Vitaly Janelt: "Ich wusste nicht mal, wo Brentford liegt" - kicker
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Vitaly Janelt: "Ich wusste nicht mal, wo Brentford liegt"

Ex-Bochumer hat sich in England etabliert

Janelt im Interview: "Ich wusste nicht mal, wo Brentford liegt"

Schnürt seit 2020 die Fußballschuhe für den FC Brentford: Der frühere Bochumer Vitaly Janelt.

Schnürt seit 2020 die Fußballschuhe für den FC Brentford: Der frühere Bochumer Vitaly Janelt. picture alliance / Action Plus

Vor gut zweieinhalb Wochen war Janelt der Held des Tages im Community Stadium zu Brentford. In der sechsten Minute der Nachspielzeit erzielte der deutsche U-21-Europameister von 2021 den umjubelten 1:1-Ausgleich gegen Crystal Palace und stellte mit seinem schon dritten Saisontor den Erhalt einer beeindruckenden Serie sicher.

Den am Montag errungenen Derbysieg über Fulham eingerechnet, blieb Brentford zum zwölften Mal in Serie ohne Niederlage. Ein Traum für den 24-Jährigen, der vor drei Jahren noch mit Bochum in der 2. Liga spielte, weit weg von einer wichtigen Rolle in der großen Premier League.

Sein dänischer Trainer Thomas Frank entschuldigte sich nach dem 3:2 gegen Fulham sogar bei Janelt, ihm zuletzt zu wenig Einsatzzeiten gegeben zu haben. Im kicker-Interview schildert der zentrale Mittelfeldakteur seine Sicht auf die fast ausschließlich erfreuliche Lage in West-London.

Herr Janelt, Sie spielen seit Oktober 2020 beim FC Brentford. Was bedeutet dieser Derbysieg gegen Fulham, den nur wenige Kilometer entfernt beheimateten Rivalen?

Man wird vor dem Spiel oft auf dieses Duell angesprochen. Auch das gegen Fulham verlorene Aufstiegsendspiel in den Play-offs 2020, kurz bevor ich kam, schwingt noch immer in den Köpfen mit. Auch nach der 2:3-Hinspielniederlage war noch eine Rechnung offen. Jeder wusste, wir mussten etwas gutmachen und noch eine Schippe drauflegen. Wir waren elf Spiele ungeschlagen, es war klar, dass es ein ekliges, enges Spiel wird. Wir haben es sehr gut gemacht und verdient drei besondere Punkte geholt.

Gleich zu Beginn gelang Ihrem Team eine beeindruckende Druckphase.

Das war wichtig, wir haben sie in den ersten 20 Minuten extrem unter Druck gesetzt mit unserem hohen, intensiven Pressing und Gegenpressing. Auch unsere Standards waren im ganzen Spiel brandgefährlich, so haben wir das 1:0 gemacht. Fulham ist gut zurückgekommen, hatte aber bis auf die Tore kaum zwingende Chancen. Vor dem ersten war es ein brutal guter Freistoß an den Pfosten, wo sie den zweiten Ball reingemacht haben und ganz am Ende war es keine glückliche Abwehraktion von unserem Torwart.

Ich respektiere jede Entscheidung des Trainers, jeder weiß, wie schwer es am Ende des Tages ist, elf Spieler auszuwählen.

Vitaly Janelt

Ihr Thomas Frank hat sich nach dem Spiel entschuldigt, Ihnen zuletzt nicht genug Einsatzminuten gegeben zu haben, aber Ihre Wichtigkeit betont. Wie schätzen Sie Ihre aktuelle Rolle ein?

Ich hatte mit dem Trainer am Sonntag im Training gesprochen. Man ist als Spieler nicht zufrieden, wenn man nicht jedes Spiel auf dem Platz steht, ich weiß meine Situation aber einzuschätzen und, was ich der Mannschaft bringen kann. Ich respektiere jede Entscheidung des Trainers, jeder weiß, wie schwer es am Ende des Tages ist, elf Spieler auszuwählen. Gerade ist es nicht besonders positiv für mich, dass unsere größte Konkurrenzdichte im Mittelfeld herrscht. Aber es passiert immer viel, Sperren und Verletzungen, was man zwar nicht hofft, aber man muss immer bereit sein und dann seine Chance nutzen. Ich kann nur meine Leistungen im Training und Spiel bringen.

