Empörung über Robert Habecks Frau: Verbreitet Andrea Paluch mit ihrem Kinderbuch „Die besten Weltuntergänge“ Endzeitstimmung?

Empörung über Habecks Frau: Verbreitet Andrea Paluch mit ihrem Kinderbuch Endzeitstimmung?

Paluchs Buch erhitzt zwei Jahre nach Erscheinen die Gemüter. Vor allem, weil die Autorin die Ehefrau von Robert Habeck ist. Im Interview antwortet die Verlegerin auf Kritik.

Die Autorin Andrea Paluch wird für ein 2021 erschienenes Kinderbuch angegriffen. Sie ist mit dem Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck verheiratet.
Die Autorin Andrea Paluch wird für ein 2021 erschienenes Kinderbuch angegriffen. Sie ist mit dem Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck verheiratet.Axel Heimken/dpa

Es läuft derzeit in den sozialen und traditionellen Medien ein Streit über das Buch „Die besten Weltuntergänge“ von Andrea Paluch, das auf zwölf Doppelseiten mit wimmeligen, detailverliebten Bildern von Annabelle von Sperber und kurzen Textblöcken Themen wie „Zurück zur Natur“, „Nach der großen Flut“ und „Leben im Raumschiff“ behandelt. Am heftigsten zeigt sich die Empörung auf dem YouTube-Kanal einer der Neuen Rechten zugeordneten Zeitschrift. Wir fragen die Verlegerin Monika Osberghaus von Klett Kinderbuch, wie sie zu der Debatte steht.

Frau Osberghaus, verstehen Sie, wenn man Weltuntergänge heikel findet?

Na klar, aber da wundern sich nur Erwachsene. Nach meiner Erfahrung sind Kinder katastrophil. Sie denken gern über Katastrophen nach. Deshalb habe ich sogar einen Hang dazu, schlimme Sachen in Bücher zu bringen, weil Kinder wissen, dass es Abgründe im Leben gibt.

Es gibt doch auch Kinder, die sich fürchten!

Wenn sie Angst bekommen, schlagen sie das Buch einfach zu. Kinder sind souveräne Leser. Wenn sie aber unbeaufsichtigt Filme gucken, bei denen sie sich gruseln, ist es für sie viel schwieriger, sich zu lösen, als von einem Buch.

Aber müssen es gleich Weltuntergänge im Buch sein?

Na ja, das ist einfach ein Titel, der Aufmerksamkeit zieht. Er trifft nicht einmal genau. Robert Habeck fand ihn übrigens gut, ich hatte ihn mal am Telefon, als ich eigentlich seine Frau sprechen wollte. Die Vorwürfe knüpfen sich nur an das eine Wort. Der Untertitel, der mit auf dem Cover steht, lautet: „Was wird aus uns? Zwölf aufregende Zukunftsbilder“.

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Susen Heyder/Klett Kinderbuchverlag
Zur Person
Monika Osberghaus, Jahrgang 1962, arbeitete als Buchhändlerin, studierte Kinderliteratur und betreute jahrelang die Kinderbuchseiten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Für die dtv-Reihe Hanser schrieb sie die Kinderliteraturführer „Was soll ich denn lesen?“ und „Schau mal!“. Heute ist sie die Verlegerin von Klett Kinderbuch.

Können Sie etwas zur Entstehung sagen? Hat Andrea Paluch es Ihnen angeboten?

Nein, ich habe sie angesprochen. Sie war mir als Kinderbuchautorin, Pädagogin und Mutter in einer Radiosendung aufgefallen, weil sie so gut erzählte und argumentierte. Als ich die Idee zu dem Buch hatte, war Greta Thunberg gerade berühmt geworden als das Mädchen mit dem Schulstreik. Damals deutete sich das Thema auf dem Kinder- und Jugendbuchmarkt an, es erschienen lauter Bücher zur Klimakatastrophe. „Wie rette ich die Umwelt?“, „Wie sorge ich für die Bäume?“ – so in der Art. Auf der Kinderbuchmesse in Bologna war der Trend überdeutlich. Damals gab es diese Greta-Bücher, man sah auf vielen Covern Mädchen mit Zöpfen. Das war mir regelrecht unangenehm.

Wieso unangenehm?

Die Kinder sollen sich plötzlich kümmern, dabei haben wir Erwachsene es doch vermasselt. Wir brauchen vielmehr ein Buch, dachte ich, das Fragen stellt: Was wollen wir, was wollen wir nicht für die Zukunft? Welche Möglichkeiten gibt es, etwas zu verändern oder sich darauf einzustellen? Ich möchte das eigene Denken fördern und nicht auf eine Richtung festnageln. Ich nenne solche Bücher bei uns immer „Hirnanknipser“-Bücher. Andrea Paluch hat in verschiedene Richtungen recherchiert, sich mögliche Szenarien überlegt und ihre Fantasie spielen lassen.

