Friede Springer: "Ich wollte es dem Herrn Kirch beweisen" - WELT
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Panorama Friede Springer

"Ich wollte es dem Herrn Kirch beweisen"

Autorin
Friede Springer / Journalistenclub Friede Springer / Journalistenclub
Friede Springer gibt nur sehr selten Interviews. Jetzt sagt sie über Axel Springer: "Für andere ist er eine Person der Zeitgeschichte. Für mich ist er gegenwärtig, nach wie vor"
Quelle: Reto Klar
Am 2. Mai 2012 wäre der Verleger Axel Springer 100 Jahre alt geworden. Seine Frau Friede öffnet deshalb ihr privates Fotoalbum und spricht im Interview über ihre Ehe mit einem Visionär und dessen Erbe.

Welt am Sonntag: Vor 100 Jahren wurde Ihr Mann geboren. Es muss seltsam für Sie sein, dass der Mann aus Fleisch und Blut, den Sie kannten und liebten, nun eine Person der Zeitgeschichte geworden ist, die fast jeder Deutsche beim Namen kennt – Axel Springer.

Friede Springer: Für andere ist er eine Person der Zeitgeschichte. Für mich ist er nach wie vor gegenwärtig, nach wie vor. Jeden Tag denke ich an ihn und träume immer wieder von ihm.

Welt am Sonntag: Er ist bei Ihnen?

Friede Springer: Er ist bei mir. Ich lebe nach wie vor mit ihm.

Welt am Sonntag: Axel Springer hatte wohl ein herzliches Verhältnis zum Vater und vergötterte die Mutter Ottilie, eine Goethe-Liebhaberin. Das Elternhaus war hanseatisch-bürgerlich, eine Verlegerfamilie, liberal im Geiste. Das Motto der Mutter: „Das Leben ist nichts als ein Weg, um etwas zu werden.“ Ihr Vater war Gärtnermeister einer Baum- und Rosenschule auf der Nordseeinsel Föhr. Wer und was hat Sie geprägt?

Friede Springer wurde am 15. August 1942 in Oldsum auf der Insel Föhr als Friede Riewerts. Sie war die Tochter eines Gärtners und einer Hauswirtschaftsleiterin
Friede Springer wurde am 15. August 1942 in Oldsum auf der Insel Föhr als Friede Riewerts geboren. Sie war die Tochter eines Gärtners und einer Hauswirtschaftsleiterin (hier ein Bi...ld aus dem Jahr 1969 auf Sylt)
Quelle: privatarchiv friede springer

Friede Springer: Axel Springer hatte ein gutes Verhältnis zum Vater, aber kein herzliches. Die wichtigste Person war eindeutig die Mutter. Sie war die bestimmende Person, den von Ihnen zitierten Spruch schrieb sie anlässlich seiner Konfirmation in Axels Gesangbuch. Für mich war mein Vater die wichtigste Person. Er war streng, aber ich habe ihn verehrt. Wir mussten früh mithelfen in der Gärtnerei. Meine Mutter war hundert Prozent Liebe, sie tat alles für uns fünf Kinder. Ich komme aus einer intakten Familie und habe gute Erinnerungen an meine Kindheit und Jugend.

Welt am Sonntag: Sie wollten immer weg von der Insel, warum?

Friede Springer: Das war so, auf der Insel konnte man einfach nichts werden. Alleine aus der Klasse meines älteren Bruders gingen fast alle in die USA. Es gab keinen anderen Weg, um etwas aus seinem Leben zu machen. Trotzdem liebe ich die Insel Föhr.

Welt am Sonntag: Sie waren eine junge Erwachsene in einer Zeit, die man die Swinging Sixties nennt. Es gibt Fotos, da sehen Sie mit Ihrer blonden Mähne aus wie ein Model, geradezu mondän. Wie waren Sie damals? Sie lebten in London, in einer Freundinnen-Wohngemeinschaft in Madrid, in Gstaadt. Was haben Sie gelesen, welche Musik haben Sie gehört?

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Friede Springer: Natürlich habe ich die Beatles gehört. Ich verehre sie nach wie vor. Das ist meine Generation, Paul McCartney wird dieses Jahr auch 70 (lacht). Ich liebe ihre Musik und habe alle CDs. Und mein Lieblingslied ist nach wie vor „Yesterday“. Ich bin ein Kind dieser Zeit, habe London geliebt.

In Madrid lebte ich mit einer Freundin im Haus ihrer Tante. Wir haben das Leben genossen, feierten Partys, hatten tolle Freunde, kauften schöne Klamotten, trugen Minirock und lange Haare. Das gehörte dazu. Aber wir haben keine Drogen genommen, sind nie auf die schiefe Bahn geraten, waren auch nicht politisch. Nein, es war einfach eine unbeschwerte, fröhliche Zeit. Ach, und ich las, was ich in die Hände bekam: besonders die großen Amerikaner: Steinbeck und Hemingway. Bücher gehören für mich zum Wichtigsten im Leben.

Der Mann von Welt und die junge Frau

Welt am Sonntag: Und dann wurden Sie Erzieherin, erst beim Kieler Bürgermeister Hans Müthling, dann lange bei einer Familie im Rheinland und schließlich im Hause Springer in Hamburg, nachdem Sie eine Anzeige in der „Welt am Sonntag“ gelesen hatten. Sie erinnern sich wie im Brennglas an die erste Begegnung mit Axel Springer.

1965 wurde sie das Kindermädchen im Hause Springer
1965 wurde sie das Kindermädchen im Hause Springer. Sie und Axel Springer verliebten sich kurz darauf ineinander
Quelle: privat

Friede Springer: Ich stand in der apfelgrünen Halle des Hauses und er kam die Treppe herunter. Er zögerte, kam dann langsam auf mich zu, gab mir die Hand, ging danach zum Auto, das mit Chauffeur vorm Haus auf ihn wartete. Diesen ersten Blick werde ich nie vergessen.

Welt am Sonntag: Axel Springer, der Frauenheld, gerade die vierte Ehe in der Krise, verguckt sich in Sie. Das hat Sie lange irritiert, oder?

Friede Springer: Nein, überhaupt nicht. Unser Verhältnis war zuallererst geprägt durch sein Interesse am kleinen Sohn, den ich betreute. Das schob er immer vor, wenn er mich anrief oder wir uns trafen. Er wollte alles über seinen Sohn wissen und fragte mich manchmal um Rat. Ich realisierte gar nicht, dass er eigentlich mich meinte.

Erst als er mich dann einmal, als ich freihatte, mit dem Hubschrauber auf Föhr besuchen kam, da dachte ich dann schon: Hallo, hallo?! So zart fing das an. Er hat richtig um mich geworben, sich für alles, was ich machte, tat und dachte, interessiert, auch für meine Familie. Er verhielt sich ganz vorsichtig und war galant. Das hat mich unglaublich beeindruckt.

