Nymphomaniac 2 (2014)

Weitaus d�sterer als der erste Teil, verwischt im zweiten Teil die Kapitelstruktur immer mehr und die Verbindungen zwischen erz�hlter Vergangenheit und Gegenwart treten deutlicher hervor. Dabei werden von Lars von Trier eine Reihe Themen behandelt: Mit ihrer Familie wird Joes Lust nahezu eingeengt, ja, fast niedergerungen. Deshalb entpuppt sich f�r Joe auch die Liebe nicht als geheime Zutat zum Sex, sondern als Beigabe, die ihr jegliche Erf�llung versagt. Sie empfindet kein Vergn�gen mehr, vielmehr treiben sie ihre immer extremeren k�rperlichen Erfahrungen weiter an den Rand ihrer Existenz und der Gesellschaft. Mal hadert sie mit ihrer Sucht und versucht, gegen sie anzuk�mpfen. In einer absurden Episode besucht sie eine Selbsthilfegruppe, die jeglichen Gedanken an Sex verbietet. Daraufhin verh�ngt Joe die Spiegel in ihrer Wohnung, verklebt jede Ecke, jede Spitze, an der sie sich reiben k�nnte und liegt anschlie�end nahezu reglos und vermummt in ihrem Bett. Das ist ein deutliches Statement des Regisseurs zu den Methoden und Erfolgsaussichten von Therapien, daher kommt auch Joe zu der Erkenntnis, dass sie sich mit ihrer Sucht arrangieren sollte – indes ist es leichter erkannt als umgesetzt.

Steckte bereits der erste Teil voller Anspielungen und Verweise, die zum Teil von Seligman enth�llt oder erst konstruiert wurden, finden sich auch im zweiten Teil sehr viele Referenzen mit verschiedenen Funktionen. Beispielsweise sorgt eine Anspielung an "Antichrist" f�r eine noch gr��ere Anspannung in einer Sequenz, w�hrend andere Thesen allzu bewusst provozieren wollen: So vergleicht Joe die Reaktion auf P�dophilie implizit mit den Reaktionen auf Lars von Triers Nazi-�u�erung in Cannes. Auch der Diskurs �ber die Verwendung des N-Wortes ist allzu einfach gef�hrt. Jedoch zeigt dieses Geflecht aus Thesen und Verweisen, aus Stilen und Anspielungen sehr deutlich, dass dieser Film nicht mit einmaligem Sehen erfasst werden kann. Wie jeder Film Lars von Triers‘ ist er zu ambivalent und vielschichtig – allein mit der letzten Szene �bertreibt von Trier es. Sp�testens hier l�sst sich der Gedanke nicht mehr verdr�ngen, dass von Trier seine Zuschauer zum Narren halten wollte. Aber allein schon daf�r lohnt sich eine weitere Sichtung.

Mit dem zweiten Teil wird zudem sehr deutlich, warum "Nymphomaniac" der dritte Teil von Lars von Triers Depression-Trilogie ist: Es geht ihm nicht um eine Auseinandersetzung mit der weiblichen Sexualit�t, sondern er erz�hlt mit einer Nymphomanin als Hauptfigur von einem extremen emotionalen Erleben. Joe muss erkennen, dass sie mit ihrer Neigung keinen Platz in der Gesellschaft hat. Seligmans nahezu feministischer Diskurs, dass Joe ihr Verhalten anders beurteilen w�rde und anders beurteilt worden w�re, wenn sie ein Mann w�re, greift hier zu kurz. Auch ein Mann, der sein Kind verl�sst, um sexuelle Befriedigung zu erlangen, w�rde von der Gesellschaft verurteilt werden. Der Unterschied mag h�chstens darin liegen, dass die Frau eines solchen Mannes dieses Verhalten kaschieren oder ausgleichen w�rde. Daher ergeht es Joe wie vielen Menschen, deren Neigungen und Verhalten au�erhalb der gesellschaftlich akzeptierten Normen liegt.

Fazit: Sechs Wochen liegen zwischen dem Kinostart des ersten und zweiten Teils von "Nymphomaniac", dessen Zweiteilung nicht dar�ber hinwegt�uschen sollte, dass es sich um einen gro�en, komplexen und dichten Film handelt, der viele Fragen aufwirft und zu Interpretationen sowie Diskussionen einl�dt.

FBW-Bewertung zu "Nymphomaniac 2"Jurybegr�ndung anzeigen

Eigentlich ist es fast unm�glich, diesen Film getrennt von dem ersten Teil zu betrachten, zumal Lars von Trier es ja urspr�nglich so intendiert hatte, seinen Film als Einheit zu zeigen. Au�erdem beziehen sich die beiden Teile so stark aufeinander, [...mehr]