Drucksache Nr. 1887/2023:
Weiterer Umgang mit der bereits eingerichteten Fahrradstraße Lange Laube im Stadtbezirk Mitte unter Berücksichtigung des Urteiles des Verwaltungsgerichtes Hannover vom 21.12.2021

Informationen:

Beratungsverlauf:

Inhalt der Drucksache:

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1887/2023
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Weiterer Umgang mit der bereits eingerichteten Fahrradstraße Lange Laube im Stadtbezirk Mitte unter Berücksichtigung des Urteiles des Verwaltungsgerichtes Hannover vom 21.12.2021

Antrag,

1. der Ausweisung der Langen Laube als reine Fahrradstraße ohne Kfz-Verkehr (nur noch Zufahrt in die Grundstücke frei sowie Lieferverkehr zu bestimmten Zeiten) und zugelassenem Querverkehr zwischen Lützowstraße und Stiftstraße sowie Bergmannstraße und Hausmannstraße wie in der Begründung dargelegt zuzustimmen und

2. die Verwaltung zu beauftragen, das dafür notwendige Teileinziehungsverfahren durchzuführen sowie abschließend die notwendigen Markierungs- und Beschilderungsmaßnahmen umzusetzen.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Genderspezifische Aspekte und Belange wurden bei der geplanten Maßnahme beachtet. Im Rahmen der Planung der Maßnahme wurden Fragen der sozialen Sicherheit und die barrierefreie Gestaltung geprüft. Die Ergebnisse sind in die Planung eingeflossen.

Ergebnis der Klimawirkungsprüfung

Das Ergebnis der Klimawirkungsprüfung wird als positiv bewertet, denn durch die Optimierung der Fahrradstraßen wird der Radverkehr gefördert, das Mobilitätsverhalten wird somit durch Mehrnutzung eines klimaneutralen Fahrzeuges, gepaart mit einer Reduzierung des Kfz-Verkehrs in den betroffenen Straßen, positiv zu Gunsten des Umweltverbundes verändert.

Kostentabelle

Die entstehenden Kosten für Markierungs- und Beschilderungsmaßnahmen etc. für die Umsetzung der geplanten Anordnungen werden im Rahmen der jährlichen Aufgabenerbringung als Geschäft der laufenden Verwaltung finanziert.

Begründung des Antrages

Ausgangslage

Die Lange Laube verläuft in West-Ost-Richtung von der Otto-Brenner-Straße zum Platz Am Steintor und ist nach Erneuerung und sehr aufwendiger Umgestaltung seit 2010 als Fahrradstraße ausgewiesen und mit Beschilderung sowie Markierung entsprechend kenntlich gemacht. Die Umgestaltung der Langen Laube erfolgte auf Grundlage eines städtebaulichen Wettbewerbs zur Neugestaltung der Straße. Als Fahrradstraße ist die Lange Laube die Hauptverbindung von der Innenstadt über den Königsworther Platz zur Uni, den Herrenhäuser Gärten und den angrenzenden Stadtbezirken Nord, Herrenhausen Stöcken sowie Linden-Limmer und Ahlem-Badenstedt-Davenstedt. Die Lange Laube ist eine der Fahrradstraßen mit der höchsten Verkehrsbedeutung für den Radverkehr im Stadtgebiet. Sie wird zudem Teil der Velorouten 11 und 12 sowie der Radschnellverbindung nach Garbsen.

Seit der Umgestaltung ist die Einfahrt von der Münzstraße in die Lange Laube für den Kfz-Verkehr verboten und eine Ein- und Ausfahrt zur Otto-Brenner-Straße nur für den Radverkehr und Zufußgehende zulässig. Somit ist ein Durchgangsverkehr von der Münzstraße zur Otto-Brenner-Straße nicht möglich. Das Quartier „Lange Laube“ zwischen Goethestraße, Münzstraße, Goseriede, Otto-Brenner-Straße und Brühlstraße sollte damit verkehrsberuhigt gestaltet werden und die Straßen im Quartier nur noch für den Quell- und Zielverkehr unter Berücksichtigung der besonderen Regelungen für die Fahrradstraße Lange Laube dienen.