Einiges ist nah an der Realität, dass man zum Beispiel Vitamin-D-Tabletten schluckt, wenn zu wenig Sonnenlicht da ist.

Viel näher an der Realität ist die Doppelseite mit der Seuche. Als das Buch fast fertig war, kam Corona. Das haben wir noch aufgenommen. Durch Covid haben wir Weltuntergangsstimmung in Echtzeit erlebt. Im Februar 2022, als Russland den Krieg gegen die Ukraine begann, war das Buch schon erschienen. Krieg kommt gar nicht vor. Wir wollten bewusst nicht die allerschlimmsten Vorstellungen schüren, wir haben lieber mit abstrusen Ideen experimentiert – etwa dem Umzug von der Erde in Raumschiffe. Oder mit schönen Ideen, meine liebste ist die Welt ohne Grenzen.

Wie haben Sie die Illustratorin ausgewählt? Die wenigsten Bilder sind düster.

Annabelle von Sperber steht sonst eher für liebliche, freundliche Illustrationen. So etwas wollte ich. Ich wollte Bilder, in denen man schwelgen kann, etwas Opulentes, nicht nur das Düstere. Die Leute, die jetzt schimpfen, sehen nur das Cover und den Titel.

Eine Doppelseite aus dem Buch „Die besten Weltuntergänge“
Eine Doppelseite aus dem Buch „Die besten Weltuntergänge“Annabelle von Sperber/Klett Kinderbuchverlag

Wie ist die Aufregung über Sie gekommen?

Ich weiß es nicht genau, es hat wohl mit einem dieser Verschwörungsschwurbler zu tun, der es in einer Online-Radiosendung thematisiert hat. Dann wurde die Plattform Kinderbuch-Couch mit negativen Kommentaren zum Buch geflutet. Schließlich hat es die Bild-Zeitung aufgegriffen, dann ging es los mit den bösen Mails.

Auf dem tendenziösen Video geht es gegen Bündnis 90/Die Grünen, als wäre das Buch eine Parteipublikation. Springen diese Kritiker mehr auf das Thema an oder auf die Tatsache, dass die Autorin die Frau des Bundeswirtschaftsministers und Vizekanzlers ist?

Beides zusammen. Das Video, aufgemacht wie eine Nachrichtensendung, ist eine widerliche Instrumentalisierung und hat nichts mit unserem Buch zu tun. Ich habe übrigens nicht im Verlagskatalog und schon gar nicht irgendwo im Buch darauf hingewiesen, mit wem Andrea Paluch verheiratet ist. Sie ist eine eigenständige Autorin. Mit Robert Habeck zusammen hat sie früher schon Kinder- und Jugendbücher und Romane geschrieben. Die fiesesten Kommentare arbeiten sich an Habeck ab. Fäkalsprache, dumme Sprüche unter der Gürtellinie, richtig schlimmes Zeug. Es melden sich auch erboste Lehrer, die nie wieder ein Schulbuch von Klett kaufen wollen; dabei sind wir gar nicht der Klett-Schulbuchverlag. Alles nur, weil wir angeblich den Kindern Angst einjagen. Allerdings marschiert ja in der Regel kein vierjähriges Kind in die Buchhandlung und sucht sich gezielt die „Weltuntergänge“ aus.

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Klett Kinderbuch
Das Buch
Andrea Paluch (Text), Annabelle von Sperber (Illustration): Die besten Weltuntergänge. Was wird aus uns? Zwölf aufregende Zukunftsbilder. Klett Kinderbuch, Leipzig 2021. Ab 8 Jahren. 32 Seiten, 16 Euro

Es ist ohnehin erst für Kinder ab acht Jahren empfohlen.

Außerdem werden Kinderbücher in der Regel von Erwachsenen gekauft, die Kinder werden beim Lesen und Betrachten begleitet. Der Kontakt mit Büchern ist nicht so ungeschützt, wie es oft mit Handys oder Tablets vorkommt, wenn schon Grundschulkinder Pornos sehen.

Haben Sie schon mal einen Shitstorm erlebt?

Ja, und ich dachte inzwischen, das sei vorbei. Der Bauernverband hat uns im Jahr 2019 wegen „Alles lecker“ angegriffen, weil dort Massentierhaltung abgebildet wurde. Ich habe auch kleinere Kampagnen von links erlebt, wenn gezählt wurde, ob genug nicht weiße Kinder in unseren Büchern auftauchen. Oder ich wurde persönlich angegriffen, weil ich Alice Schwarzers Zeitschrift Emma ein Interview gegeben habe. Es sind heutzutage sehr strenge Menschen unterwegs auf der Seite der Identitätswächter. Uns hilft die Aufregung übrigens: Die zweite Auflage der „Weltuntergänge“ lag eine Weile still im Lager, nun wird sie munter verkauft.