„Der Mythos eines großen Namens“

Der Mythos eines großen Namens – Erfahrungsbericht zum LL.M.-Studium an der Harvard Law School (2021/2022)

Veröffentlicht am 2.11.2022

Leonard Hollander, LL.M. (Harvard)

Associate bei Hogan Lovells Int LLP, Intellectual Property, Media & Technology (Patent Litigation)

Verhältnismäßig früh im Studium hatte ich mich dazu entschlossen, nach dem Abschluss meiner juristischen Ausbildung in Deutschland einen LL.M. zu machen. Dass es hierfür in die USA gehen würde, war für mich klar, da ich neben der deutschen auch die US-amerikanische Staatsbürgerschaft besitze, Familie dort habe und von dem Land fasziniert bin.

Inhalt

Die Bewerbungsphase

Knapp anderthalb Jahre vor dem geplanten Beginn des LL.M. habe ich mit der Planung begonnen. Zwei große Fragen galt es für mich zu beantworten: An welchen Universitäten bewerbe ich mich und um welche Finanzierungsangebote bemühe ich mich? Einen Überblick darüber kann man sich im Internet verschaffen, so etwa hier auf LL.M. Essentials, wo man eine Fülle an Informationen findet, die speziell an deutsche Studenten gerichtet sind, die einen LL.M. in den USA anstreben. Auf der Seite LL.M. Guide findet man die hard Facts zu sämtlichen Universitäten. Eine wertvolle Informationsquelle war für mich außerdem der LL.M. Day von Clavisto.

Am Ende hatte ich eine (unnötig lange) Liste von 13 Universitäten, an denen ich mich beworben habe – wild zusammengewürfelt, mit jeweils unterschiedlichen Vorzügen: Akademisch top, gutes Wetter, bestes Studentenleben, Orte, bei denen man nicht befürchten musste, dass es dort corona-bedingte Einschränkungen geben würde (hoffentlich nie wieder relevant), Nähe zur Familie usw.

Die Möglichkeiten finanzieller Unterstützung kann man in drei verschiedene Kategorien einteilen:

  • Großstipendien (DAAD, Fulbright und die Studienstiftung), die sich meines Wissens im Wesentlichen gegenseitig ausschließen,
  • etwas kleinere Stipendien (LL.M. Essentials, Clavisto, Latham & Watkins, Walter-Oppenhoff-Stiftung – wobei die Stipendienhöhe im Falle der Walter-Oppenhoff-Stiftung individuell festgesetzt wird, sodass es womöglich auch zum Großstipendium aufsteigen kann) und
  • Tuition Waiver der Universität. Die meisten Universitäten, an denen ich mich beworben habe, vergeben ihre Tuition Waiver merit-based oder besser gesagt danach, wie gerne sie einen für sich gewinnen wollen. Dabei sind die Universitäten mitunter sehr großzügig und lassen Verhandlungen zu, insbesondere wenn man Tuition-Waiver-Angebote vergleichbarer Universitäten vorlegen kann. Die Harvard Law School hingegen vergibt ihre Tuition Waiver need-based. Das heißt, dass auf Grundlage der persönlichen und familiären Finanzlage entschieden wird, ob und in welcher Höhe Studiengebühren erlassen werden.

Nachdem ich die Zusagen der Universitäten und meiner Stipendiengeber hatte – mit am längsten lässt sich Harvard Zeit: März für die Studienplatzzusage, April für die Entscheidung über den Tuition Waiver – habe ich lange zwischen Harvard und Duke geschwankt, auch weil das finanzielle Paket der Duke sehr attraktiv war. Letztlich entschied ich mich für Harvard ­und habe es nicht bereut.

Begrüßung auf dem Campus am Tag des Einzugs
Begrüßung auf dem Campus am Tag des Einzugs

Das Leben in Cambridge

Der Campus der Harvard University einschließlich der Law School, befindet sich in Cambridge, einer Stadt, die unmittelbar an Boston angrenzt. Mit der U-Bahn (zu deren Station man von der Law School aus etwa 10 Minuten läuft) sind es nur vier Stationen ins Herz Bostons.

Untergekommen bin ich in einem Wohnheim der Law School, wovon es drei verschiedene gibt (im Preis aufsteigend): Gropius (in dem man sein eigenes kleines Zimmer hat und sich Küche und Bad mit seinem Flur – etwa 14 Personen – teilt), Hastings (das von außen schönste Gebäude, in dem man in Zweier-WGs lebt, sich mit einer anderen WG ein Bad teilt und das gesamte Wohnheim über eine Küche verfügt) und North Hall (in dem jeder sein eigenes Zimmer mit Bad hat und man sich die Küche mit dem Flur teilt). Wenn man lieber in einer normalen Wohnung leben möchte, kann man sich entweder auf dem freien Markt umsehen oder sich auf eine der – etwas teuren, aber sehr hübschen – Wohnungen der Universität bewerben. Ich würde, ohne zu zögern, wieder Gropius wählen: Sauber, unkompliziert, für Cambridge-Verhältnisse günstig, eine gute Community und man kann aus dem Bett quasi direkt in den Vorlesungssaal fallen.