Vor der Hochzeit im 1978 waren Friede und Axel Springer schon elf Jahre ein Paar
Vor der Hochzeit im Jahr 1978 waren Friede und Axel Springer schon elf Jahre ein Paar
Quelle: privat
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Welt am Sonntag: Da waren die Stimmen derer, die in Ihnen nur eine weitere Affäre sahen. Man nannte Sie „Fräulein Riewerts“. Hat Sie das verletzt?

Friede Springer: Nein. Ich mochte meinen Namen Riewerts. Wir waren elf Jahre zusammen, bevor wir geheiratet haben.

Welt am Sonntag: Wilde Ehe war in konservativen Kreisen damals verpönt. Und zugleich lebten Sie in einer Zeit der gesellschaftlichen Umbrüche, des anything goes, der Respektlosigkeit der Jugend den Älteren gegenüber. Sie beschreiben die zarten Bande zwischen sich und Ihrem späteren Mann als etwas Besonderes.

Friede Springer: Wir haben uns so gut verstanden, nie gab er mir das Gefühl, nur eine Affäre zu sein. Klar, ich war schüchtern, still, zurückhaltend. Aber nie war ich nur Geliebte, ich lebte schließlich mit ihm in seinen vielen Häusern, ich gehörte dazu, ich wurde geachtet. Als Axel Springer 1978 dann zu mir sagte: „Ich kann dieses Fräulein Riewerts nicht mehr hören. Wir heiraten!“, kam das so überraschend, dass ich fast vom Stuhl fiel.

Welt am Sonntag: Was liebte und schätzte Axel Springer besonders an Ihnen?

Friede Springer: Ich kümmerte mich hundert Prozent um ihn, das gefiel ihm. Ich war eine gute Zuhörerin und ich lernte dazu. Das Verlagsgeschäft habe ich am Frühstückstisch, am Mittagstisch und beim Abendessen mit aufgesogen. Im Urlaub lasen wir gemeinsam Bücher und unterhielten uns darüber. Das kannte er nicht, dass sich jemand derartig mit ihm auseinandersetzte und beschäftigte, intensiv und auf gleicher Augenhöhe.

Auf dem Zenit seiner Macht: der Unternehmer

Welt am Sonntag: Axel Springer, der „geborene Verleger“, wie ihn Tim von Arnim in seinem neuen Buch über Ihren Mann nennt, war in den 60ern schon auf dem Zenit seiner Macht. Er hatte nach dem Ende des Krieges instinktschnell gehandelt, „Bild“ und „Hörzu“ erfunden, dazu „Hamburger Abendblatt“ kreiert und die „Welt“ gekauft. Er verdiente viel Geld und seine Zeitungen erschienen in Millionenauflage. Axel Springer war Deutschlands erfolgreichster Verleger mit europäischer Ausstrahlung. Wie ging er damit um?

Axel Springer hat den Zeitungsmarkt in der Nachkriegszeit revolutioniert. So sah die letzte Seite der ersten Ausgabe der "Bild"-Zeitung aus
Axel Springer hat den Zeitungsmarkt in der Nachkriegszeit revolutioniert. So sah die letzte Seite der ersten Ausgabe der "Bild"-Zeitung aus
Quelle: Archiv

Friede Springer: Er war nicht größenwahnsinnig, wie man vielleicht denken könnte. Er hat das einfach so hingenommen, hielt es für selbstverständlich. Er war nun einmal ein Mann mit Fortüne. Als er Ende der Fünfziger in Berlin mit der Ullstein-Familie verhandelte, wurde er von ihr „König Midas“ genannt. Was er anfing, wurde zu Gold. Das beschreibt seinen Erfolg sehr gut. Schließlich hat er das Zeitunglesen neu erfunden.

Die letzte Seite war doch früher der Platz für Todesanzeigen gewesen. Dort führte er das Vermischte ein. Er studierte genau, wie die Leute lesen wollten. Aha! Viele lasen das Titelblatt und drehten einfach um zur letzten Seite. So wurde später die „Bild“-Zeitung erfunden. Das war eine kleine Revolution.

Welt am Sonntag: Sprach er viel über die Vergangenheit? Die Zeit im Nationalsozialismus, die er und seine Familie mit Anstand überstanden hatten? Seine Scham über die Verbrechen der Nazis und seine Sehnsucht nach Versöhnung mit den Juden?

Warum ihre Beziehung so gut funktionierte? Friede Springer fasst es so zusammen: "Ich kümmerte mich hundert Prozent um ihn, das gefiel ihm. Ich war eine gute Zuhörerin und ich lernte dazu". Vor ihr Beziehung mit Springer waren bereits vier Ehen des Verlegers gescheitert
Warum ihre Beziehung so gut funktionierte? Friede Springer fasst es so zusammen: "Ich kümmerte mich hundert Prozent um ihn, das gefiel ihm." Vor ihrer Beziehung mit Springer waren ...bereits vier Ehen des Verlegers gescheitert
Quelle: privat

Friede Springer: Später, als er mehr zur Ruhe kam, nicht mehr von den Verlagsgeschäften so absorbiert war, da hat er sich intensiver mit der Nazi-Zeit beschäftigt. Er erzählte mir, wie die Mutter am Mittagstisch ihr Entsetzen über damalige Freundinnen zeigte, die sich sofort nach der erzwungenen Auswanderung von Juden wie Hyänen über den zurückgelassenen Besitz warfen, um billig an alles zu kommen. Das fand die Familie entsetzlich.

Wegen einer Bauchspeicheldrüsen-Entzündung war Axel Springer nicht eingezogen worden. Er hatte vor dem Musterungstermin schwere Koffer geschleppt, um noch schwächer zu wirken. „Für den Hitler gehe ich nicht in den Krieg“, sagte er damals. Die Familie hatte jüdische Freunde und Kunden gehabt. Dass man später bei Axel Springer diese Klarheit und innere Haltung nicht besser würdigte, finde ich traurig.

Welt am Sonntag: Ihr Mann war ein moralischer und ein politischer Mensch. Ende der 50er-Jahre war er ja nach Moskau gereist, um mit Chruschtschow über die deutsche Einheit zu verhandeln. Ergebnislos. Das hat ihn ernüchtert, aber nicht entmutigt, obwohl Bundeskanzler Adenauer entsetzt war über diese eigenmächtige Aktion. Später galt seine ganze Liebe dem Staat Israel. Hat er da mehr erreicht?

Bekenntnis zu Israel: Der ehemalige Bürgermeister Jerusalems, Teddy Kollek (Mitte), geht im Jahr 1967 gemeinsam mit Axel C. Springer durch die Gassen der Altstadt
Bekenntnis zu Israel: Der ehemalige Bürgermeister Jerusalems, Teddy Kollek (Mitte), geht im Jahr 1967 gemeinsam mit Axel C. Springer durch die Gassen der Altstadt
Quelle: picture alliance

Friede Springer: Man muss sagen, dass das politische Interesse meines Mannes auch erst langsam gewachsen war. Der Einmarsch der Russen in Ungarn erschütterte ihn, auch der Aufstand der Arbeiter 1953 in Ost-Berlin. Die Teilung Deutschlands fand er unerträglich. Dass 16 Millionen Deutsche in Unfreiheit lebten, ging ihm gegen den Strich. Darüber sprach er besonders mit dem alten Sozialdemokraten Herbert Wehner.

