Jim Jones’ Massenselbstmord: Erst starben die Kinder, dann die Großen - WELT
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Kopf des Tages Jim Jones’ Massensuizid

Erst starben die Kinder, dann tranken die Großen den Giftcocktail

Lange hatte der „Peoples Temple“ des kalifornischen Predigers Jim Jones als Vorbild sozialen Engagements gegolten. Bis im November 1978 ein US-Abgeordneter die Siedlung im Urwald von Guyana besuchte. Auf ein Massaker folgte der Massenselbstmord.
ARCHIV - 923 Anhänger der Volkstempelsekte folgten am 18. November 1978 ihrem Führer Jim Jones in Jonestown im Dschungel von Guyana in den Tod. Vor 30 Jahren gingen grauenvolle Bilder von mindestens 923 toten Frauen, Männern und Kindern in dem Sektendorf Jonestown im südamerikanischen Guyana um die Welt. Mütter hielten ihre Kinder in den Armen, Männer ihre Frauen, alle tot, fast alle qualvoll an mit Zyankali vergifteter Limonade gestorben. anz freiwillig gingen aber wohl lange nicht alle der Opfer in den Tod. Überlebende berichteten später, dass um das Versammlungshaus der landwirtschaftlichen Urwaldkolonie bewaffnete Wachen aufgezogen waren. Etliche tote Sektenmitglieder wurden mit Schusswunden gefunden. (zu dpa-KORR:"1978 starben 923 Sekten-Mitglieder in Guyana - Freitod oder Mord?") +++ dpa-Bildfunk +++ ARCHIV - 923 Anhänger der Volkstempelsekte folgten am 18. November 1978 ihrem Führer Jim Jones in Jonestown im Dschungel von Guyana in den Tod. Vor 30 Jahren gingen grauenvolle Bilder von mindestens 923 toten Frauen, Männern und Kindern in dem Sektendorf Jonestown im südamerikanischen Guyana um die Welt. Mütter hielten ihre Kinder in den Armen, Männer ihre Frauen, alle tot, fast alle qualvoll an mit Zyankali vergifteter Limonade gestorben. anz freiwillig gingen aber wohl lange nicht alle der Opfer in den Tod. Überlebende berichteten später, dass um das Versammlungshaus der landwirtschaftlichen Urwaldkolonie bewaffnete Wachen aufgezogen waren. Etliche tote Sektenmitglieder wurden mit Schusswunden gefunden. (zu dpa-KORR:"1978 starben 923 Sekten-Mitglieder in Guyana - Freitod oder Mord?") +++ dpa-Bildfunk +++
18. November 1978: Sektenführer Jim Jones veranstaltet in Guyana einen Massenselbstmord
Quelle: picture-alliance/ dpa
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Anhänger, die den 18. November 1978 überlebten, schilderten Jim Jones (1931–1978) aus Crete im Bundesstaat Indiana als „sehr humorvolle, einnehmende, hilfsbereite und sensible Person“. Walter Mondale, von 1977 bis 1981 US-Vizepräsident, lobte ihn für die „Lösung der großen sozialen und gesetzlichen Probleme in unserem Land“. Und die Präsidenten-Gattin Rosalynn Carter dankte ihm für „unsere Begegnung während des Wahlkampfes: Ich hoffe, Ihre Vorschläge können in naher Zukunft berücksichtigt werden.“

Noch wenige Monate vor dem 18. November galt Jim Jones als ehrenwerter Menschenfreund, der mit seiner Kirche nicht nur für eine Veränderung der Verhältnisse betete, sondern mit seinen Anhängern dafür auch Hand anlegte. Bis er am 17. November 1978 Besuch bekam. Der demokratische Kongressabgeordnete Leo Ryan erschien mit Anwälten, 14 Familienmitgliedern der Volkstempel-Leute, einem Kamerateam und weiteren Journalisten in Jones’ Peoples Temple im Urwald von Guyana.

Führer der Volkstempelsekte, streichelt einen Hund. Er beging am 18. November 1978 mit 923 Anhängern seiner Sekte in Jonestown im Dschungel von Guyana Selbstmord. Undatierte Aufnahme.
Jim Jones (1931–1978), Gründer des Peoples Temple
Quelle: picture-alliance / dpa

Einen Tag später ermordeten fanatische Anhänger des Sektenführers Ryan und einige Begleiter. Anschließend zwang Jones seine Kirchenmitglieder zum kollektiven Selbstmord. 909 bis 913 Mitgliedern des Tempels, darunter sein Führer und 276 Kinder, kamen ums Leben. Es war ein Massaker, dessen Größenordnung ähnliche Aktionen sektiererischer Randgruppen in den USA bei Weitem überstieg.

Ohne je eine entsprechende Ausbildung genossen zu haben, hatte Jones als 19-Jähriger eine Pfarrstelle in einer methodistischen Gemeinde übernommen. 1955 gründete er in Indianapolis seinen Peoples Temple, der sich durch soziales Engagement auszeichnete. Da Jones sich in der Bürgerrechtsbewegung für die Gleichberechtigung der Afroamerikaner einsetzte, gewann er zahlreiche Anhänger aus den schwarzen Gettos.

