Fünf Hochzeiten und vier Oscars: André Previn ist tot - WELT
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Das musikalische Universalgenie André Previn ist tot

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In this Feb. 1, 1980, photo, Andre Previn rehearses with the Pittsburgh Symphony Orchestra in Pittsburgh, Pa. Previn, the pianist, composer and conductor whose broad reach took in the worlds of Hollywood, jazz and classical music, died in his Manhattan home on Thursday, Feb. 28, 2019. He was 89. (Marlene Karus/Pittsburgh Post-Gazette via AP) In this Feb. 1, 1980, photo, Andre Previn rehearses with the Pittsburgh Symphony Orchestra in Pittsburgh, Pa. Previn, the pianist, composer and conductor whose broad reach took in the worlds of Hollywood, jazz and classical music, died in his Manhattan home on Thursday, Feb. 28, 2019. He was 89. (Marlene Karus/Pittsburgh Post-Gazette via AP)
André Previn als Dirigent im Jahr 1980
Quelle: AP
Der Musiker beherrschte Jazz, Klassik und Musical gleichermaßen, war vierfacher Oscar-Gewinner und fünfmal verheiratet. Seine Ex-Frau Anne-Sophie Mutter sieht ihn jetzt mit Mozart und Oscar Peterson im Himmel.

Er war ein musikalisches Unikum, so wie die Galapagos-Schildkröte – mit der er zuletzt eine gewisse, sympathische Ähnlichkeit hatte: André Previn, der am 28. Februar im Alter von nicht ganz 90 Jahren nach langer Krankheit in seiner New Yorker Wohnung gestorben ist, war der Einzige, der den kleinen, aber eben doch sehr tiefen Abgrund nachhaltig übersprungen hat, der zwischen der Klassik und der populären Musik klafft. Und er tat das als Glückskind gleich mehrfach, elegant, tänzerisch, traumsicher und sehr begabt.

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Previn manifestierte das Zwischendrin ebenso in seinem Namen, den alle Unwissenden gern französisch aussprechen. Dabei wurde aus dem als Andreas Ludwig Priwin am 6. April 1929 am Berliner Ludwigskirchplatz Geborenen (das Jahr ist freilich nicht ganz sicher) bald nach seiner Ankunft in Kalifornien der eben amerikanisch akzentuierende, nach einem schon dort lebenden Onkel namentlich Angepasste. Und auch im seinem Privatleben verband Previn perfekt Entertainment mit hoher Kunst. Von seinen fünf Frauen sind die Nummer drei und fünf die bekanntesten: die Filmschauspielerin Mia Farrow und die deutsche Stargeigerin Anne-Sophie Mutter, für die er auch einiges komponierte. Eine Zeitlang war die Violinistin sogar durch die adoptierte, von Woody Allen geheiratete Soon-Yi Previn die Stiefschwiegermutter des Komikers.

FILE - In this Thursday, Dec. 18, 2008 file photo, German violinist Anne-Sophie Mutter performs during the Jose Carreras Gala rehearsal in Leipzig, eastern Germany. American rapper and DJ Grandmaster Flash, German violinist Anne-Sophie Mutter and international music charity Playing for Change Foundation on Wednesday Feb. 13, 2019, won Sweden's Polar Music Prizes for 2019. (AP Photo/Eckehard Schulz, file)
Mit seiner fünften Frau, der Geigerin Anne-Sophie Mutter, war Previn nach der Scheidung noch eng befreundet
Quelle: AP

Mutter, die wusste, dass es mit ihrem Ex zu Ende ging, aber seit der nach vier Ehejahren 2006 erfolgten Scheidung immer noch sehr eng und vertraut mit André Previn war, ließ auch sogleich ein sehr berührendes Statement veröffentlichen: „André Previn hatte seit über 70 Jahren diese oft dunkle Welt mit seinen außergewöhnlichen Gaben, seiner hervorragenden Intelligenz und seinem Witz erleuchtet. Wir waren vier Jahrzehnte lang Musikgefährten und engste und liebste Seelenverwandte die letzten 19 Jahre. Diese Jahre haben mir eine Fülle von tief bewegenden und herausfordernden Geigenwerken gebracht. Eines der ersten, das Violinkonzert, war ein Verlobungsgeschenk. Ich bin immer dankbar für all seine musikalischen Schätze. André wird in den Herzen der Millionen Musikliebhaber leben, die sein Leben und seine Musik berührt haben. Seine vielen Partituren werden das Dasein der Musiker rund um den Globus weiter bereichern. Im Moment ist André wahrscheinlich gerade in einer Jam-Session mit Oscar und Wolfgang ... und er wird sie übertreffen. Ich werde ihn und unsere fast täglichen Gespräche schrecklich vermissen.“

Oscar und Wolfgang, das sind übrigens Oscar Peterson, mit dem er als vollendeter Pianist Jazz spielte, auch seine eigenen Stücke, und Wolfgang, das ist natürlich Amadeus Mozart, den er von allen am meisten liebte. Und für André Previn selbst als Künstler hätte als Wahlspruch die berühmte Arie aus seiner Tennessee-Williams-Oper „Endstation Sehnsucht“ dienen können, die er noch 1998 Renée Fleming in die cremig klingende Kehle komponiert hatte: „I Want Magic“. Magie wollte Previn auch schon in seinem ersten Job von vielen, als Orchestrierer, Arrangeur und Dirigent von Filmmusiken für die damals wie heute hervorragenden Studioorchester in Hollywood. Viermal gewann er dafür den Oscar, für „Porgy and Bess“, „My Fair Lady“, „Gigi“, und „Irma la Douce“.

