Christian Clavier im Interview: "Lachen ist ein Fest für mich" | Abendzeitung München
Interview

Schauspieler Christian Clavier im großen AZ-Interview: "Lachen ist ein Fest für mich"

Was genau München mit dem Erfolg der Asterix-Verfilmungen zu tun hat, warum französische Komödien nicht nur lustig sind und was ihren großen Erfolg in Deutschland ausmacht – darüber und natürlich über seine neue Komödie "Oh la la - wer ahnt denn sowas?" sprach die AZ mit dem französischen Schauspieler Christian Clavier.
| Margret Köhler
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AZ-Interview mit Christian Clavier: Der 71-jährige Pariser wurde durch seine Rolle als "Asterix" ab 2002 zum französischen Star und als "Monsieur Claude" auch 2014 europaweit.
AZ-Interview mit Christian Clavier: Der 71-jährige Pariser wurde durch seine Rolle als "Asterix" ab 2002 zum französischen Star und als "Monsieur Claude" auch 2014 europaweit. © Weltkino

Die Komödie "Oh la la - Wer ahnt denn sowas?" erreichte schon in den ersten zwei Wochen in Frankreich mehr als zwei Millionen Zuschauer. Als Schloss- und Weingutbesitzer Frédéric Bouvier-Sauvage empfängt er die künftigen "einfachen" Brauteltern seiner Tochter. Zwischen "Blaublütler" und "Prolet" kracht es. Regisseur Jean Hervé macht sich über nationale Vorurteile lustig und haut Chauvinisten in die Pfanne, zeichnet die Arroganz und den Stolz der Franzosen, sowie ihre Identitätskrise, wenn ihre Vorstellungen mit der Wirklichkeit kollidieren.

AZ: Monsieur Clavier, was gefiel Ihnen am Drehbuch von Jean Hervé und der Figur des Frédéric Bouvier-Sauvage ?

CHRISTIAN CLAVIER: Wenn ich ein Drehbuch lese, versetze ich mich in die Position des Zuschauers. Ich fand das Buch und die Dialoge toll geschrieben. Und dann dieser Franzose, ein Klischee auf zwei Beinen, sehr arrogant und von sich überzeugt, er herrscht über ein Weingut des "Gran Cru" und schaut auf diese "unstandesgemäße" Familie herab. Was ist schon so ein Peugeot-Händler gegen ihn, einen Porsche- und Mercedesfahrer?

Französische Komödien sind nicht nur lustig, sondern handeln auch soziale Probleme ab. Der Blick darauf scheint mir ironisch.

Ironisch würde ich nicht sagen. Es gibt viel soziale Ungerechtigkeit in Frankreich. Man muss diese Probleme aus der Distanz sehen, die vielleicht Ironie erlaubt, und sie so leichter darstellen lässt. Es ist ein kritischer, aber empathischer Blick, den ich auf die Franzosen werfe.

Christian Clavier: "Je französischer, um so besser"

Humor ist oft etwas sehr spezielles und auch sehr nationales. Wie kommt es, dass Komödien wie "Monsieur Claude" oder jetzt vielleicht "Oh la la - wer ahnt denn sowas?" auch so gut im Ausland funktionieren, obwohl sie sehr französisch sind.

Gerade deshalb! Je französischer, um so besser. Der Kniff: die Themen sind universell.

Im Film wird mit vielen Vorurteilen jongliert, die Deutschen kriegen ganz schön was auf die Mütze. Einmal heißt es sogar "Niemand will in Deutschland wohnen, nicht mal die Deutschen."

Das dürfen Sie aber nicht auf die Goldwaage legen. Da will Frédéric Bouvier-Sauvage dem Vater seines zukünftigen Schwiegersohns eins auswischen, deshalb die karikaturhafte Zeichnung. Das hat nichts mit den Deutschen zu tun und schon mal gar nicht mit den Deutschen von Heute. Chauvinismus bietet immer einen Grund zum Lachen, jede Nation hat ihre Marotten. Und im Fußballstadion sind wir doch alle Chauvinisten.