Allerdings ist dies nicht in dem erwarteten Umfang eingetreten. Der Bereich zwischen der Goethestraße, der Brühlstraße und der Langen Laube sowie die Lange Laube sind geprägt von vergleichsweise starker Kfz- Nutzung. Dies gilt insbesondere für die Lange Laube selbst. Hier wird auch regelmäßig verkehrsbehindernd in 2. Reihe geparkt. Verkehrsregeln zur Fahrradstraße, wie der Vorrang des Radverkehrs, werden häufig missachtet und zu bestimmten Zeiten findet hier das so genannte „Cruisen“ statt, was zu erheblichem unnötigen Verkehr führt und nicht mit der Funktion der Fahrradstraße vereinbar ist. Aufgrund der hohen Bedeutung (und auch der sehr starken Nutzung) der Langen Laube als eine der zentralen Verbindungen (Veloroute) für den Radverkehr in die Innenstadt ist dies nicht akzeptabel.

Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund des Urteils zur Fahrradstraße Kleefelder Straße, das klare Anforderungen an die Ausweisung von Fahrradstraßen enthält.

Das Gericht hat deutlich gemacht, dass es (auch) für die Anordnung einer Fahrradstraße der zwingenden Erforderlichkeit gem. § 45 Abs. 9, Satz 1 StVO bedarf. Diese zwingende Erforderlichkeit kann aber grundsätzlich unterstellt werden, wenn es sich – gemäß Neufassung der VwV-StVO - um eine Straße mit einer hohen oder zu erwartenden hohen Radverkehrsdichte oder einer hohen Netzbedeutung für den Radverkehr, in der der Kraftfahrzeugverkehr lediglich untergeordnete Bedeutung hat oder haben soll, handelt. Dies ist in der Langen Laube gegeben.



Die Anordnung kann aber nur dann als rechtmäßig qualifiziert werden, wenn insbesondere die Sicherheit für den Radverkehr eindeutig gegeben ist, oder durch entsprechende Maßnahmen im Vergleich zur Verkehrssituation vor der Anordnung klar verbessert wird. Insgesamt ist dies verbunden mit der Abwägung, ob die Einrichtung der Fahrradstraße sachgerecht und zweckmäßig ist.

Solche Verbesserungen können jedoch auch mit Maßnahmen erzielt werden, die nicht so weit gehen, wie sie vom Gericht speziell für die Kleefelder Straße festgesetzt wurden. Dies wurde im Rahmen der Verhandlung sehr deutlich.

Als Fazit ist festzustellen, dass im Zuge der Anordnung von Fahrradstraßen insb. ein Sicherheitsgewinn für den Radverkehr z. B. durch eine Verminderung der Kfz-Verkehrsstärke erreicht werden sollte (wenn der Kfz-Verkehr weiterhin ausnahmsweise zugelassen werden muss) und ausreichend lange und breite Bereiche vorhanden sein müssen, wo sich die Verkehre (auch nebeneinanderfahrende Radfahrende) konfliktfrei begegnen können.

Auf Grund des Urteils zur Kleefelder Straße hat sich die Verwaltung entschlossen, alle bereits eingerichteten und verkehrsbehördlich angeordneten Fahrradstraßen im Stadtgebiet der LHH hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit im Sinne des Gerichtsurteils des Verwaltungsgerichtes sukzessive zu überprüfen. Sofern sinnvoll und möglich soll die Situation dann jeweils durch geeignete Maßnahmen entsprechend angepasst werden, auch wenn sich aus dem Urteil keine rechtliche Verpflichtung hierzu ergibt, da es sich um eine Entscheidung im Einzelfall handelt.

Dazu wurde auf Basis des Urteils ein Prüfschema entwickelt, mit dem die vorhandenen Fahrradstraßen überprüft werden:


1. Der Radverkehr ist aufgrund von erhobenen Verkehrsdaten als die vorherrschende Verkehrsart in dem zu untersuchenden Straßenabschnitt dokumentiert, oder es handelt sich um eine Straße mit einer hohen Netzbedeutung für den Radverkehr, in der der Kraftfahrzeugverkehr lediglich untergeordnete Bedeutung hat oder haben soll, oder es bestehen Planungen, wie der Radverkehr zur vorherrschenden Verkehrsart werden soll.

2. Es ist zu prüfen, ob der Kfz-Verkehr weiterhin zugelassen werden muss. Gegebenenfalls sind die Kfz-Ströme wesentlich z.B. durch Anordnung von Einbahnstraßenregelungen oder Installieren von sog. Modalfiltern zum Unterbinden der Durchgangs- und Schleichverkehre zu reduzieren.

