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DIE WELT

Zarter Held und harter Trinker

Er ist die Ikone des American Way of Life und steht für ein liberales Amerika, nach dem sich die Europäer bis heute sehnen. Vor 50 Jahren starb Humphrey Bogart.

Als die Wochenzeitung "Die Zeit" ihre Leser zum Ende des vergangenen Jahres fragte, welcher Beitrag ihnen zuletzt besonders gefallen habe, wurde im Speziellen ein Text des Herausgebers Michael Naumann gelobt: Der war unter der Titelzeile "Gebt uns das gute Amerika zurück" erschienen. Naumann gehört jener Generation an, die mit dem festen Glauben an das gute Amerika aufgewachsen ist - er ist Jahrgang 1941 und damit alt genug, sich seine erste Meinung über die USA noch vor dem Vietnamkrieg gebildet zu haben. Damals, in den 50er-Jahren, gab es ein weltweites Verlangen nach jenem "guten Amerika" und damit einhergehend ein weltweites Verlangen nach amerikanischen Idolen. Es war die Zeit, in der die bis heute gültigen Ikonen des American Way of Life geprägt wurden: Marilyn Monroe, Elvis Presley und Humphrey Bogart. Ihre Gesichter sind für die USA typischer als jene überlebensgroßen Präsidentenköpfe am Mount Rushmore; sie stehen für das amerikanisch geprägte 20. Jahrhundert so sehr, wie Leonardo da Vinci für die Renaissance steht. Und dies nur, weil sie zum richtigen Zeitpunkt berühmt wurden: in den Jahren, als die Welt sich nach allem, was amerikanisch war, so sehr sehnte.

Bogart, geboren 1899, war von den dreien der Älteste. Er wurde ganze 27 Jahre vor Monroe und sogar 36 Jahre vor Presley geboren. Seine Altersgenossen waren Stars wie Cary Grant, Clark Gable und Errol Flynn. Heute vor 50 Jahren, am 14. Januar 1957, ist Humphrey Bogart gestorben.

Gable und Flynn, die wie er auf die Rolle des harten Burschen spezialisiert waren, überlebten ihn nur um wenige Monate, doch Bogart war es, der als eines der Postergesichter der Gegenwartskultur Allgemeingültigkeit erlangen sollte. Gable und Flynn waren bald nur noch Aushängeschilder einer zu Ende gegangenen Epoche. Bogart aber blieb Bogart.

Seine erste Filmrolle hatte er nach einer Reihe von Theaterauftritten 1930 in John Fords Gefängniskomödie "Up The River". Es folgten 40 weitere Filme, bis Bogart 1941 in John Hustons "Die Spur des Falken" den Privatdetektiv Sam Spade spielte. Spade trank fast so viel wie der vom Alkohol übermäßig begeisterte Bogart selbst und wirkte nicht sehr viel rechtschaffener als die Gangster, die er jagte. "Die Spur des Falken" gilt heute als Inbegriff der sogenannten "schwarzen Serie". Im Jahr darauf folgte "Casablanca", lange der Klassiker schlechthin, heute aber ein wenig vom eigenen Mythos in den Schatten gestellt; und schließlich bekam Bogart sogar Charakterrollen angeboten, so 1952 die des Kapitäns Charlie Allnut in "African Queen" - für diese Rolle wurde er mit dem Oscar ausgezeichnet.

Drei Jahre nach Bogarts Tod stand Jean-Paul Belmondo in einer Szene von Jean-Luc Godards berühmtem Nouvelle-Vague-Film "Außer Atem" vor einem Kino und seufzte: "Ah, Bogey ..." In der Rolle des Kleinkriminellen Michel Poiccard konnte er sich mit Bogart genauso identifizieren wie Anfang der 70er Woody Allen in der Rolle des von seiner Frau verlassenen Allen Felix in dem Film "Mach's noch einmal, Sam".

Bogart, das war jene heute recht ausgeleiert wirkende Kombination von Härte und Verletzlichkeit, die für die Angehörigen der Nachkriegsjahrgänge allzu attraktiv gewesen zu sein schien. Dazu kam der äußerst leicht nachzuahmende Bogart-Look: Panamahut und Trenchcoat. Damit war Bogart so eindeutig wiedererkennbar wie Spiderman - auch der, erfunden 1962, ist ein Produkt dieser Zeit zwischen dem Zweiten Weltkrieg und Vietnam. Später brachten die USA keine gesamtamerikanischen und schon gleich gar keine weltweit gültigen Idole mehr hervor, die mehr waren als Stars - auch das ein Indiz für einen Niedergang Amerikas: Schon Jimi Hendrix oder Jim Morrisson standen, als sie Anfang der 70er starben, nur noch für die Hippiegeneration, nicht für ein ganzes Gemeinwesen; die Gesichter von Kurt Cobain oder Tupac Shakur mögen in den 90ern noch auf T-Shirts gedruckt worden sein, doch man kann sich kaum vorstellen, dass sie in zehn Jahren viel mehr als Nebenfiguren der Popgeschichte sein werden. Und die amerikanischen Stars von heute wirken wie ein Abklatsch vorhergehender - sei es Christina Aguilera (frisiert wie Marilyn Monroe) oder Justin Timberlake (tanzt wie Elvis Presley). Nur Humphrey Bogart hat keinen Widergänger gefunden. Sein hoher Zigarettenkonsum wäre dem breiten amerikanischen Kinopublikum heute nicht mehr vermittelbar, sein noch höherer Alkoholkonsum wohl auch nicht. Seine vier Ehen (zuletzt mit Lauren Bacall) schon eher.

Bogart, der Sohn eines New Yorker Chirurgen und einer sehr erfolgreichen Illustratorin, wirkt wie eine Figur aus einem Buch von Christian Kracht: von Geburt an ziemlich wohlhabend und entschlossen zur Selbstzerstörung. Bogart war gebildeter, als seine Filmrollen es nahelegen, und politisch war er ein beherzter Linker. Er unterstütze den Präsidenten F. D. Roosevelt und flog 1947 nach Washington, um an einem Protestmarsch von Hollywood-Stars und Regisseuren gegen die Verhöre des berüchtigt gewordenen Komitees gegen unamerikanische Umtriebe teilzunehmen. So verkörpert Bogart durchaus eine Seite jenes liberalen Amerikas, nach dem sich die Europäer heute sehnen. Dass der Bogart-Kunstdruck (gerne von Gottfried Helnwein) längst in einer Reihe mit rot glänzenden Kühlschränken, polierten Jukeboxes und Harley-Davidson-Motorrädern zum Inbegriff der überholten Ästhetik saturierter deutscher Amerikatouristen geworden ist, tut ihm wohl ein wenig unrecht - also: Gebt uns doch bitte auch noch den guten Bogart zurück.

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