Wie Chruschtschow ihn dann in Moskau abfahren ließ, wie die Sowjets ihre hässliche Fratze zeigten, das hat er so nicht erwartet und war entsprechend entsetzt. Danach fing sein Kampf gegen den Kommunismus und die Sowjets erst richtig an. Moskau war für ihn eine Erweckung gewesen. Später in Berlin sprach er viel mit dem damaligen Bürgermeister Willy Brandt und fühlte sich ihm auch verbunden. Beide etwa gleich alt.

Und mein Mann meinte, Brandt sei sein idealer Kompagnon. Leider hielt diese Freundschaft nicht. Israel war meinem Mann eine Herzensangelegenheit. Er war der erste Nicht-Politiker, der sich so sehr für Israel engagierte. Israel habe ich zusammen mit ihm kennen- und lieben gelernt. Ich fühle mich dem Heiligen Land eng verbunden.

Berlin, die deutsche Frage und 68

Welt am Sonntag: Bald wechselten Sie beide von Hamburg nach Berlin, der ganz anderen Insel. Das Verlagshaus direkt an der Mauer war 1966 eingeweiht worden, eine Provokation der DDR-Machthaber, in Stein gegossen. Für Axel Springer gab es keinen deutscheren Ort als die geteilte Hauptstadt. Fühlten Sie sich als Norddeutsche auch wohl?

Friede Springer ging in bei ihrem Mann in die harte Schule. Im Interview sagt sie: "Das Verlagsgeschäft habe ich am Frühstückstisch, am Mittagstisch und beim Abendessen mit aufgesogen"
Friede Springer ging bei ihrem Mann in die harte Schule. Im Interview sagt sie: "Das Verlagsgeschäft habe ich am Frühstückstisch, am Mittagstisch und beim Abendessen mit aufgesogen..."
Quelle: privat

Friede Springer: Das war eine große Veränderung, aus dem schönen Hamburg ins geteilte Berlin zu ziehen. Ich musste mich schon erst eingewöhnen. Mein Mann sagte immer: Hamburg ist wie eine schöne Frau, die man bewundert, aber nicht liebt. Und Berlin ist eine Frau mit Sommersprossen, aber es ist die große Liebe.

Viele dachten nach Axel Springers Tod, ich würde wieder nach Hamburg gehen. Keine Sekunde dachte ich daran. Hier bin ich zu Hause, hier will ich bleiben. Und in gewisser Weise ist Berlin immer noch eine Insel, es gibt hier viele Seen, Wasser, sodass ich mich als Norddeutsche wohlfühle. Wir wohnten auf Schwanenwerder an der Havel, noch so eine Insellage! Axel Springer und ich sind immer wieder mit dem Boot auf dem Wannsee gefahren, wir sind durch den Grunewald gelaufen und genossen die Stille und Schönheit. Mein Mann wollte immer ins Grüne.

Welt am Sonntag: Ihr Mann und die DDR standen auf Kriegsfuß. Und doch ließ man ihn am 26.6.1980 nach Potsdam, was kaum jemand weiß. Er wollte sich Sanssouci anschauen. Es gibt Fotos, da geht er mit grimmigem Gesicht durch Potsdamer Straßen. Und in Ihrem Falle? Waren Sie denn jemals in der DDR?

Friede Springer: Zwei Jahre vor dem Fall der Mauer! Bei einer Gala der „Goldenen Kamera“ saß ich am Tisch mit dem damaligen Außenminister Hans-Dietrich Genscher. Ihm erzählte ich, dass ich noch nie in der DDR gewesen sei. Da sagte er: „Das geht nicht! Ich nehme Sie mit zu den Händelfestspielen in Halle!“ Ich dachte, ach ja, typisch Politiker, das vergisst der ganz bestimmt. Doch Genscher rief mich im Mai dann an und sagte, „Frau Springer, es ist so weit: Kommen Sie mit?“ Ich sagte: „Klar.“

Mit Friede fand Springer sein privates Glück. Beruflich war er ein "Mann mit Fortüne", wie seine Witwe sagt. "Was er anfing, wurde zu Gold". Doch nicht jeder gönnte ihm dies – im Gegenteil. Springer machte sich viele Gedanken darüber, warum sein Erfolg so abgelehnt wurde
Mit Friede fand Springer sein privates Glück. Beruflich war er ein "Mann mit Fortüne", wie seine Witwe sagt. "Was er anfing, wurde zu Gold". Doch nicht jeder gönnte ihm dies – im G...egenteil. Springer machte sich viele Gedanken darüber, warum sein Erfolg so abgelehnt wurde
Quelle: privat

Welt am Sonntag: Aber das Regime hätte eine Frau Springer doch niemals einreisen lassen?

Friede Springer: Ich will Ihnen sagen, wie wir das deichselten. Ich flog von Berlin nach Köln/Bonn. Dann sind wir mit Herrn Genschers Dienstwagen über Herleshausen eingereist. Zuvor, an der Grenze, drehte er sich um, seine Frau und ich saßen hinten, und sagte: „So, ihr zwei, kein negatives Wort mehr über die DDR. Wir werden hier mit Richtmikrofonen abgehört.“ Wir waren dann fünf Tage im Juni unterwegs, in seiner Heimatstadt Halle, in Leipzig, in Eisenach. Links und rechts und vor und hinter uns immer kleine graue Autos.

Genscher hat mir die DDR gezeigt, doch das ganze Wochenende goss es. Ich fand alles so leer und verfallen, und im Hotel roch es schrecklich. Zurück fuhr ich dann über Potsdam nach Berlin, eine sehr eindrucksvolle Reise. Selbst das Gras im Westen kam mir grüner vor als in der DDR.

Im darauffolgenden September, in der Vollversammlung der Uno, wurde Genscher von Oskar Fischer, dem damaligen DDR-Außenminister, angeranzt: „Herr Genscher, wie konnten Sie nur die rechtsradikale Friede Springer mit in die DDR nehmen?!“ Jedes Mal, wenn mich Genscher danach sah, sagte er: „Haben wir denen nicht mal richtig eins ausgewischt?“

Während der Bauarbeiten des Berliner Verlagshauses legt Axel Springer einen Kranz an der Mauer ab
Während der Bauarbeiten des Berliner Verlagshauses legt Axel Springer einen Kranz an der Mauer ab
Quelle: Joachim Wieczorek

Welt am Sonntag: Ihr Mann soll oft an diesem Fenster hier gestanden und auf den Todesstreifen geschaut haben. Sie stehen nun hier und blicken auf eine freie, wiedervereinte Stadt, eine Stadt, die auch boomt.

Friede Springer: An dem Tag, als die Mauer fiel, fand im Verlagshaus gerade die Verleihung „Das Goldene Lenkrad“ statt, und ich saß mit dem Regierenden Bürgermeister Walter Momper zusammen. Da kam unser Verlags-Sprecher gerannt und rief: „Die Mauer ist offen!“ Walter Momper, gerade Messer und Gabel in der Hand, ließ das Besteck fallen und sagte: „Was mache ich jetzt bloß?“

Ich sagte: „Sie müssen ins Schöneberger Rathaus!“ Er wirkte so hilflos und überwältigt. Ich bin im Verlagsgebäude geblieben und wir sahen von den oberen Stockwerken die Trabikolonnen. Eine unvergessliche Nacht!

