Andrea Sawatzki kannte ich bisher fast ausschließlich aus der sehr unterhaltsamen Filmreihe „Die Bundschuhs“, der ja (zumindest in den ersten Teilen) auch Andrea Sawatzkis eigene Romane als Vorlage dienten (und ich glaube mich zu erinnern, dass sie sich dort auch einen dementen Vater in die ersten ein oder zwei Teile geschrieben hat).
Mit diesem Buch, zeigt die Schauspielerin und Autorin eine traurige, reale Seite aus ihrem Leben. Ich hatte ein bisschen Angst dieses Buch zu lesen, da ich mit Krankheiten und Schwäche im Allgemeinen ganz schlecht umgehen kann. Auf Grund des überschaubaren Umfangs und der guten Bewertungen, habe ich mich nun aber doch herangetraut. Für die Zusammenfassung des Buches an sich reicht ein Satz aus. Es geht um eine Kindheit mit einem demenzkranken Vater.
Ein Vater der eigentlich kein Vater war. Er zeugte ein außereheliches Kind, ohne den Mumm zu haben, seine Ehefrau für die Mutter seines Kindes zu verlassen. Er schenkte der kleinen Andrea in den ersten Jahren ihres Lebens weder seine Zeit noch unterstütze er finanziell. Ein paar kleine Geschenke hier und da waren das Einzige, was die Existenz des Vaters überhaupt greifbar machte.
Als ihm seine Ehefrau mit ihrem Selbstmord die Entscheidung abnahm, hatte er die „Güte“ die inzwischen Achtjährigen und ihre Mutter zu sich zu holen. Die kurzzeitige Familienidylle währte so lange, bis sich erst die Finanzlage und dann die sich anbahnende Demenz bemerkbar machten.
Aus einem einsamen aber glücklichen Leben eines Kindes, wurde die Hölle. Die Beschreibungen des Alltags sind grauslich und werden von Seite zu Seite schlimmer. Man möchte die Mutter förmlich anschreien, dass sie doch, wenn schon nicht an sich, dann doch bitte wenigstens an ihr Kind denken soll. Der psychische Druck, die körperliche Anstrengung, die Verantwortung die sie ihrer Tochter zwischen dem 9. und 16. Lebensjahr (!) aufbürdet, für einen Mann, den Andrea Sawatzki eigentlich kaum kannte. . . unvorstellbar.
Und so spricht sie zwar von Liebe zu ihrem Vater, verleugnet aber nicht die verständliche Erleichterung über seinen Tod.
Wie viel man nach so vielen Jahren noch originalgetreu aus dem Kopf wiedergeben kann und wie viel davon dem "Roman" erzählerisch hinzugefügt wurde habe ich mich am Ende gefragt.
So oder so hatte ich die 176 Seiten innerhalb von nur 48 Stunden durchgelesen und habe mitgelitten.
48 Stunden, die 7 schwere Jahre umschreiben.
Schön, dass Andrea Sawatzki trotzdem einen guten Weg ins Leben finden konnte und anscheinend doch noch ein großes Geschenk von ihrem Vater, dem Journalisten, erhalten hat - die Kunst zu schreiben.