Nach Ihrer Einwechslung gegen Fulham sangen die Fans wieder die eigens für Sie gedichtete Melodie mit Ihrem Namen. Wie fühlt sich diese in Deutschland unübliche Fantradition an?

Sehr besonders. Gleich bei meinem dritten Spiel haben die Fans den Song das erste Mal gesungen. Mittlerweile haben viele bei uns einen Song, ich bin ziemlich sicher, dass Kevin (Schade, Anm. d. Red.) auch bald einen bekommt. Liverpool zum Beispiel ist ganz groß bekannt dafür, für jeden Spieler einen kompletten Song zu haben. Das ist eine coole Sache hier in England. Es ist jedes Mal wieder ein tolles Gefühl, das auf dem Platz zu hören.

Was ist drin mit Brentford in dieser Saison, schauen Sie auf die Europapokalplätze?

Jetzt am Samstag geht es nach Everton, die sich unter dem neuen Trainer stabilisiert haben und gegen den Abstieg kämpfen. Das wird sehr unangenehm, wie alle Spiele in der Premier League. Dann geht’s nach Southampton und zu Hause gegen Leicester vor der Länderspielpause. Neun Punkte sind zu vergeben, mit unserer aktuellen Form ist sehr viel drin. Über die internationalen Plätze will ich aber gar nicht viel sagen. Wenn wir auch danach unsere Phase beibehalten mit unserer Präsenz und unserem Selbstbewusstsein auf und neben dem Platz, sind wir sehr schwer zu bespielen. Für uns ist es immer einfach, wenn wir gegen die vermeintlich größeren Teams spielen, weil wir auf die reagieren können und das sehr gut machen. Das sind zwar eigentlich Bonusspiele, da haben wir bisher aber fast immer gut ausgesehen, bis auf das 0:3 gegen Arsenal zu Hause in der Hinrunde.

Es ist extrem, was wir uns hier geschaffen haben. Ich bin sehr glücklich, hier zu sein.

Vitaly Janelt

Hätten Sie vor drei Jahren, als Sie noch mit Bochum in der 2. Liga gespielt haben, für möglich gehalten, dass Sie jetzt mit einem Team die Premier League aufmischen?

Definitiv nicht. Ich wusste nicht mal, wo Brentford liegt, als ich noch in Bochum war. Es ist extrem, was wir uns hier geschaffen haben. Ich bin sehr glücklich, hier zu sein. Ich bin mit dem Klub aufgestiegen, es ist ein wahr gewordener Traum. Die anderen Topligen in Europa sind auch super, aber die Premier League ist für mich das Maß aller Dinge. Letzte Saison waren wir schon stabil, jetzt haben wir 38 Punkte nach 24 Spielen. Es kann gerne so weitergehen (grinst).

Sie waren in den ersten Wochen im Januar eine Art Integrationshelfer für Kevin Schade, haben ihm viel gezeigt und erklärt, verbringen auch jetzt noch viel Zeit mit ihm. Gegen Fulham gelang ihm nun der erste Assist im sechsten Einsatz. Was ist von ihm noch zu erwarten?

Die Verpflichtung war für mich völlig unverständlich, ein Fehleinkauf (lacht). Spaß beiseite. Für mich muss er bei unserer Spielweise, die auch auf schnelles Umschalten und Konter ausgelegt ist, in jedem Spiel mindestens 20 bis 30 Minuten reinkommen. Er kann uns mit seiner Schnelligkeit jedes Mal etwas bringen. Beim 3:1 gegen Fulham hat man gesehen, dass er nicht so langsam war und es vernünftig gemacht hat (grinst). Natürlich ist es aber generell schwierig, im Winter in einer funktionierenden Mannschaft Fuß zu fassen. Wir waren schon siebenmal in Serie ungeschlagen, als Kevin kam. Dazu kommt, du bist das erste Mal von zu Hause weg, wohnst allein, neue Sprache, neues Land - das ist alles nicht einfach. Es war gut für ihn, dass ich als deutschsprachiger Kollege direkt am Anfang da war, aber er hat sehr gut und schnell Englisch gelernt.

Carsten Schröter-Lorenz

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