Die Seitenkapelle der Kirche Nossa Senhora do Monte auf dem Hügel von Madeiras Hauptstadt Funchal zählt zu den Touristenattraktionen der portugiesischen Insel im Atlantischen Ozean. Blumengebinde geschmückt mit Schleifen in den habsburgischen Farben Schwarz-Gelb und der ungarischen rot-weiß-grünen Trikolore vor dem Gitter der Kapelle und drinnen, wo unter dem großen Kreuz der Sarkophag steht. Hier ruht Karl, der letzte Kaiser von Österreich und König von Ungarn. Im November 1921 auf diese Blumeninsel verbannt, starb der erst 34-Jährige hier am 1. April 1922 an den Folgen der Spanischen Grippe. Schon ein Jahr später wurde auf Initiative seiner Anhänger ein Seligsprechungsprozess eingeleitet, weil Karl ein Friedensherrscher gewesen sei, wie seine Witwe Zita immer wieder hervorhob. Am 3. Oktober 2004 sprach Papst Johannes Paul II. auf dem Petersplatz in Rom den ehemaligen Kaiser und König selig, einen Mann, der vielleicht des Beste für sein vom Ersten Weltkrieg schwer gezeichnetes und zerbröckelndes Reich wollte, aber zu schwach und zu wankelmütig war, das Richtige zu tun. Und mit der Wahrheit, nahm er es nicht so genau.

Plötzlich Thronfolger

Karl kam 1887 zur Welt, sein Vater, Erzherzog Otto, war der Sohn eines Bruders von Kaiser Franz Joseph und pflegte ein freizügiges Leben fern der Familie, er starb an Syphilis. Nach dem Selbstmord von Kronprinz Rudolf in Mayerling, rückte Karl dem Thron näher. Denn sein Onkel Franz Ferdinand avancierte zum Thronfolger, aber für die Genehmigung zur Ehe mit der nicht standesgemäßen Sophie Chotek musste er für seinen Nachkommen auf den Thron verzichten. Der nächste Anwärter war Neffe Karl, der nach der Ermordung Franz Ferdinands in Sarajevo zum Nachfolger von Kaiser Franz Joseph aufrückte. Im November 1916, mitten im Ersten Weltkrieg, starb der „gute, alte Herr von Schönbrunn“ und Karl, der bisher an den Fronten offiziell Kommandos innegehabt hatte, obwohl ihn dort die Generalität nicht haben wollte, übernahm die Herrschaft im Habsburgerreich. An seiner Seite Gemahlin Zita, eine Prinzessin Bourbon-Parma. Ihr Wille sei ausgeprägter, als der des Kaisers, hieß es.

Kaiser Karl entschärfte umgehend das Militärstrafrecht, soll aber den Einsatz von Giftgas an der italienischen Front gebilligt haben. Über Zitas Brüder, Offiziere in der belgischen Armee, knüpfte er Kontakte zu Frankreich, um Bedingungen für einen Frieden auszuloten. Hinter dem Rücken des deutschen Kaisers Wilhelm II., dem Verbündeten, vergab Karl fremde Gebiete, sagte Frankreich zu, er werde sich dafür einsetzen, dass das Deutsche Reich Elsass-Lothringen zurückgebe, den Russen sprach er Konstantinopel zu. Einer von Zitas Brüdern hieß Sixtus, unter dessen Namen firmierte die Affäre, als die Geheimverhandlungen bekannt wurden. Karl dementierte, es sei alles nur feindliche Propaganda. Allerdings existierte ein Schreiben von ihm, das alles bestätigte, was er bestritt. Der Kaiser stand als Lügner da.

Der Ex-Kaiser, ein Heiliger?

Ein Wankelmütiger war er, dieser junge Kaiser. Eine Reform des Reiches zog er zurück, als er Widerstand vernahm. Als der Monarch schlussendlich am 16. Oktober 1918 per Manifest verkündete, das Reich zu einem Bundesstaat umzubauen, war es zu spät, da hatten die Völker angesichts des katastrophalen Krieges, der dem Ende zuging, begonnen, sich selbstständig zu machen. Auch Österreich. Nach langem Zaudern unterschrieb der Kaiser, trotz Zeterns der Zita, am 11. November 1918, auf jeden Anteil an den Regierungsgeschäften zu verzichten. Staatskanzler Karl Renner forderte Karl bei einem Besuch in Schönbrunn auf, das Schloss zu räumen: „Herr Habsburg, das Taxi wartet.“ Wochen später empfing der Ex-Kaiser in Eckartsau den Staatskanzler nicht, weil der sich nicht dem Hofzeremoniell entsprechend angemeldet hatte.

Karl verließ mit Familie am 24. März 1919 Österreich, an der Grenze zur Schweiz widerrief er die Verzichtserklärung. Einen Teil der Kronjuwelen hatte er längst in die Schweiz bringen lassen. Offiziell gab er an, diese Juwelen seien gestohlen worden, tatsächlich veräußerte er sie heimlich zur Finanzierung seiner zwei Versuche, in Ungarn wieder seine Herrschaft zu errichten. Er scheiterte und musste in die Verbannung auf Madeira.

Aktuell laufen Bemühungen, den Ex-Kaiser in den Status eines Heiligen zu erheben. Seine Wundertätigkeit ist von der Seligsprechung aktenkundig: Eine polnische Ordensfrau soll 1960 nach Anrufung des verblichenen Ex-Kaisers von Geschwüren an den Beinen geheilt worden sein.