Am nächsten Tag fuhr ich von Schwanenwerder in den Verlag. Auf der Avus hatte sich ein kleiner Trabi verfahren. Wir Autofahrer alle um ihn herum, „Wohin wollen Sie, wir helfen Ihnen!“ Er war ganz verschüchtert. In diesem November war so schönes Wetter, die Sonne schien und Millionen Menschen waren damals unterwegs in der Stadt. Unvergesslich, dass man Geschichte so hautnah erleben konnte.

Wie gerne hätte ich meinem Mann in diesen Tagen sagen wollen: „Axel, die Mauer ist weg!“ Später schüttelten mir viele, die uns nicht gemocht hatten, warm die Hand. „Ihr Mann hatte doch recht.“ Das tat mir gut. Wenn ich daran denke, wie sehr Axel Springer diese neu zum Leben erwachte Stadt genossen hätte, wie gerne wäre er unter den Linden flaniert, über den Gendarmenmarkt geschlendert und hätte die Museumsinsel mit all den Schätzen entdeckt. Unvorstellbar schön wäre das gewesen.

Ablenkung von dem hektischen Unternehmensalltag fand das Paar auf der griechischen Insel Patmos. Dort konnten sie fern vom Sicherheitspersonal für sich sein. Friede Springer sagt über die Aufenthalte: "Er saß in der Küche, während ich kochte. Ganz normal. Und dann aß er so schnell wie ein Staubsauger"
Ablenkung von dem hektischen Unternehmensalltag fand das Paar auf der griechischen Insel Patmos. Dort konnten sie fern vom Sicherheitspersonal für sich sein. Friede Springer sagt ü...ber die Aufenthalte: "Er saß in der Küche, während ich kochte. Ganz normal. Und dann aß er so schnell wie ein Staubsauger"
Quelle: privat

Welt am Sonntag: Der Optimismus Axel Springers, der unbedingte Glaube an die Einheit Deutschlands, wird heute gelobt und oft auch als Selbstverständlichkeit angesehen. Damals aber wurde Ihr Mann wie kaum einer in Deutschland zur Hassfigur, zum Buhmann, wie er selber sagte. Die Studenten bekämpften ihn, weil seine Zeitungen mit teilweise auch drastischen Worten die Studentenunruhen und deren Linksradikalismus ablehnten. Aber auch Verleger wie Augstein, Bucerius, einst ein Freund, oder Jahr sen., die dem Konkurrenten den Erfolg vielleicht neideten und ihm monopolistische Tendenzen vorwarfen, traten gegen ihn an. Sie wollten seinen Verlag zerschlagen sehen. „Seine Feinde waren ihm nie egal“, sagt Peter Tamm, langjähriger Geschäftsführer und Vorstand im Verlag. Wie wurde Ihr Mann mit allem fertig?

Friede Springer: Das war schwierig. Er hat sich viele Gedanken darüber gemacht, warum sein Erfolg so abgelehnt wurde. Es wurde ja immer behauptet, er hätte zu viel Einfluss und zu viel Macht. Das empfand er nicht so. Und doch musste er dann Teile des Verlages verkaufen, die großen, erfolgreichen Zeitschriften wie „Eltern“ und „Jasmin“, im Rheinland den „Mittag“. In den 60ern konnten wir noch ungehindert spazieren gehen, niemand erkannte meinen Mann. Langsam wurde das anders. Auf jeder Brücke, an jeder Hauswand, stand irgendwann: „Enteignet Springer!“

Welt am Sonntag: Tiefpunkt des Jahres 1968 war der studentische Angriff auf das Berliner Verlagshaus, am Gründonnerstag. Die Parole „Enteignet Springer“ hatte die Stasi kreiert, die Ihren Mann bis aufs Blut hasste.

Friede Springer: Das war der Tiefpunkt. Wir kamen gerade aus Amerika zurück, wo Axel Springer einen nach seiner Mutter benannten Lehrstuhl an der Brandeis University bei Boston gestiftet hatte. Wir blieben in Hamburg, weil die Sicherheitsleute uns abrieten, nach Berlin zu fliegen. Peter Tamm hielt dort die Stellung.

Ernst Cramer
Ernst Cramer
Quelle: Goetz Schleser/Axel Springer Verlag

Welt am Sonntag: Ernst Cramer, der langjährige Weggefährte Ihres Mannes und auch Ihr Freund bis zu seinem Tod vor zwei Jahren, sagte 2008 versöhnend in einem Gespräch mit dem Schriftsteller Peter Schneider, Springer hätte in Rudi Dutschke zwar einen Zerstörer aller demokratischen Werte gesehen, aber den deutschen Patrioten in ihm verkannt. Damals war Ihr Mann hart in seiner Kritik. Würde er heute anders auf diese Zeit blicken, gemäßigter, wie Ernst Cramer oder auch Peter Boenisch, der sich später für manche Überschrift der „Bild“ entschuldigte?

Friede Springer: Eines ist sicher: Er war ein sensibler, mitfühlender Mensch. Es fiel ihm nicht schwer, sich zu entschuldigen. Er konnte auch schnell verzeihen. Sicher täte ihm vieles leid. Einmal sagte er ja auch im Laufe eines Ben-Witter-Interviews, manchmal fiele er vor Schreck aus dem Bett, wenn er die Überschriften seiner Blätter läse. So war er. Er war sehr emotional.

Welt am Sonntag: 1967 formulierte Ihr Mann Grundsätze, die für jeden Mitarbeiter des Hauses galten und heute noch gelten, er selbst nannte sich scherzend einen „Radikalen der Mitte“. Wieso fand er nicht mehr Anhänger in der Bundesrepublik?

Friede Springer: Er hatte sicher mehr Anhänger, als man heute denkt. Und selbst ausgewiesene Gegner, wenn sie denn mit ihm geredet hatten, drehten sich oft an der Tür noch einmal um und sagten: „Ach, Herr Springer, eines muss ich Ihnen noch sagen. Sie sind ja so ganz anders, als ich es mir vorstellte!“

Er war unglaublich charmant, liebevoll und voller Fröhlichkeit. Er hatte ein Gefühl für andere, konnte sich in sie hineinversetzen. Er war auch ein sehr sozialer Unternehmer. Früher kannte er die Familiengeschichten seiner Angestellten, und seine besonderen Freunde waren natürlich die Taxifahrer. Jeder Fahrer in Berlin bekam eine schöne Armbanduhr bei der Einweihung des Verlagshauses.

„Wir gehen zu Axel“, sagten sie immer in der Taxizentrale. Viele große Unternehmen waren nach dem Mauerbau abgewandert, er aber war in die Stadt gekommen und hatte hier investiert.