3. Es sind ausreichend breite Fahrgassen unter der Berücksichtigung von nebeneinanderfahrenden Radfahrenden (auch im Begegnungsfall) anzubieten. Auf Basis des Gerichtsurteils ergibt sich für die Fahrgasse nach der Richtlinie für die Anlage von Stadtstraßen (RAST 06, Ziffer 4.3) eine Breite von 4,00 m im Begegnungsfall (ggf. zzgl. 0,75 m Sicherheitsraum zu parkenden Fahrzeugen). Bei nicht ausreichender Breite der Fahrgasse (und wenn sich diese z.B. aufgrund des sehr hohen Parkdrucks auch nicht überall herstellen lässt) kann dies auch durch ausreichend lange Ausweichstellen in regelmäßigen und nicht zu großen Abständen nach Abwägung der unterschiedlichen verkehrlichen Belange der Verkehrsteilnehmenden ermöglicht werden.


Zusätzlich ist beabsichtigt, alle überprüften und bereits eingerichteten Fahrradstraßen in der Landeshauptstadt Hannover in ihrem Verlauf für den Radverkehr (und damit auch für den Kfz-Verkehr) zu bevorrechtigen. Dies soll neben der vorfahrtregelnden Beschilderung durch Rotmarkierungen der Kreuzungs-/ Einmündungsbereiche den einbiegenden oder kreuzenden Verkehren deutlich gemacht werden. Beispielhaft wurde dies bereits in der Edenstraße in der List und in der Noltestraße in Linden umgesetzt.

Die nach den o.g. Kriterien durchgeführte Überprüfung aller bestehenden Fahrradstraßen wurde sukzessive im gesamten Stadtgebiet durchgeführt und die Ergebnisse –bis auf die Lange Laube- stadtbezirksweise zusammengefasst in Informationsdrucksachen vorgelegt, in denen die notwendigen (verkehrlichen) Maßnahmen zur rechtskonformen Ausgestaltung der sich in den jeweiligen Stadtbezirken befindlichen Fahrradstraßen dargelegt sind, die jetzt sukzessive verkehrsbehördlich angeordnet und umgesetzt werden sollen.

Für die Lange Laube wird eine separate Beschlussdrucksache vorgelegt, da hier für eine rechtskonforme Gestaltung der Fahrradstraße sehr umfangreiche administrative Maßnahmen, wie z.B. die Teileinziehung der Straße, erforderlich werden, die nicht nur rein verkehrsrechtlicher Natur sind

Weiteres Vorgehen in der Langen Laube:

Die wesentlichen verkehrlichen Probleme in der Langen Laube stellen das Parken in der 2. Reihe, der vergleichsweise starke „Besucherverkehr“ sowie das so genannte „Cruisen“ und der starke Parksuchverkehr, gepaart mit der Missachtung der für Fahrradstraßen geltenden besonderen Verkehrsregeln dar. Insbesondere durch das regelmäßige Parken in 2. Reihe wird die Fahrgassenbreite stark eingeschränkt, so dass die verfügbare Fahrgassenbreite nicht ausreichend dimensioniert ist und die Lange Laube ihrer Funktion als bedeutende Fahrradstraße nicht ausreichend gerecht werden kann. Damit sind die aus dem Urteil abgeleiteten rechtlichen Anforderungen an die Einrichtung einer Fahrradstraße als nicht ausreichend erfüllt zu bewerten. Ein Verzicht auf die Ausweisung der Langen Laube als Fahrradstraße ist auf Grund der zentralen Bedeutung der Straße für den Radverkehr aus Sicht der Verwaltung auszuschließen.

Für die Gewährleistung der im Urteil zur Kleefelder Straße formulierten rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Ausweisung von Fahrradstraßen und um insbesondere einen deutlichen Sicherheitsgewinn für Radfahrende in der Langen Laube zu erzielen, wurden drei Varianten für eine verkehrliche Neuordnung untersucht.

Die Varianten 1 und 2 können aus Sicht der Verwaltung nicht ausreichend die aus dem Urteil zur Kleefelder Straße abgeleiteten Anforderungen an Fahrradstraßen erfüllen. Aus diesem Grund empfiehlt die Verwaltung die Umsetzung der nachstehend beschriebenen Variante 3.


V1. Durch eine entsprechende Beschilderung werden auf heutigen Stellplätzen weitere Lieferzonen eingerichtet und zusätzliche Fahrradanlehnbügel vorgesehen, um so das Halten/Parken in 2. Reihe zu minimieren und den Parksuchverkehr zu reduzieren.

