Aufrechnungserklärung: Aufrechnung Minderjähriger

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Die 17-jährige Schülerin S schuldet dem Geizhals G aus einem wirksamen Kaufvertrag über einen Werkzeugkasten €50. Gleichzeitig schuldet G der S €50, weil er leicht fahrlässig ihr Mofa beschädigt hat. S will die Sache erledigen und erklärt ohne Zustimmung ihrer Eltern die Aufrechnung.

Einordnung des Falls

Aufrechnungserklärung: Aufrechnung Minderjähriger

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. G hatte nach Abschluss des Kaufvertrages einen Anspruch darauf, dass S ihm den vereinbarten Kaufpreis zahlt (§ 433 Abs. 2 BGB).

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Genau, so ist das!

Bei Abschluss eines Kaufvertrages ist der Käufer verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen (§ 433 Abs. 2 BGB). S und G haben einen wirksamen Kaufvertrag abgeschlossen. S war somit verpflichtet, den Kaufpreis an G zu zahlen.

2. Gs Anspruch könnte durch Aufrechnung der S in Höhe von €50 erloschen sein (§ 389 BGB).

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Ja, in der Tat!

Die Aufrechnung setzt eine Aufrechnungslage (§§ 387, 390 BGB) und eine Aufrechnungserklärung (§ 388 BGB) voraus. Zudem darf die Aufrechnung nicht ausgeschlossen sein (§§ 392-394 BGB).

3. Eine Aufrechnungslage liegt vor.

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Ja!

Eine Aufrechnungslage liegt vor, wenn der Aufrechnende eine gegenseitige, gleichartige, fällige und durchsetzbare Gegenforderung besitzt und die Hauptforderung wirksam und erfüllbar ist. S und G stehen gegenseitig Geldforderungen zu. S' Forderung ist sofort fällig (§ 271 Abs. 1 BGB) und einredefrei. Gs Kaufpreisforderung ist wirksam und erfüllbar.

4. S hat wirksam die Aufrechnung erklärt.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Es handelt sich bei der Aufrechnungserklärung (§ 388 BGB) um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, auf welche die allgemeinen Regeln zu Rechtsgeschäften (§§ 104 ff. BGB) anwendbar sind. Da der Aufrechnende infolge der Erklärung auch seine eigene (Aktiv-)Forderung verliert, kann ein beschränkt Geschäftsfähiger nicht ohne vorherige Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters aufrechnen.Da S mit 17 Jahren noch nicht voll geschäftsfähig ist, kann sie nur mit vorheriger Einwilligung die Aufrechnung erklären. Eine nachträgliche Genehmigung ist bei einseitigen Rechtsgeschäften ausgeschlossen (§ 111 BGB).

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DGR

DGR

22.6.2022, 19:02:43

Wie sieht es denn mit einer analogen Anwendung des § 110 BGB aus?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

23.6.2022, 14:42:40

Hallo Senpai, sehr guter Hinweis. In der Tat ist auch im Hinblick auf § 111 BGB die Einwilligung nicht nur ausdrücklich möglich. Insoweit kommt auch die Annahme einer (konkludenten) Einwilligung im Rahmen der §§ 107, 110 BGB als Folgeerklärung des Grundgeschäfts (hier der Kaufvertrag) in Betracht (MüKoBGB/Spickhoff, 9. Aufl. 2021, BGB § 111 RdNr. 4, § 107 RdNr. 26). Im vorliegenden Sachverhalt fehlen uns hier allerdings Anhaltspunkte dafür. Insbesondere ist nicht spezifiziert, worauf die Wirksamkeit des geschlossenen Vertrages gründet. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

BI

Bilbo

19.7.2023, 18:30:06

Könnte man hier alternativ auch damit argumentieren, dass eine Aufrechnung für die S nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist? Einerseits würde eine gegen S bestehende Forderung erlöschen (rechtlicher Vorteil), andererseits würde S jedoch auch den Anspruch gegen G verlieren (rechtlicher Nachteil). Oder käme man gar nicht dazu, weil man die Erklärung der Aufrechnung zuerst prüfen muss? Wahrscheinlich ist auch gar keine Konstellation mit Minderjährigen denkbar, in der nicht schon die Erklärung das Problem ist, aber das beschäftigt mich grade. Falls mir jemand auf die Sprünge helfen kann, nur zu! :)

HAN

hannabuma

8.1.2024, 23:15:17

Deine Erwägungen finden sich auch in den Lösungshinweisen wieder, nur anders formuliert. Das Erfordernis einer Einwilligung ist davon abhängig, ob die Willenserklärung für den Minderjährigen rechtlich nachteilhaft ist oder nicht (§ 107 BGB). Hier verliert der Minderjährige seine eigene Forderung durch die Aufrechnung, sodass die Erklärung für ihn rechtlich nachteilhaft ist und eine Einwilligung erforderlich ist. Weil diese nicht erteilt wurde, ist die Erklärung unwirksam. Du prüfst also die rechtliche Nachteilhaftigkeit im Rahmen des Einwilligungserfordernisses, welches wiederum über die Wirksamkeit der Aufrechnungserklärung des Minderjährigen entscheidet.

Niklas Berendes

Niklas Berendes

2.10.2023, 15:08:10

Finde es sehr gut, dass immer wieder integriert auch Probleme aus dem BGB AT kommen, damit ein vernetztes Lernen, möglich ist. Gerne weiter so!

LELEE

Leo Lee

7.10.2023, 18:08:39

Hallo Niklas Berendes, vielen Dank für die netten Worte! Ich werde sie an die Redaktion weiterleiten :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo