mit diesen neuen Aufgabenfeldern standen nicht nur territoriale Sicherheitsbedrohungen auf der Tagesordnung, sondern auch regionale und globale Entwicklungen und deren mittelbare Auswirkungen auf Nato-Mitgliedstaaten.

In den 1990er Jahren trat diese strategische Neuausrichtung plastisch an den ersten out-of-area-Einsätzen in Bosnien und Herzegowina, sowie im Kosovo hervor. So wurden Nato-Luftangriffe ohne Mandat des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen und damit völkerrechtlicher Grundlage durchgeführt. Gleichzeitig sah sich die Nato als „Sozialisierungsagentur“ für die ehemaligen Staaten des Warschauer Paktes, die ebenfalls Teil der westlichen Staatengemeinschaft werden wollten.

Ein Wendepunkt in der Geschichte der Nato sind die Anschläge vom 11. September

Seit den Anschlägen vom 11. September erfuhr die Nato eine weitere Transformation und konzentrierte sich nun vermehrt auf Auslandseinsätze. Daraus wurde ein weltweiter Handlungsanspruch abgeleitet, wann immer die Interessen der Mitgliedstaaten durch Bedrohungen im Sinne eines erweiterten Sicherheitsbegriffs gefährdet waren.

Eine interne Krise für die Nato stellte der Afghanistan-Einsatz dar, an dem Deutschland sich zwar von Beginn an beteiligt hatte, aber auch für dessen zurückhaltende Ausgestaltung kritisiert wurde. Das führte zu teils scharfen Diskussionen und dem Vorwurf der mangelnden Bündnissolidarität Deutschlands durch die Verbündeten.

Die 2000er Jahre waren für die Nato und insbesondere auch für Deutschland sicherheitspolitisch eine große Herausforderung, da die Neuausrichtung auf neue Bedrohungslagen eine Anpassung der militärischen Fähigkeiten erforderte. So waren die Streitkräfte des überwiegenden Teils der Mitgliedsstaaten noch auf Landes- und Bündnisverteidigung in Zentral- bzw. Osteuropa ausgerichtet. Für globales Krisenmanagement war jedoch eine Neuausrichtung der Streitkräfte notwendig geworden. So wurde in Deutschland zwar die Zahl der Streitkräfte verringert, dafür aber bei Ausrüstung und Fahrzeugen vermehrt auf internationale Einsatzfähigkeit geachtet.

Ein weiterer Wendepunkt für die Nato ist die Annexion der Krim durch Russland 2014

Ein Wendepunkt in der Geschichte der Nato stellte auch die Annexion der Krim durch Russland im Frühjahr 2014 dar. Was sich bereits 2008 im Georgien-Krieg angedeutet hatte, hat sich 2014 bestätigt: Russland ist bereit, in seiner Außenpolitik und zur Durchsetzung seiner geopolitischen Interessen auch auf militärisch-aggressive Mittel zurückzugreifen, bestehende völkerrechtliche Verträge und Abkommen zu missachten und somit die europäische Friedensordnung zu untergraben.

Damit wurde die territoriale Verteidigung Europas wieder wichtig und die ressourcenintensive Umstrukturierung der Nato seit den Anschlägen vom 11. September wieder ein Stück weit hinfällig. Die Nato hat zurzeit 31 Mitglieder (Stand: November 2023). Als 31. Mitglied trat zuletzt Finnland am 4. April 2023 dem Bündnis bei. Nächster Kandidat ist Schweden, das aber noch auf eine Aufnahme warten muss.

Gegenwärtige Nato steht vor neuen Herausforderungen

Für die gegenwärtige Nato stellen sich zahlreiche Herausforderungen dar. Einige davon sind sicherlich die weit auseinandergehenden Bedrohungswahrnehmungen der einzelnen Nato-Staaten. Insbesondere Nord- und Osteuropa auf der einen Seite und Südeuropa auf der anderen Seite wären hier zu benennen. Polen und die baltischen Staaten, aber auch Deutschland und Norwegen, blicken seit 2014 verstärkt in Richtung Osten und verstehen Russland als Bedrohung für die territoriale Integrität des Nato-Bündnisgebietes. Auch der andauernde Ukraine-Konflikt mit Russland erfordert eine Reaktion der Nato.

Auf der anderen Seite sehen die Nato-Staaten, die am Mittelmeer liegen, eine vermehrte Bedrohung durch Terrorismus und Migration. Diese unterschiedlichen Wahrnehmungen führen zu abweichenden Prioritätensetzungen und damit einhergehenden strategischen Ausrichtungen der Streitkräfte in den einzelnen Mitgliedstaaten. Das könnte zukünftig auch zu Problemen oder Unklarheiten bei der Bündnissolidarität führen, wenn es darum geht, wo, wie und warum Nato-Streitkräfte eingesetzt werden sollen. (Joshua Schößler)

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