Friede war immer an seiner Seite, auch als er der Lieblingsfeind der 68er war. Als im April 1968 in Berlin ein Hilfsarbeiter dreimal auf Rudi Dutschke schoss und den charismatischen Führer der Studentenbewegung lebensgefährlich verletzte, zogen am Abend aufgebrachte Demonstranten mit den Rufen „Springer, Mörder!“ zur Springer-Zentrale nach Kreuzberg und versuchten, die Auslieferung der „Bild“-Zeitung zu verhindern
Friede war immer an seiner Seite, auch als er der Lieblingsfeind der 68er war. Als im April 1968 in Berlin ein Hilfsarbeiter dreimal auf Rudi Dutschke schoss und den charismatische...n Führer der Studentenbewegung lebensgefährlich verletzte, zogen am Abend aufgebrachte Demonstranten mit den Rufen „Springer, Mörder!“ zur Springer-Zentrale nach Kreuzberg und versuchten, die Auslieferung der „Bild“-Zeitung zu verhindern
Quelle: privat

Welt am Sonntag: Nicht nur die Studentenunruhen hatten an Ihrem Mann genagt, seine Gesundheit war angeschlagen. Auch die RAF hatte ihn auf ihrer Killerliste, in den 70ern bekamen Sie Polizeischutz, der Bankier Ponto und Arbeitgeberpräsident Schleyer wurden ermordet. Wie erinnern Sie sich an diese Zeit?

Friede Springer: Diese Jahre waren hart, wirklich schlimm. Alles musste man planen, nie konnten wir spontan irgendwohin, weder ins Theater noch in eine Ausstellung oder einfach nur spazieren gehen. Das war belastend. Selbst unseren Bungalow an der Havel mussten wir verlassen und später abreißen, weil wir Drohbriefe bekamen, sogar meine Eltern. Darunter hat mein Mann am meisten gelitten, dass seine Lieben in Gefahr waren.

Wir waren gerade in Norwegen in einer kleinen Hütte, als wir die Nachricht erhielten, man habe Jürgen Ponto erschossen. Mein Mann saß schlaflos die ganze Nacht draußen. Das Attentat hatte ihn tief getroffen, wir kannten Ponto und seine Frau Ignes gut. Später kümmerte er sich sehr um Ignes. Und dass eine Attentäterin ein Patenkind Pontos gewesen war, erschütterte ihn umso mehr: „Wenn alles dann auch noch in die Familie geht …“

Der Mann und Mensch

Welt am Sonntag: Die Geschichte hat Ihrem Mann recht gegeben: Wir haben heute die Einheit, Berlin ist Hauptstadt und auch die Sowjetunion ist nicht mehr. Woher hat Axel Springer die Kraft genommen, sich gegen die damalige Stimmung zu stellen? Er war Moralist, aber auch ein Zweifelnder, ein Unentschiedener.

Friede Springer: Er hatte ein Ziel: das Beste für sein Vaterland zu erreichen. Aber auch für das russische Volk. Unsere beste Freundin Irina war Russin, die Eltern stammten aus Sibirien. Sie musste uns immer davon erzählen. Gemeinsam waren wir auch bei Solschenizyn in Vermont.

Unvergesslich dieser Tag. Wie die beiden Männer sich ähnlich sahen, die gleiche Figur, die gleiche Moral. Das baute meinen Mann innerlich unglaublich auf. Immer wieder fand er Menschen, die auf einer Wellenlänge waren mit ihm, die seine Gedanken teilten. Mein Mann war dem Russischen zugeneigt, er liebte die Literatur und Musik, denke ich an das Rostropowitsch-Konzert auf unserem Gut Schierensee …

Welt am Sonntag: Aber in die Politik direkt wollte er nie, so wie Gerd Bucerius?

Verleger Axel Caeser Springer
Axel Springer liebte die schönen Dinge im Leben. Er war gerne im Grünen, deshalb hatte er so viele Häuser
Quelle: privatarchiv friede springer

Friede Springer: Einmal wurde er gefragt, welcher politische Posten ihn reizen würde. Da sagte er, wie aus der Pistole geschossen: „Botschafter in Polen“. Die Polen hätten am meisten gelitten, durch die Nazis und auch die Sowjets. Dass es dem Land heute so gut geht, dass die polnischen Menschen so tatkräftig ihre neue, freie Zukunft gestalten, hätte meinen Mann sehr gefreut.

Welt am Sonntag: War Ihr Mann, wie Konzernchef Mathias Döpfner jüngst sagte, „ein harmoniebedürftiger, im Grunde doch wahrscheinlich auch weicher Mensch“?

Friede Springer: Ja, fast zu weich. Er hatte ein Gespür für Schönheit und Ästhetik. Er sagte: „Man hat nur gute Gedanken in schönen Räumen.“ Die Möbel, die Bilder, alles war ausgesucht, und dann mit Vorliebe aus dem 18. Jahrhundert, dem Spätbarock, aber dann den dänischen. Für mich ist auch die Barockmusik in ihrer noch die Schwere nachklingen lassenden Lebensfreude und Leichtigkeit das Schönste. Wenn ich das Adagio von Tomaso Albinoni höre … wunderbar.

Welt am Sonntag: Was halten Sie im Nachhinein für seine größte Schwäche?

Friede Springer: Ach, ich habe ihn geliebt. Ich habe die Schwächen übersehen.

Sie waren nach den Worten von Friede Springer ein tolles Team. Auch wenn sie für diese Liebe Opfer bringen musste
Sie waren nach den Worten von Friede Springer ein tolles Team. Auch wenn sie für diese Liebe Opfer bringen musste
Quelle: privat

Welt am Sonntag: Sie betonen immer wieder Ihr bedingungsloses Vertrauen, dieses Für-den-Mann-da-Sein. Sie waren die Frau an Axel Springers Seite, die zu ihm stand, die alles um ihn beobachtete und mit ihm reflektierte. Sie waren aber auch sein Kompass. „Friede, was denkst du?“ soll er oft gefragt haben. Waren Sie selbstlos?

Friede Springer: Mir hat wirklich nichts gefehlt. Wir waren so ein tolles Paar und auch ein gutes Team. Immer waren wir zusammen. Alles passte. Ich wollte meinem Mann Gutes tun. Ich weiß, das ist sehr schwer zu erklären. Aber es ist töricht zu sagen, ich hätte mich deswegen aufgegeben!

Welt am Sonntag: Freunde wie Karl Klasen betonen Axel Springers „fröhliche Unbekümmertheit“, er habe gerne gelacht, auch über die eigenen Fehler. Karl Schiller nannte Ihren Mann einen „Gefühlsmenschen“. Was bewunderten Sie am meisten an ihm?

Friede Springer: Er hatte diesen feinen, besonderen englischen Humor. Er konnte unglaublich gut erzählen. Und er konnte verdammt gut tanzen. Mit so einem Mann zusammenzuleben, das war für mich ein einziges Geschenk.

Fünfte Ehe und Familie

Welt am Sonntag: 1978 machte Axel Springer Ihnen einen Heiratsantrag. Dann waren Sie Frau Springer. War das eine Erleichterung? Fühlten Sie sich endlich anerkannt?

