Aufrechnungserklärung: Aufrechnung Minderjähriger
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die 17-jährige Schülerin S schuldet dem Geizhals G aus einem wirksamen Kaufvertrag über einen Werkzeugkasten €50. Gleichzeitig schuldet G der S €50, weil er leicht fahrlässig ihr Mofa beschädigt hat. S will die Sache erledigen und erklärt ohne Zustimmung ihrer Eltern die Aufrechnung.
Einordnung des Falls
Aufrechnungserklärung: Aufrechnung Minderjähriger
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. G hatte nach Abschluss des Kaufvertrages einen Anspruch darauf, dass S ihm den vereinbarten Kaufpreis zahlt (§ 433 Abs. 2 BGB).
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Genau, so ist das!
2. Gs Anspruch könnte durch Aufrechnung der S in Höhe von €50 erloschen sein (§ 389 BGB).
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Ja, in der Tat!
3. Eine Aufrechnungslage liegt vor.
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Ja!
4. S hat wirksam die Aufrechnung erklärt.
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Nein, das ist nicht der Fall!
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DGR
22.6.2022, 19:02:43
Wie sieht es denn mit einer analogen Anwendung des § 110 BGB aus?
Lukas_Mengestu
23.6.2022, 14:42:40
Hallo Senpai, sehr guter Hinweis. In der Tat ist auch im Hinblick auf § 111 BGB die Einwilligung nicht nur ausdrücklich möglich. Insoweit kommt auch die Annahme einer (konkludenten) Einwilligung im Rahmen der §§ 107, 110 BGB als Folgeerklärung des Grundgeschäfts (hier der Kaufvertrag) in Betracht (MüKoBGB/Spickhoff, 9. Aufl. 2021, BGB § 111 RdNr. 4, § 107 RdNr. 26). Im vorliegenden Sachverhalt fehlen uns hier allerdings Anhaltspunkte dafür. Insbesondere ist nicht spezifiziert, worauf die Wirksamkeit des geschlossenen Vertrages gründet. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Bilbo
19.7.2023, 18:30:06
Könnte man hier alternativ auch damit argumentieren, dass eine Aufrechnung für die S nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist? Einerseits würde eine gegen S bestehende Forderung erlöschen (rechtlicher Vorteil), andererseits würde S jedoch auch den Anspruch gegen G verlieren (rechtlicher Nachteil). Oder käme man gar nicht dazu, weil man die Erklärung der Aufrechnung zuerst prüfen muss? Wahrscheinlich ist auch gar keine Konstellation mit Minderjährigen denkbar, in der nicht schon die Erklärung das Problem ist, aber das beschäftigt mich grade. Falls mir jemand auf die Sprünge helfen kann, nur zu! :)
hannabuma
8.1.2024, 23:15:17
Deine Erwägungen finden sich auch in den Lösungshinweisen wieder, nur anders formuliert. Das Erfordernis einer Einwilligung ist davon abhängig, ob die Willenserklärung für den Minderjährigen rechtlich nachteilhaft ist oder nicht (§ 107 BGB). Hier verliert der Minderjährige seine eigene Forderung durch die Aufrechnung, sodass die Erklärung für ihn rechtlich nachteilhaft ist und eine Einwilligung erforderlich ist. Weil diese nicht erteilt wurde, ist die Erklärung unwirksam. Du prüfst also die rechtliche Nachteilhaftigkeit im Rahmen des Einwilligungserfordernisses, welches wiederum über die Wirksamkeit der Aufrechnungserklärung des Minderjährigen entscheidet.
Niklas Berendes
2.10.2023, 15:08:10
Finde es sehr gut, dass immer wieder integriert auch Probleme aus dem BGB AT kommen, damit ein vernetztes Lernen, möglich ist. Gerne weiter so!
Leo Lee
7.10.2023, 18:08:39
Hallo Niklas Berendes, vielen Dank für die netten Worte! Ich werde sie an die Redaktion weiterleiten :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo