Ex-Schottin zu Europawahl: Was die EU vom Brexit gelernt haben sollte
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Ex-Schottin zu Europawahl: Was die EU vom Brexit gelernt haben sollte

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Im Vorlauf der Europawahl am 9. Juni schaut die Bruchköbelerin Margie Gilbhard auf ihre alte Heimat Großbritannien und warnt davor, dieselben Fehler wie die Briten zu begehen.

Bruchköbel – Margie Gilbhard hat schon viel erlebt. Und starke Meinungen zu vielen Dingen. Das verrät die Bruchköbelerin direkt bei der Begrüßung. Auf der Veranda in ihrem grünen Garten sitzend, beginnt sie sofort zu erzählen. Ihre wachen Augen folgen den stark gestikulierenden Händen, während sie große Bögen zwischen Welt- und Lokalpolitik spannt und mit ihrer eigenen Geschichte verknüpft – der Geschichte, die sie vor mehr als einem halben Jahrhundert von Schottland nach Deutschland geführt hat.

Bruchköblerin aus Schottland schaut vor Europawahl auf ihre alte Heimat Großbritannien

Das Verhältnis zwischen Großbritannien und Europa spielt dabei eine zentrale Rolle. Dabei legt Gilbhard großen Wert darauf, dass sie mittlerweile Deutsche ist, seit 27 Jahren mit einem Pass der Bundesrepublik in der Tasche. Ungleich länger ist es her, dass sie die Insel, genauer gesagt ihr Geburtsland Schottland, verlassen hat. „Seit 55 Jahren bin ich in Deutschland“, sagt die heute 73-Jährige, nicht ohne Stolz.

Margie Gilbhard in ihrem Garten in Bruchköbel und in jungen Jahren in Schottland. Die 73-Jährige ist vor 55 Jahren aus ihrer alten Heimat nach Deutschland abgewandert. Der Brexit hat ihr einen herben Schock versetzt.
Margie Gilbhard in ihrem Garten in Bruchköbel. Die 73-Jährige ist vor 55 Jahren aus ihrer alten Heimat nach Deutschland abgewandert. Der Brexit hat ihr einen herben Schock versetzt. © bräuner / privat

Die britische Staatsbürgerschaft hat sie längst abgelegt, behalten nur den Akzent von der Insel und viele Erinnerungen an das komplizierte Verhältnis zwischen der alten Heimat und der neuen, der Europäischen Union (EU). Interessiert begleitet hat sie die mehr als 40 Jahre andauernde Verbindung von Anfang an. Seit 1973, als Großbritannien dem europäischen Staatenbund beitrat. „Das hat mir viel erleichtert in meinem Leben“, sagt Gilbhard. Zuvor habe sie sich ständig beim deutschen Ausländeramt melden müssen. Mit dem EU-Beitritt sei sie dann von der Ausländerin zur Europäerin geworden.

Schnell merkt man bei Gilbhard, dass sie selbst große Stücke auf die EU hält. „Was gibt es Schöneres als Europa?“, fragt sie rhetorisch. Gerade der Zusammenhalt zwischen den Ländern ist aus ihrer Sicht wichtig. Wenigstens in der Nato sei Großbritannien noch mit dabei. Denn auch darum gehe es ja bei Zusammenschlüssen zwischen Staaten: „Wenn man gemeinsam steht, fühlt man sich sicherer“, sagt die 73-Jährige.

Die Stabilität sieht sie allerdings aktuell auch in der EU gefährdet, besonders vor der anstehenden Wahl im Juni. Sorge bereitet ihr der Rechtsruck in vielen Mitgliedsstaaten, der sich auch an der Urne widerzuspiegeln droht.

Nach Brexit zunächst in Schockstarre, sagt Bruchköblerin vor Europawahl

Dabei könne man doch gerade an der Brexit-Kampagne sehen, was Hass und Hetze alles anrichten können, sagt Gilbhard. „Am Tag, als die Entscheidung bekannt wurde, war ich erst einmal in Schockstarre“, erinnert sie sich. „Ich war so enttäuscht, dass die Populisten um diesen Möchtegern-Trump Boris Johnson tatsächlich gewonnen haben, nachdem sie nur gelogen und betrogen haben.“ Das Schlimmste aber sei der teils unverhohlene Rassismus gewesen, der mit der Kampagne im Land hochgekommen sei. Hilflos habe sie aus Deutschland den Nachrichten folgen müssen. „Teilweise wurden Menschen auf offener Straße beschimpft“, sagt Gilbhard. „Da habe ich mich bei den anderen wirklich gefragt: Haben die denn gar nichts gelernt?“

Um solchen Entwicklungen in Europa etwas entgegenzusetzen, brauche es aber auch in Deutschland stärkere Stimmen, die sich für Offenheit, Toleranz, Freiheit für alle Menschen und nicht zuletzt den Klimaschutz einsetzten. Aber da gebe es Nachholbedarf. „Europa ist manchmal einfach zu läppisch. Da müsste mal jemand auf den Tisch hauen“, findet sie. „Vor allem bei solchen Leuten wie Viktor Orban.“

Bruchköblerin wünscht Großbritannien Wiedereintritt in die Europäische Union

Den Menschen auf der Insel würde sie einen Wiedereintritt Großbritanniens in die EU wünschen, sagt Gilbhard. „Vor allem den Schafzüchtern, Fischern und Landwirten“, sagt sie, „Die könnten die Subventionen so gut gebrauchen.“

Große Hoffnungen habe sie im Moment allerdings nicht mehr, dass politische Chaos auf der Insel sei mittlerweile einfach viel zu groß geworden. Was ihr hingegen Mut macht, seien die jungen Leute im Land, die sich für den Naturschutz und gegen den Klimawandel engagierten. „Aber ohne sich an die Straße zu kleben“, sagt sie mit einem Augenzwinkern und lacht. Dann wird Margie Gilbhard aber schnell wieder ernst, wenn sie sagt: „Auch die Klimaschützer haben von der Politik insgesamt deutlich mehr Unterstützung verdient.“ (pkb)

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