Friede Springer: Natürlich habe ich mich gefreut, Ernst Cramer und Claus-Dieter Nagel waren Trauzeugen, im selben Jahr noch heirateten wir kirchlich. Und in jeder Kirche, die wir dann auf unseren Reisen besuchten, haben wir uns die Hand am Altar gegeben und haben unsere Ehe, wo wir nur konnten, neu besiegelt. Er war da wie ein Kind.

Welt am Sonntag: Seine vorherigen Ehen endeten ja auch alle nicht so glücklich.

Friede Springer: Er hatte zu jeder Phase seines Lebens die richtige Frau. Wie mich auch.

Welt am Sonntag: Sie, die so gut mit Kindern konnten, durften keine haben. Er wollte Ihre ganze Aufmerksamkeit. Haben Sie ihm das nicht nachgetragen?

Friede Springer: Das war ein großes Opfer für mich. Ich liebe Kinder. Aber ich wusste, dass das nicht gut gehen würde. Er wollte meine Aufmerksamkeit. Und er wusste, hätten wir ein Kind, würde ich es niemals an ein Kindermädchen abgeben. Dafür kannte er mich zu gut. Heute habe ich elf Patenkinder und ich genieße das sehr.

Axel Springer mit seinem Sohn Axel Springer jun. im Jahr 1975. Fünf Jahre später er nimmt sich das Leben. Friede Springer erinnert sich im Interview, dass er Depressionen hatte, vermutlich aufgrund einer Mumps-Erkrankung im Erwachsenenalter
Axel Springer mit seinem Sohn Axel Springer jun. im Jahr 1975. Fünf Jahre später nimmt sich der Sohn das Leben. Friede Springer erinnert sich im Interview, dass er Depressionen hat...te, vermutlich aufgrund einer Mumps-Erkrankung im Erwachsenenalter
Quelle: picture-alliance

Welt am Sonntag: Ihr Mann hatte vier Ehen hinter sich, drei Kinder und vier Enkelkinder. War er ein Familienmensch?

Friede Springer: Nein, war er nicht. Er kümmerte sich, aber eher mit zu großen Geschenken. Mehr, um seine Pflicht zu tun, aber um die Erziehung sorgte er sich nicht.

Welt am Sonntag: Wie kamen die Kinder mit Ihnen zurecht?

Gut, sehr gut. Mit seiner Tochter, der Erstgeborenen, bin ich heute noch eng befreundet.

Welt am Sonntag: Und dann folgte auch noch 1980 der Freitod seines ältesten Sohnes, der übrigens als Kind von Loki Schmidt in Hamburg unterrichtet worden war. Sie nannte ihn den „kleinen Axel“. Hat sein Tod Ihrem Mann das Herz gebrochen? Nun wollte er seinen Verlag verkaufen, er sagte gar, er hasse seinen Beruf. Wie haben Sie diese Zeit verkraftet?

nicht mehr gekümmert hat
Nach dem Tod seines Sohnes zieht sich Axel C. Springer immer mehr zurück. "Seine Gesundheit litt, er war deprimiert, in sich gekehrt", erzählt Friede Springer. Von dem Schock habe ...er sich nie mehr richtig erholt. Springer machte sich Vorwürfe, dass er sich nicht genug gekümmert hat
Quelle: privatarchiv friede springer

Friede Springer: Von dem Selbstmord hat er sich nicht mehr erholt. Seine Gesundheit litt, er war deprimiert, in sich gekehrt. Und zog sich immer mehr aus dem Verlag zurück, wir waren viel in Schleswig-Holstein oder auf Patmos, das tat ihm gut, weil wir da ohne Personal und ohne Sicherheitsleute sein konnten. Einfach nur für uns. Er saß im Garten und las, fast ausschließlich religiöse Bücher, oder wir machten kleine Spaziergänge.

Natürlich machte er sich innerlich Vorwürfe, dass er sich nicht genug gekümmert hätte. Aber sein Sohn war schließlich ein erwachsener Mann, 38 Jahre alt. Der Junior hatte als Erwachsener Mumps bekommen und war sehr krank gewesen, danach wohl in eine Depression gerutscht. Ich verstand mich gut mit ihm, wir waren im gleichen Alter, und ich hatte ihm mehrfach geraten, er solle in Behandlung gehen.

Er antwortete: „Friede, zu einem Beknackten-Doktor gehe ich nicht.“ Er war so ein begabter, lustiger, vergnügter Mensch. Und doch so traurig.

Ein schönes Leben

Welt am Sonntag: Ihr Mann war elegant in der Erscheinung, er liebte die Kunst, Musik, er war auch, wie John Jahr sen. sagte, ein „glänzender Sänger“, hatte früh schon Gesangsunterricht genommen.

Gut Schierensee in Schleswig-Holstein gehörte Axel Springer
Gut Schierensee in Schleswig-Holstein gehörte Axel Springer
Quelle: B0508_Polfoto

Friede Springer: Klar, er sang gerne Richard Tauber-Lieder. Und er hatte einen Schulfreund, der Gesangslehrer wurde, Hermann Firchow, wenn der bei uns zu Besuch war, dann wurden die Abende lustig. Das habe ich genossen. „Dein ist mein ganzes Herz“ sangen beide im Duett. Überhaupt waren Freunde ihm wichtig. Ich denke an Max Schmeling, an Pierre Papst, seinen Jugendfreund, und an Teddy Kollek, der große Vertraute in Israel. Freunde fürs Leben kann man sich nicht kaufen.

Welt am Sonntag: Sie hatten viele Besitztümer, Villen, Gut Schierensee, Sie reisten viel. War das erfüllend für Sie oder nicht auch anstrengend auf Dauer?

Friede Springer: Ständiges Reisen ist anstrengend. Mein Mann wollte immer ohne Gepäck reisen, daher hatte er vielleicht auch so viele Häuser. Immer sollte der kleine Aktenkoffer reichen. In England hatte er beispielsweise eine weiße Hose gefunden, die ihm gut passte. Ich kaufte im Laden also gleich zehn Stück, worauf mich der Verkäufer fragte, ob ich eine Rugby-Mannschaft ausstatten wolle? Nein, ich musste eine weiße Hose in jedem Haus deponieren.

Patmos war für das Paar etwas ganz Besonderes
Patmos war für das Paar etwas ganz Besonderes
Quelle: privat

Welt am Sonntag: War die griechische Insel Patmos Ihrer beider liebstes Refugium?

Friede Springer: Etwas ganz Besonderes. Es war dort so abgeschieden schön, der Weg dahin so abenteuerlich, man war dem lieben Gott näher. Wohl aber auch, weil wir für uns waren, er saß in der Küche, während ich kochte. Ganz normal. Und dann aß er so schnell wie ein Staubsauger. Wenn er etwas mochte, tschüüüd, war es weg.

Tod des Verlegers und Friede Springers Aufstieg

Welt am Sonntag: Niemand aus dem Verlagsumfeld oder in der Branche hat Ihnen zugetraut, nach dem frühen Tod Ihres Mannes 1985 dessen Erbe anzutreten. „Du machst das schon, Friede“, hatte Ihr Mann zu Ihnen gesagt. Was hat Ihnen Kraft gegeben?