Geld und Sex für den Guru

Nachdem er 1964 zum Pfarrer der Methodistenkirche geweiht worden war, zog Jones mit auserwählten Kirchenmitgliedern in die Wüste Kaliforniens, um, wie er behauptete, dort den nahen Atomkrieg überstehen zu können. Dort machten erste Gerüchte die Runde, dass der Peoples Temple nicht unbedingt das Paradies auf Erden war, das zu sein er behauptete.

Tatsächlich forderte Jones von seinen Gefolgsleuten nicht nur Loyalität, sondern absoluten Gehorsam ein. Dazu gehörte, dass Vermögenswerte an „Father Jones“ abgeliefert werden mussten. Auf 15 Millionen Dollar wurde das Vermögen der Volkskirche geschätzt, in Immobilien und auf Konten. Von Drogenexzessen war die Rede. Als Beweis ihrer unbedingten Treue forderte der Guru die Bereitschaft von Frauen und Männern ein, ihm sexuell stets zu Diensten zu sein. Wer sich widersetzte, dem drohte die Prügelstrafe.

Bevor die Behörden sich dazu durchringen konnten, die US-Prinzipien der Glaubensfreiheit hintanzustellen und sich die Tempel-Sekte näher anzusehen, entwich Jones nach Guyana. Dort pachtete er ein mehr als tausend Hektar großes Areal und nannte es Jonestown. Wie in der Urgemeinde sollten seine Leute dort ihren Lebensunterhalt mit bloßer Hand aus der Natur gewinnen und ansonsten ihrem „Vater“ auf dem Weg zur Erlösung folgen.

Leo Ryan, US-Kongressabgeordneter
Leo Ryan (1925–1978), demokratischer Abgeordneter des US-Repräsentantenhauses
Quelle: Wikipedia/US-House of Representatives

Doch Jonestown erwies sich keineswegs als das gelobte Land. Seine Einwohner waren von der Außenwelt abgeschnitten. Hunger, Folter, Vergewaltigungen waren an der Tagesordnung. Als einer höherrangigen Temple-Angehörigen die Flucht in die USA gelang, wurde der Abgeordnete Ryan aus Kalifornien hellhörig. Er nahm die Klagen von Angehörigen der in Jonestown Verschwundenen ernst und beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen.

Das Team erwartete ein freundlicher Empfang. Ein Reporter erinnerte sich: „Man bot uns Kaffee an, und später bekamen wir ein Abendessen vorgesetzt. Als der Abend etwas fortgeschritten war, spielte eine ausgezeichnete Rockband für uns. Die Musik war gut, mitreißend, dann sangen junge Männer und Frauen aus Jonestown für uns, außerdem trat eine Komikerin auf.“

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Einzig ein Zettel, der Ryan zugespielt wurde, störte die gute Stimmung. „Bitte, helfen sie uns, aus Jonestown herauszukommen.“ Am nächsten Tag wurde Jones von Ryan mit dem Hilferuf und weiteren Vorwürfen konfrontiert, zugleich wurde seinen Begleitern der Zugang zu Teilen von Jonestown verwehrt. Schließlich fassten sich 16 Gemeindemitglieder ein Herz und bekannten, ausreisen zu wollen. Mit großer Geste ließ Jones sie ziehen.

Blick auf Jonestown mit den im ganzen Ort liegenden Leichen. 923 Anhänger der Volkstempelsekte folgten am 18. November 1978 ihrem Führer Jim Jones in Jonestown im Dschungel von Guyana in den Tod.
Blick auf Jonestown mit den im ganzen Ort liegenden Leichen
Quelle: picture-alliance / dpa

Dann überschlugen sich die Ereignisse. Zunächst wurde Ryan von einem Jones-Anhänger mit dem Messer attackiert. Der Verletzte konnte sich zum Flugzeug durchschlagen. Doch dann erschienen einige von Jones’ Gardisten und eröffneten das Feuer. Ryan, drei Medienvertreter und eine Jonestown-Aussteigerin wurden getötet.

Dann befahl Jones seiner Kirche, sich zu versammeln. „Wenn man uns nicht in Frieden leben lässt, so wollen wir jedenfalls in Frieden sterben. Der Tod ist nur der Übergang auf eine andere Ebene“, erklärte er seinen konsternierten Anhängern. Dann wurde das Gift – eine Mischung aus Valium und Zyankali – verteilt, das in Limonade aufgelöst war.

Zuerst starben die Kinder, dann die Erwachsenen. Sie wussten, was zu tun war. Schon zuvor hatte es wiederholt Suizid-Übungen gegeben. Wer sich weigerte, bekam es mit Jones’ fanatischer Privat-Garde und ihren Gewehren zu tun. Nur wenige überlebten, weil sie sich in den Dschungel flüchten konnten oder auf Außenstellen Dienst taten.

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