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Wissenschaft 1889

Mayerling – Mord im Hause Habsburg

Am Morgen des 30. Januar 1889 brach der Kammerdiener Johann Loschek die Tür zum Schlafzimmer des Jagdschlosses im österreichischen Mayerling auf. Er fand zu seinem Entsetzen zwei blutüberströmte Leichen. Die Toten waren Österreichs Thronfolger Rudolf und seine junge Geliebte Mary.

Jubelgesänge erschollen in ganz Österreich, als am 21. August 1858 dem Kaiser Franz Joseph I. ein Thronfolger geboren wurde. Rudolf verkörperte alle Hoffnungen der altehrwürdigen Habsburgermonarchie. Er gehörte mit Leib und Seele dem Staat. Seine Mutter, die egomanische Kaiserin Elisabeth alias „Sisi“ musste zusehen, wie ihr Sohn gleich nach der Geburt fremden Menschen überlassen wurde. Wahrscheinlich war sie sogar froh darüber.

Kronprinz Rudolf wurde durch seinen Erzieher gequält

Rudolfs erster Erzieher Gondrecourt entpuppte sich als bigotter Sadist, der seinen Schützling physisch und psychisch so sehr quälte, dass man ihn 1865 entließ. Da hatte er freilich im Charakter des 7-jährigen Kronprinzen schon irreparable Schäden angerichtet. Bei verständnisvolleren Lehrern erwies sich Rudolf als sprachgewandtes, frühreifes Genie, ebenso impulsiv wie phantasiebegabt. Schon früh zeigte er ein befremdliches Interesse an Tod und Sterben; bereits mit neun Jahren verfasste er sein erstes Testament.

Als Rudolf 1877 eine separate Wohnung in Wien bezog, hatte er sich schon das erste Mal mit Gonorrhöe angesteckt. Die Schauspielerin Johanna Buska führte ihn 1874 in die Geheimnisse der körperlichen Liebe ein, und seither wurde sein rastloser Frauenkonsum sprichwörtlich. Er gab sich mit Prinzessinnen und Prostituierten gleichermaßen ab. Einzige Bedingung: sie mussten sehr jung sein, so wie die erst 15-jährige Mizzi Caspar, bei der er es vergleichsweise lange aushielt. Rudolf führte eine „Eroberungsliste“, in der er u. a. diejenigen gesondert vermerkte, die als Jungfrauen in sein Bett stiegen und es nicht als solche wieder verließen. Für ihre Liebesdienste bekam jede Frau ein silbernes Zigarettenetui.

Kaiser Franz Joseph von Österreich misstraute seinem Sohn

Auf den Spuren von Kaiserin Sisi in Wien

In Wien können Sisi-Verehrer ihrem Idol nahekommen – und in einer Suite im Schloss Schönbrunn nächtigen. Auch ein Besuch des Sisi-Appartements in der Hofburg dürfte Fans gefallen.

Doch das Wunder geschah: Rudolf verliebte sich. Bei einem Besuch in Belgien fiel ihm 1880 die 16-jährige Prinzessin Stephanie auf, die er zwei Tage später zu seiner Braut erkor. Eine höchst seltsame Wahl des Lebemannes, denn Stephanie war ein naiver Trampel „mit der Anmut eines Drachens“. Die Romanze endete dann nach der Hochzeit Anfang Mai 1881 schnell im Katzenjammer. Über ihre erste gemeinsame Nacht notierte Stephanie: „Welche Qualen, welches Entsetzen - ich dachte, ich würde an meiner Desillusionierung sterben.“ Nun, Stephanie starb nicht, gebar 1883 sogar eine Tochter, steckte sich aber bei Rudolf mit Syphilis an und konnte keine Kinder mehr bekommen.

Der Kronprinz versuchte inzwischen, auch eine politische Rolle zu spielen. Er traf sich mit liberalen Parlamentariern, hielt Reden, in denen die Erneuerung der Monarchie gefordert wurde und bestärkte die Ungarn in ihren Forderungen nach mehr Autonomie im Staat.

Das führte bei Kaiser Franz Joseph, der seinen einzigen Sohn ohnehin nicht sonderlich schätzte, zu verstärktem Misstrauen. Rudolf wurde künftig von sämtlichen Bereichen der Politik ferngehalten und durfte seine Tätigkeit ausschließlich als Militär in diversen Kasernen verrichten. Also stürzte sich der Kronprinz wieder in zahlreiche Frauenaffären. Er war mittlerweile morphiumsüchtig und körperlich so hinfällig, dass er wesentlich älter aussah als 30 und bei einer Militärparade beinahe vor Schwäche vom Pferd fiel. Auch Rudolfs Persönlichkeit veränderte sich. „Sein inneres Chaos führte zu schrecklichen Zornausbrüchen, zu unerträglichen und würdelosen Szenen. Es war, als hätte er mit dem Verlust der inneren Stabilität auch jeglichen Sinn für gute Formen verloren“, klagte Ehefrau Stephanie.

Selbstmordgedanken und eine Verbündete

Seit Ende der 80er-Jahre sprach Rudolf öfter von Selbstmord. Im November 1888 lernte er seine Schicksalsgefährtin kennen. Die 17-jährige Diplomatentochter Maria von Vetsera (genannt „Mary“) war ein Mädchen von orientalischem Typ, „verwirrend hübsch“ und mit „liliengleichem Teint“. Trotz ihrer Jugend hatte Mary schon etliche Männeraffären hinter sich. Als der portugiesische Herzog von Braganca um ihre Hand anhielt, erklärte sie selbstbewusst, nur ein König könne sie zur Heirat bewegen.

Der 30-jährige Kronprinz und Mary verliebten sich sofort. Schon am 14. Januar 1889 schrieb die Baroness: „Wir haben beide den Kopf verloren.“ Das war keineswegs symbolisch gemeint. Rudolf, der inzwischen aufgrund seiner Syphilis unter peinigenden Schmerzen litt, suchte am 28. Januar 1889 das Jagdschloss Mayerling im Wienerwald auf. Während der Nacht zum 30. Januar erschoss er zunächst Mary und dann sich selbst. In mehreren Abschiedsbriefen stellten beide klar, dass sie freiwillig in den Tod gegangen waren.

Rudolfs Ende rief einen Schock in ganz Europa hervor. Doch den Wiener Kaiserhof bewegten eher praktische Probleme. Einen Selbstmörder katholisch zu begraben schien schon schwierig genug – aber für einen Mörder war das unmöglich. Also lautete die offizielle Version, der Kronprinz sei einsam an einem Herzanfall gestorben. Mary Vetsera wurde heimlich auf einem entfernten Friedhof beigesetzt. Erst Jahre später bekam ihr Grabkreuz die Inschrift: „Wie eine Blume erblüht der Mensch und wird dann geschnitten.“

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