Friede Springer: Bei schwierigen Verhandlungen im Aufsichtsrat, als Leo Kirch noch mit am Tisch saß, schaute ich direkt auf ein Foto meines Mannes. Manchmal, wenn es heikel wurde, schaute ich rüber, und es schien mir, als stärke mein Mann mir den Rücken und ich hörte: „Mach weiter.“

Welt am Sonntag: Sie mussten Erbstreitigkeiten mit der Familie klären und erkennen: Es gab keinen Familienzusammenhalt. War das eine Enttäuschung für Sie? Warum gibt es so oft in Familien mit Geld diese schrecklichen Kämpfe?

Friede Springer: Wir waren in dem Sinne ja keine gewachsene Familie, sondern mussten plötzlich Familie spielen. Das konnte nicht gut gehen. All die Jahre hatten wir nur losen Kontakt gehabt. Es musste also auseinanderdividiert werden. Ich musste dabei auf vieles verzichten, etwa auf Gut Schierensee, was mir besonders lieb war. Das war für mich schwer. Aber ich kann gut loslassen, verkaufen, weggehen und mich nicht mehr umdrehen. Am Ende haben wir das ganz gut hingekriegt.

Welt am Sonntag: Sie waren die Retterin und Hüterin des Lebenswerkes Ihres Mannes. Hatten Sie manchmal Lust, alles hinzuschmeißen?

Verleger Axel Caeser Springer
Erinnerungen an glückliche Zeiten. Sie haben Friede Springer über ihre Trauer hinweggeholfen, als der Verleger 1985 starb. Doch es war nicht leicht: "Natürlich war ich manchmal ver...zweifelt, habe eine Nacht durchgeweint, fühlte mich ganz alleingelassen. Aber irgendwas am Morgen hat mir wieder Kraft gegeben"
Quelle: privatarchiv friede springer

Friede Springer: Natürlich war ich manchmal verzweifelt, habe eine Nacht durchgeweint, fühlte mich ganz alleingelassen. Aber irgendwas am Morgen hat mir wieder Kraft gegeben. Ich wollte weitermachen. Nennen Sie es meinetwegen Mut. Ehrgeizig bin ich eigentlich nicht. Aber alles hat mich doch gereizt. Ich wollte es auch dem Herrn Kirch beweisen.

Welt am Sonntag: Es gab ein Zauberwort: vinkulierte Namensaktien! Sie kauften sich langsam die Mehrheit zurück, von den so vertrauten wie mit Kirch verhandelnden Burda-Brüdern. Sie bezwangen Leo Kirch, diesen Titanen der Branche, durch Ihr stilles Durchsetzungsvermögen, Sie wehrten Murdoch ab. Die Jahre nach dem Tod Ihres Mannes lesen sich wie ein Wirtschaftskrimi. Wie haben Sie das geschafft?

Friede Springer: Auch ich hatte Fortüne. Ohne die geht es nicht. Ein wunderbares preußisches Wort. Heute sagt man glückliche Fügung. Aber Fortüne gefällt mir am besten.

Welt am Sonntag: Sie sind eine mächtige Frau, eine der wenigen Frauen in Deutschland an der Spitze eines Konzerns. Sie haben so viele Auszeichnungen wie Ihr Mann erhalten und sind eine der reichsten Unternehmerinnen Deutschlands. Und doch fahren Sie einen Golf, lehnen Sonderbehandlungen ab. Ist diese Bodenständigkeit auch der Tatsache geschuldet, dass Sie eine Gärtnerstochter sind, die selbst gerne in der Erde wühlt?

Verleger Axel Caeser Springer
"Einmal meinte ich, ich sei ein Produkt von ihm, das ist missverständlich, es klingt, als hätte ich keinen eigenen Willen. Heute sage ich: Er hat mich ausgebildet, ich bin dank ihm... gewachsen", sagt sie heute. Hier ist das Paar Ende der 1970er-Jahre im Urlaub zu sehen
Quelle: privatarchiv friede springer

Friede Springer: Nein, damit hat es nichts zu tun. Ich fühle mich weder mächtig noch reich. Ich lebe mein Leben und es ist das Gegenteil von Berühmtheit oder Celebrity. Das bin ich nicht und werde es auch nie sein. Ja, ich bezeichne mich als bescheiden. Für viele ist das negativ besetzt, was ich nicht verstehe. Natürlich genieße ich Dinge wie First oder Businessclass zu fliegen. Aber ich brauche kein großes Auto. Ein Auto ist für mich ein Gebrauchsgegenstand. Mehr nicht.

Welt am Sonntag: „Friede darf alles wissen“, sagte einst Ihr Mann zu Ernst Cramer. Sie haben viel von ihm gelernt.

Friede Springer: Einmal meinte ich, ich sei ein Produkt von ihm, das ist missverständlich, es klingt, als hätte ich keinen eigenen Willen. Heute sage ich: Er hat mich ausgebildet, ich bin dank ihm gewachsen.

Welt am Sonntag: Könnte man nicht den modernisierten Konzern auch Axel und Friede Springer Verlag nennen? Er ist Ihrer beider Werk, finden Sie nicht?

Friede Springer: Um Gottes willen! Nein! Er war der Kreative, er hat das alles erfunden. Ich doch nicht. Ich versuche doch nur, alles zusammenzuhalten.

Die Frau von heute

Welt am Sonntag: Sie müssen ein enorm disziplinierter Mensch sein. Ihre Figur ist einmalig schlank, obwohl Sie sicherlich andauernd eingeladen werden. Wie machen Sie das?

Friede Springer am Grenzgänger: Am 25. Mai 1959 legte Axel Springer den Grundstein für das Berliner Verlagshaus direkt an der Mauer. Der Verleger kämpfte Zeit seines Lebens um die Wiedervereinigung Deutschlands. Zur Erinnerung daran hat der Verlag bei dem Künstler Stephan Balkenhol eine 5,40 Meter große Skulptur in Auftrag gegeben, die am ehemaligen Mauerstreifen steht
Am 25. Mai 1959 legte Axel Springer den Grundstein für das Berliner Verlagshaus direkt an der Mauer. Der Verleger kämpfte Zeit seines Lebens um die Wiedervereinigung Deutschlands. ...Zur Erinnerung daran hat der Verlag bei dem Künstler Stephan Balkenhol eine 5,40 Meter große Skulptur "Balanceakt" in Auftrag gegeben, die am ehemaligen Mauerstreifen steht
Quelle: privat

Friede Springer: Sie sagen es, mit Disziplin. Den Nachtisch weglassen und am nächsten Tag weniger essen. Und dann: Bewegung, Bewegung, Bewegung. Ich fahre viel mit dem Rad, und auch wenn ich müde nach Hause komme, mache ich eine Dreiviertelstunde Speed Walk. Das tut gut.

Welt am Sonntag: Gehen Sie auch noch selbst einkaufen?