Doch anders als heute selbst von renommierten Nachrichtenmagazinen fälschlich weitergetragen, sind deren Urheber einzig und immer noch George Gershwin, Frederick Loewe und die Edith-Piaf-Vertraute Marguerite Monnot. Previn hat zudem in der legendären MGM-Musicalabteilung von Arthur Freed Cole-Porter-Werke aufpoliert und war später auch an der Einspielung für die Leinwand von so unterschiedlichen Partituren wie Andrew Lloyd Webbers „Jesus Christ Superstar“ oder „Der Elefantenmensch“ beteiligt. Und für das Trioalbum „My Fair Lady“ mit Shelly Manne und Leroy Vinnegar erhielt er 1956 die erste Goldene Schallplatte der Jazzgeschichte.

André Previn selbst aber komponierte mit Loewes Textdichter Alan Jay Lerner 1969 das Unmögliche: das erfolgreiche Broadway-Musical „Coco“ über die Modegöttin Gabrielle Chanel mit einer Hollywood-Göttin, die überhaupt nicht singen konnte – Katherine Hepburn. Und für Billy Wilder, der die kleine Montmartre-Nutte Irma la Douce im einzigen weltberühmten französischen Musical, in dem freilich kein einziger Ton mehr im Kino gesungen wurde, unsterblich machte, stammen von André Previn zudem die Original-Filmmusiken für „Eins, Zwei, Drei“ und „Küss mich, Dummkopf“.

Bevor der jüdische Andreas Priwin 1937 mit seiner Familie nach Paris emigrierte, hatte er das Berliner Königliche Konservatorium besucht. 1941 flüchtete man weiter nach Los Angeles. Und hier tauchte Previn als offenbar genialer Autodidakt tief ein in die noch goldenen Jahre des Studiofilmgeschäfts. Neben seiner Tages- und Brotarbeit machte er sich nachts als Jazzkomponist und -Pianist einen erstklassigen Namen. Art Tatums „Sweet Lorraine“ hatte ihn angefixt. Schon mit dreizehn Jahren begann Previn seine Karriere in Radioaufnahmen mit Hoagy Carmichael. Mit fünfzehn gab er ein Jazz-Konzert im Konzertsaal des Los Angeles Philharmonic. Er spielte mit Ray Brown, Dizzy Gillespie sowie Billie Holiday. Er nahm Platten auf mit Dinah Shore und Julie Andrews.

FILE - In this 1971 file photo, actress Mia Farrow, left, and her husband Andre Previn appear during a rehearsal for a concert together. Previn, the pianist, composer and conductor whose broad reach took in the worlds of Hollywood, jazz and classical music, died in his Manhattan home, Thursday, Feb. 28, 2019. He was 89. (AP Photo/Bob Dear, File)
Previn mit seiner dritten Frau Mia Farrow 1971
Quelle: AP

Irgendwann war ihm das nicht mehr genug. So eroberte er sich die klassische Welt. Gehörten doch schon zu seinen frühen Lehrern in Los Angeles die Emigranten Ernst Toch, Mario Castelnuovo-Tedesco und Pierre Monteux, zudem die Geiger Jascha Heifetz oder Joseph Szigeti. Ohne wirklich zu den ganz großen Dirigenten zu zählen, wurde er ab Ende der Sechzigerjahre Orchesterchef in Houston, Pittsburgh, Los Angeles und Oslo. Auch im Swinging London wirkte er, wo er zudem als TV-Klassikpräsentator populär war. Viele bis heute gültige Platten spielte er mit dem London Symphony Orchester ein, so die Tschaikowsky- und Prokofiew-Ballette oder Sinfonien von Ralph Vaughn Williams. In den letzten Jahren hat André Previn viel eingängig Hörenswertes komponiert, gern für Sänger und befreundete Instrumentalisten. Ende März 2011 erhielt er aus der Hand des deutschen Generalkonsuls in New York das Große Verdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik Deutschland.

André Previns letzte Kompositionen waren „Can Spring Be Far Behind?“ für Orchester aus dem Jahr 2016 sowie die noch nicht uraufgeführten Werke „Almost an Overture“ und „Morning Rain and Warm Evening“ für Violine und Klavier. Womöglich ein finaler Liebesdienst für Anne-Sophie Mutter?

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