Ihre Charaktere sind nicht immer besonders nett oder pflegeleicht. Auch nicht Bouvier-Sauvage, der auf politische Korrektheit pfeift. Gefällt ihnen das?

Nicht jeder ist perfekt, hat gute und schlechte Seiten, das macht uns Menschen aus, sonst wären wir Fantasiefiguren. Superhelden finde ich grotesk. Ich würde statt politische aber lieber kulturelle Korrektheit sagen, das trifft es besser.

Klassenkampf der Schwiegereltern um die Frage, wer wahrer Franzose ist (von. re.): Madame Bouvier-Sauvage (Marianne Denicourt) hält ihren Mann (Christian Clavier) zurück, auf den Autohändler (Didier Bourdon) einzuprügeln, dessen Frau (Sylvie Testud) dazwischen geht.
Klassenkampf der Schwiegereltern um die Frage, wer wahrer Franzose ist (von. re.): Madame Bouvier-Sauvage (Marianne Denicourt) hält ihren Mann (Christian Clavier) zurück, auf den Autohändler (Didier Bourdon) einzuprügeln, dessen Frau (Sylvie Testud) dazwischen geht. © Weltkino

Trotz "zurückhaltender" Filmkritiken, das Publikum stürmt in Ihre Filme. Sie sind der einzige französische Schauspieler, der vier Mal über zehn Millionen Zuschauer in Frankreich erreichte.

Ich schaue mir nicht ständig Zahlen an. Aber die Beziehung zum Publikum ist schon etwas Besonderes. Ich habe beruflich viel Glück gehabt, nicht nur im eigenen Land. Es macht mir einfach Spaß, Menschen zum Lachen zu bringen. Es gibt eben Kritiker, die vielleicht aus ideologischen Gründen Komödien nicht besonders mögen. Das nehme ich nicht so ernst. Man sollte Kino nicht überbewerten. Hitchcock sagte mal, "ich lese Kritiken nur, wenn ich zur Bank gehe".

Wer die "Sciences Po", eine der so genannten "Grandes Ecoles" abschließt, zählt zu Frankreichs Elite. Warum haben Sie Ihr Studium dort für das Café Théâtre aufgegeben?

Dem Himmel sei Dank, sonst wäre ich vielleicht jetzt Minister und wir könnten uns nicht unterhalten. Michel Leblanc, Thierry Lhermitte und ein paar andere waren eine Freundes-Clique und wollten von Anfang an Theater machen und wir fanden uns dann an der Uni wieder. Wir hatten kein Geld und konnten billig in die Mensa. Aber nach sieben Monaten habe ich den Abflug gemacht. Wir sind heute noch wie eine Familie. Die Anfänge vergisst man nicht.

Sie stehen nicht nur vor der Kamera, sondern sind auch Drehbuchautor.

Ich bewundere gute Autoren. Kein guter Film ohne ein gutes Drehbuch. Das ist eine schriftstellerische Arbeit. Im 19. Jahrhundert gab es diese großartigen Romane, das 20. und 21. ist das Jahrhundert der Bilder des Kinos. Ich liebe das Drehbuchschreiben, oft eine Teamarbeit, eine intellektuelle Arbeit, die ich wahnsinnig aufregend und herausfordernd empfinde. Man muss sich über ein Sujet - egal ob historisch oder aktuell - informieren, recherchieren, man lernt viel. Das Schreiben eröffnet neue Horizonte, macht offen auch für die Welt jenseits der Grenzen.

"Lieber lesen, als Filme anderer schauen!"

Lesen Sie viel?

Schon immer. Einige Bücher im Monat. Das können politische Essays sein, Biografien, reine Romane oder auch Krimis. Durch Lesen entwickelt man sich weiter, das fördert die Imagination. Lieber lesen, als Filme anderer schauen!

Schauen Sie sich noch Ihre eigenen Filme?

