Starke Stimme sagt Uelzen „Tschüss“: Renate Barthel plant Rückkehr nach Norderstedt
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Starke Stimme sagt Uelzen „Tschüss“: Renate Barthel plant Rückkehr nach Norderstedt

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Renate Barthels Wort hat in Uelzen Gewicht. Sie hinterlässt Spuren, wenn sie zurück nach Norderstedt geht. Sie war aktiv beim Kinderschutzbund, nicht wegzudenkende Rednerin beim Adventskalender oder beim Neujahrsempfang, jahrelang Vorsitzende des Seniorenbeirates und auch Kandidatin auf die AZ-Auszeichnung „Mensch 2014“.
Renate Barthels Wort hat in Uelzen Gewicht. Sie hinterlässt Spuren, wenn sie zurück nach Norderstedt geht. Sie war aktiv beim Kinderschutzbund, nicht wegzudenkende Rednerin beim Adventskalender oder beim Neujahrsempfang, jahrelang Vorsitzende des Seniorenbeirates und auch Kandidatin auf die AZ-Auszeichnung „Mensch 2014“. © Oliver Huchthausen

Sobald ihr Name von der Warteliste eines Seniorenheimes im Grünen verschwindet, wird Renate Barthel Uelzen verlassen und zurück nach Norderstedt ziehen. Das hat die 89-Jährige jetzt in einem Plausch mit der AZ verraten.

Uelzen – Der Kontakt zwischen Renate Barthel und der Redaktion ist rege: Seit Jahren übermittelt die 89-Jährige jene Gedanken, die als kurze Kolumne im Uelzener Anzeiger abgedruckt werden. „Das hält mich geistig fit“, sagt die Seniorin – eine Frau der klaren Worte. „Altwerden ist nichts für Feiglinge“ ist so ein Spruch. Der fällt auch beim Besuch in der Seniorenresidenz an der Rosenmauer.

Hier wohnt Barthel seit fünf Jahren – aber nicht mehr lange: „Meine drei Kinder und vier Enkel leben alle in Schleswig-Holstein. Deshalb gehe ich zurück nach Norderstedt – für mich schließt sich der Kreis“, sagt sie. Als die Eltern der gebürtigen Oberlausitzerin 1962 aus der ehemaligen DDR nach Uelzen zogen, um ein Optikergeschäft zu übernehmen, lebte Renate Barthel mit ihrem Mann in Norderstedt. Schon damals interessierte sie sich für Uelzens Entwicklung und nutzte jede Gelegenheit zum Besuch der Stadt.

„Nichts ist schlimmer als die Einsamkeit“

Als ihr Vater starb, zögerte sie nicht, ihre Mutter in Uelzen zu unterstützen: Die sollte nicht ins Heim müssen. „Denn nichts ist schlimmer als die Einsamkeit. Oft bleibt heute leider das Zwischenmenschliche auf der Strecke. Die Entwicklung ist familienfeindlich. Ich habe das Gefühl, dass wir mit unserem Wirtschaftsdenken, der etwas übertriebenen Emanzipation, einer furchtbaren Selbstverwirklichung, aber auch in der Politik in eine Sackgasse geraten sind. Das macht Unzufriedenheit. Und ich weiß nicht, wie wir da herauskommen. Schreiben Sie doch einfach, dass das die wirren Gedanken einer alten Frau 79 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sind“, sagt Barthel.

Sie trinkt im Gespräch in der Seniorenresidenz einen Schluck Wasser. „Nur aus Vorsicht“ sitze sie im Rollstuhl, weil ein Oberschenkelhalsbruch das Ende bedeuten könne. In der Einrichtung hat sie sich als Initiatorin des Spielkreises („Mensch-ärgere-dich-nicht ist der Renner!“) ebenso eingebracht wie in Uelzen.

90. Geburtstag am 24. Oktober

Hier arbeitete sie ehrenamtlich beim Kinderschutzbund, war Vorsitzende des Seniorenbeirates, baute die Sozialstation am Königsberg mit auf. Sie sprach beim Neujahrsempfang und beim Adventskalender, wurde als „Mensch 2014“ nominiert. In Windeseile wurde sie Teil der Stadt und ihrer Gesellschaft.

Insofern wird ihr Abschied eine Lücke hinterlassen. Nicht wenige werden hoffen, dass der Platz im Seniorenwohnheim im Grünen in Norderstedt nicht ganz so schnell frei wird. Einige Monate kann das dauern, ahnt Barthel, die am 24. Oktober 90. Geburtstag feiert. Aber wo?

„Ich wünsche mir mehr Menschlichkeit“

Für sie steht der Frieden an erster Stelle. „Der fängt im Kleinen an. Ich wünsche mir mehr Menschlichkeit. Und natürlich Gesundheit. Ich wünsche mir, dass die Alten mehr Besuch von ihren Familien bekommen – es muss gar nicht viel Zeit sein, eine Tasse Kaffee reicht doch schon. Gerade die Dementen schreien um Hilfe“, so Renate Barthel.

Sie appelliert vor allem an junge Frauen, mehr Zeit in die Kinder zu investieren: „Man muss nicht vom Boden essen können. Das ist nicht der Sinn des Lebens.“ Über den wird sie bis zu ihrem Abschied aus Uelzen und bis zu ihrer Rückkehr nach Norderstedt noch manches Mal schreiben – in ihrer Kolumne im Uelzener Anzeiger.

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