Hauptgebäude der Law School
Hauptgebäude der Law School

Auch wenn die Meinungen in dieser Hinsicht zum Teil etwas auseinandergehen, war ich ein großer Fan der Mensa und habe dort fast alle Mittagspausen verbracht – wenn es nicht gerade ein Lunch-Event gab (siehe unten).

Wie an den meisten US-Unis gibt es ein breites Sportangebot. Außerdem befindet sich die Law School direkt neben der Music School, zu deren Proberäume man Zugang hat (Klaviere – und, ich glaube, auch andere Instrumente – stehen zur freien Verfügung).

Außerhalb des Campus ist Cambridge in weiten Teilen recht verschlafen, was angesichts der Tatsache, dass es sich auf dem Papier um eine Studentenstadt par excellence handelt, etwas überrascht. Dank Wohnheim- und anderen von Studenten organisierten Partys kommt man trotzdem ohne Weiteres auf seine Kosten.

In Cambridge ist man perfekt situiert, um in die anderen großen Ostküstenmetropolen, insbesondere New York, zu reisen. Außerdem bieten etwa Vermont und Maine sehr schöne Wander- und Skigebiete, die man als Tages- oder Wochenendtrip besuchen kann, wenn man eine Pause von der doch etwas elitären Harvard-Bubble und stattdessen auch mal etwas vom real America erleben möchte.

Das Akademische

Die Größe der Kurse ist angenehm, die Qualität der Lehre sehr hoch, die meisten Professoren sehr zugänglich und das Kursangebot vielfältig. Trotz der großen Anzahl an LL.M.s (in der Regel sind es etwa 150), gibt es keine reinen LL.M.-Kurse, sondern so gut wie jeder Kurs steht sowohl J.D.s als auch LL.M.s offen, in einem Verhältnis das von etwa 3:1 bis 10:1 reichen kann. Je nachdem für welche Rechtsgebiete man sich interessiert, muss man um seine Plätze womöglich etwas kämpfen. So war in meinem Jahr etwa Arbitration sehr beliebt, wobei ich annehme, dass sich das je nach Zusammenstellung des Jahrgangs sowie Verfügbarkeit von Professoren und Gastdozenten von Jahr zu Jahr ändert. Insbesondere wenn man die Kurs-Anforderungen für das Bar Exam zu erfüllen und zudem eine recht konkrete Vorstellung davon hat, welche Kurse einen interessieren, lohnt es sich auf jeden Fall, ein paar Stunden Arbeit in die Vorbereitung der Abgabe der Kurspräferenzen zu stecken. Sonst landet man, wie ich, zwischenzeitlich im Chaos und kommt nur mit viel Glück oder Überzeugungsarbeit gegenüber den Professoren (die sich im Einzelfall bei der Verwaltung dafür einsetzen können, dass man außerplanmäßig noch in den Kurs nachrücken kann) zu seinem Wunschstundenplan.

Viele LL.M.-Studenten nutzen die Möglichkeit, Kurse an anderen Graduate Schools der Harvard University (etwa Business oder Kennedy School) oder an Partneruniversitäten (insb. MIT) zu belegen.

Wiese vor der Bibliothek der Law School am Tag vor der Graduation
Wiese vor der Bibliothek der Law School am Tag vor der Graduation

In akademischer Hinsicht war ich vor allem auch von dem lebendigen außerlehrplanmäßigen Angebot begeistert. Im Schnitt habe ich vermutlich knapp zwei Mittagspausen pro Woche bei Veranstaltungen verbracht, bei denen Gastreferenten zu verschiedensten, irgendwie mit Jura in Zusammenhang stehenden Themen vortragen oder debattieren. Mittagessen wird zur Verfügung gestellt und man erweitert seinen juristischen Horizont erheblich. Zu Gast waren u.a. Leiter von Federal Agencies, Bundesrichter, Journalisten und Entrepreneure.

Fazit

Ich kann einen LL.M. an der Harvard Law School wärmstens empfehlen – auch wenn man etwas tiefer in die Tasche greifen muss (insbesondere im Vergleich zu Universitäten bei denen merit-based Tuition Waiver vergeben werden). Ich könnte mir im Nachhinein nicht vorstellen, eine andere Wahl getroffen zu haben.

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