Nie. Ich bin kein Narziss. Es gefällt mir einfach nicht, mich auf der Leinwand zu sehen.

Trauen sich die Regisseure überhaupt noch, Ihnen Anweisungen zu geben?

Sie versuchen es jedenfalls. Wenn Ihre Anweisungen Sinn ergeben, bin ich dabei, sonst nicht. Manchmal gerate ich auch ins Improvisieren, dann lebt die Person in mir und sagt, was zu tun ist. Wenn niemand Stopp sagt, mache ich weiter, manchmal nehmen die Regisseure genau dieses Material.

Nach dem DNA-Test: ein Achtel Sioux! Monsieur Bouvier-Sauvage (Christian Clavier) verbrennt seine Urgroßmutter aus der Ahnengalerie.
Nach dem DNA-Test: ein Achtel Sioux! Monsieur Bouvier-Sauvage (Christian Clavier) verbrennt seine Urgroßmutter aus der Ahnengalerie.

Wie bereiten Sie sich vor auf die verschiedenen Rollen?

Bei einer Komödie muss man die Fehler des Einzelnen herausstellen, bei ernsteren Figuren selbige im Hintergrund lassen. Ich übe wochenlang mit einem Coach. Wenn ich dann am Set auftauche, kenne ich die Texte aus dem Effeff, ich muss nicht mehr spielen, ich bin die Person. Man darf nicht spielen, sondern sein. Das ist nicht einfach, aber eine Frage der Technik.

Plagen Sie trotzdem manchmal Zweifel?

Man muss sich immer Fragen stellen und bewegt sich auf einem schmalen Grat. Lachen resultiert letztendlich aus einem Instinkt. Mal klappt's mal nicht. Der Zweifel gehört zu meinem Beruf.

"Das Publikum bestimmt den Erfolg"

Was bedeuten Ihnen Ruhm, Anerkennung, Erfolg?

Das Publikum bestimmt den Erfolg. Und der ermöglicht mir den nächsten Film, die nächste Komödie und ein gutes Leben. Aber nichts ist im Leben sicher. Das ist auch das Gute und hält uns lebendig bis zum Ende.

Was passiert mit der von Ihnen verkörperten Figur nach Ende des Films?

Nach dem Dreh ist die sofort weg. Ich ziehe das Kostüm aus und habe sie schon vergessen.

Auch wenn sie in einer dramatischen TV-Serie spielen wie "Napoleon" oder "Les Misérables"?

Ich ziehe eine Komödie vor. Lachen ist ein Fest für mich. Eine ernsthaftere Figur darzustellen, ist anstrengender und komplizierter, macht depressiv. Da muss man ganz schnell in sein normales Leben zurückkehren.

Wie entspannen Sie sich denn?

Ich lese viel und schippere mit dem Boot umher, liebe das Meer. Und ich reise gerne. Ich gehöre zur 68er-Generation, wir waren neugierig auf andere Kulturen und Sprachen. Wenn Sie so wollen, ich bin ein totaler Europäer.

Kennen Sie Deutschland ein wenig?

Sehr gut sogar. Ich habe "Asterix & Obelix gegen Caesar" in der Bavaria gedreht. Ich habe mit wunderbaren deutschen Schauspielern wie Gottfried John oder Marianne Sägebrecht gearbeitet und viele Filme in München und in Berlin vorgestellt. Mein Schwiegersohn wohnt in Berlin. Am Flughafen von München haben der große Produzent Claude Berri und ich sogar die Idee für den in Ägypten spielenden "Asterix & Obelix: Mission Kleopatra" ausgeheckt.

Wird es einen "Monsieur Claude 4" geben?

Ich glaube nicht. Es gibt einige Projekte, darunter "Au bon beurre" mit vielen Klischees und Fehlern der Franzosen während der deutschen Besatzung.

Kino: Arri, Cincinnati, Gloria, Solln, Mathäser, Rex
R: Julien Herve (F, 92 Min.)

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