V2. Alle vorhandenen Kurzzeitparkplätze werden zu Zeiten der Parkraumbewirtschaftung als Lieferzone ausgewiesen, um so ggf. das Halten/Parken in 2. Reihe und auf der Fahrbahn ganz zu vermeiden und den Parksuchverkehr sehr deutlich zu reduzieren, da kein Stellplatzangebot mehr vorhanden ist.

V3. Die Lange Laube wird als reine Fahrradstraße ausgewiesen. Damit ist allgemeiner Kfz-Verkehr in der Langen Laube nicht mehr zulässig. Zukünftig sind dann nur noch die Zufahrt in die Grundstücke, ggf. in die Behindertenstellplätze und zu den Ladestationen ganztägig sowie der Lieferverkehr zu bestimmten Zeiten zugelassen. Es besteht kein allgemeines Parkangebot im Seitenbereich mehr.

Die bestehenden Stellplätze entfallen und werden teilweise in Lieferzonen umgewandelt, um ausreichend Angebote im Seitenraum zu schaffen, die ein Halten auf der Fahrbahn auch für den Lieferverkehr überflüssig werden lassen. Daneben können die restlichen heute bewirtschafteten Stellplätze anderweitig z.B. für Außengastronomie, Grün/Aufenthalt, Auslagen Einzelhandel, Fahrradbügel etc. genutzt werden. Die Parkscheinautomaten werden zurückgebaut.

Ein Überfahren der Langen Laube im Bereich Lützowstraße / Stiftstraße und Bergmannstraße / Hausmannstraße bleibt (vergleichbar mit den Regelungen in der Limmerstraße) bestehen. Die Ausfahrt aus der Escherstraße West in die Lange Laube wird unterbunden und es wird in der Escherstraße eine Wendeanlage eingerichtet.


Die Planung stellt straßenrechtlich einen so bedeutenden Eingriff dar, dass eine widmungsrechtliche Änderung (Teileinziehung) erfolgen muss.

Die Teileinziehung gemäß § 8 Abs. 1 Niedersächsisches Straßengesetz (NStrG) in der Fassung vom 24. September 1980, zuletzt geändert durch Gesetz vom 29.06.2022 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 420) der uneingeschränkt gewidmeten Straße Lange Laube erfolgt mit dieser Beschlussdrucksache auf ganzer Länge (ca. 380 m) von Münzstraße bis Otto-Brenner-Straße. Durch die Teileinziehung beschränkt sich die zukünftige Widmung auf den Geh- und Radverkehr mit Zufahrt in die Grundstücke frei, ggf. in die Behindertenstellplätze und zu den Ladestationen sowie Lieferverkehr zu bestimmten, von der Straßenverkehrsbehörde festzulegenden Zeiten. Der Querverkehr zwischen Escherstraße und Stiftstraße sowie zwischen Hausmannstraße und Bergmannstraße bleibt wegerechtlich zugelassen. Die nachträgliche Beschränkung der Widmung, also die Teileinziehung, wird aus überwiegenden Gründen des öffentlichen Wohls festgelegt.

Die ortsübliche Bekanntmachung der Absicht der Teileinziehung nach § 8 Abs. 2 NStrG erfolgt nach Beschluss dieser Drucksache. Nach Ablauf einer drei monatigen Frist für Einwendungen erfolgt dann die ortsübliche Bekanntmachung der Teileinziehung.

Unabhängig von der Frage der verkehrlichen Neuordnung der Langen Laube ist geplant, zur Verbesserung der Parkraumsituation für dort Wohnende und zur Reduzierung des Fremdverkehrs im Quartier Lange Laube Bewohnerparken einzuführen. Für Gebietsfremde stehen das Parkhaus Lützowstraße sowie private Parkierungsanlagen zur Verfügung. Zur Einführung des Bewohnerparkens wird ein Konzept erarbeitet, für das zur Einführung eine separate Beschlussdrucksache vorgelegt wird.

Nach Beschluss dieser Drucksache wird das straßenrechtliche Teileinziehungsverfahren durchgeführt. Nach Abschluss des Verfahrens werden die geplanten Maßnahmen umgesetzt. Das Teileinziehungsverfahren wird mindestens 4-5 Monate in Anspruch nehmen.

66.22 
Hannover / 18.09.2023