Friede Springer: Ja, gerne. Ich koche sogar manchmal, aber nicht so gut. Alles mit Hühnchen und Salat ist prima, aber ich kann einfach kein Steak zubereiten, irgendwie klappt das nicht. Ich liebe Kürbissuppe, die kann ich gut kochen, mit viel Ingwer. Ich esse, anders als mein Mann, keinen Kuchen. Lieber gönne ich mir ein gutes Glas Rotwein. Und auch die italienische Küche sagt mir zu: Geben Sie mir einen Riesenteller Spaghetti, und ich bin glücklich.

Welt am Sonntag: Sie treffen permanent Prominenz, bewegen sich in dieser Welt wie ein Fisch im Wasser. Haben aber sicherlich auch viele Intriganten, Geldgierige und Schleimer erlebt. Was zählt für Sie wirklich?

Friede Springer: Ich möchte interessante Menschen kennenlernen. Ich bin sehr an Politik interessiert. Mein Freundeskreis ist sehr gemischt und ich möchte alle diese Gespräche nicht missen.

Welt am Sonntag: Warum sitzt eine Frau wie Sie nicht auf Sylt, legt die Beine hoch und genießt die Sonne?

Friede Springer: Bloß nicht. Das ist doch langweilig! Solange ich klar denken kann, möchte ich arbeiten. Ich freue mich jeden Tag, ins Büro zu kommen. Ich möchte nicht morgens aufwachen und nicht wissen, wie ich den Tag verbringen werde.

Welt am Sonntag: Sie sagten, Sie könnten ohne Bücher nicht sein. Was haben Sie gerade gelesen?

Friede Springer und Andrea Seibel
Friede Springer im Gespräch mit der stellvertretenden "Welt"-Chefredakteurin Andrea Seibel
Quelle: Reto Klar

Friede Springer: Eugen Ruge „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ und auch das Buch seines Vaters über dessen lange Zeit im Gulag. Und gerade habe ich ein Buch mit dem Titel „Der Russe ist einer, der Birken liebt“ angefangen. Von der jungen Olga Grjasnowa, die hier an der FU studierte. Ich lese viel, brauche das, dieses Weggezogenwerden in eine andere, fremde Welt.

Welt am Sonntag: Die Welt von damals, die 60er, ist auch unglaublich fern und fremd. Vieles hat sich verändert. Sind Männer heute anders?

Friede Springer: Ja, sicher sind die anders. Wir Frauen sind selbstbewusster geworden und damit müssen die Männer zurechtkommen. Und sie versuchen es, das muss man ihnen schon lassen.

Welt am Sonntag: Gehen Sie oft an das Grab Ihres Mannes?

Friede Springer: Ja, das tue ich. Bringe Blumen hin. Aber er ist viel mehr in meinen Gedanken. Und doch ist es gut, dass man diesen Ort hat.

Welt am Sonntag: Jobs, Gates, Zuckerberg sind die Ikonen von heute. Wäre Ihr Mann auch am Internet interessiert gewesen?

Friede Springer: Er hatte er immer den Spruch auf den Lippen: „Das Gutenberg-Zeitalter geht vorbei. Jetzt kommt das Fernsehen.“ Damals schon redete man darüber, dass die Zeitung nicht mehr gedruckt würde, sondern aus einem Telefon käme. Damit war das Fax gemeint, das gerade erfunden wurde! So lange ist das her. Handys sind so viel später gekommen, Internet erst recht. Es ist schwer, sich Axel Springer im digitalen Zeitalter vorzustellen.

Welt am Sonntag: Was war Ihr schönstes Jahrzehnt, auch als Frau?

Friede Springer: Die 30er-Jahre. Da ist man nicht mehr ganz so naiv. Darüber schrieb ja auch Balzac das Buch „Die Frau von dreißig Jahren“.

Welt am Sonntag: Wenn man Ihnen mailt, erhält man schnell übers iPhone Antwort. Lesen Sie noch die Papier-Zeitung oder schon auf dem iPad? Und haben Sie eine Lieblings-App?

Friede Springer im Journalistenclub des 19. Stockwerkes im Berliner Verlagshaus
Sie gilt als reich und mächtig. Friede Springer war nach eigenen Worten vermutlich schon häufig eine Quotenfrau. Sie habe das aber nie als negativ empfunden
Quelle: Reto Klar

Friede Springer: Natürlich habe ich ein iPad. Aber ich bin immer noch ein totaler Zeitungsmensch. Ich muss sie in die Hand nehmen, rascheln hören. Ich erledige digital schnell, was ich machen muss. Aber dass ich ewig im Internet surfen würde? Nein. Da lese ich doch lieber Bücher.

Welt am Sonntag: Sie sind emanzipiert, sind eine moderne Frau, die sich in einer Männerwelt bewährt hat, ein Vorbild. Sie haben gesagt, ich habe immer Herausforderungen gesucht, ich bin ein Mann.

Friede Springer: Nein, ich habe gesagt, ich wäre lieber ein Mann geworden. Männer haben es einfacher im Leben. Wäre ich heute 18, würde ich das natürlich nicht mehr so sagen. Heute steht jungen Frauen die Welt offen. Aber ich werde 70 in diesem Jahr und ich denke manchmal, als Mann wäre ich früher sicherlich weiter gekommen im Leben.

Welt am Sonntag: Aber das sind Sie doch! Und außerdem hätten Sie Ihren Mann dann nicht gehabt.

Friede Springer: Das stimmt auch wieder. Bei Männern bewunderte ich immer ihr Selbstbewusstsein. Ich musste an mir arbeiten, mich bemühen, weil ich schüchtern war. Ich mag Männer gerne und kann mit ihnen gut umgehen. Ich bin so viel mit Männern zusammen, dass ich gar nicht mehr merke, wenn ich die einzige Frau bin. Ich empfinde das nicht als unangenehm.

Welt am Sonntag: Heute sind Frauen so frei wie nie, Sie sagten es, und doch ist immer noch die Erfahrung vieler, dass sie es schwerer haben als Männer. Brauchen wir die Quote?

Friede Springer: Ich bin sicher oft eine Quotenfrau gewesen, in vielen Kreisen und Kuratorien, in die man mich berief, aber ich habe das nie als negativ empfunden. In dem Sinne bin ich nicht gegen die Quote. Vehement dafür bin ich aber auch nicht, weil ihr ein Hauch von Unfreiheit und Zwang anhaftet. Aber wir wollen schließlich weiterkommen! Vielleicht braucht es daher einfach diesen Schub.

Welt am Sonntag: Hand aufs Herz: Was gönnen Sie sich?

Friede Springer: Ich kauf mir was Schönes. Ein paar Schuhe sind doch immer drin. Ich zähle meinen Schuhpark nicht mehr, sondern verschenke gleich wieder. Praktisch ist, dass zwei meiner Freundinnen die gleiche Schuhgröße haben.

Welt am Sonntag: Sie werden im Sommer 70. Was ist Ihr größter Traum?

Friede Springer: Dass alles so bleibt, wie es ist. Ich bin zufrieden und glücklich mit meinem Leben.




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