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Franz Marc – Eine Biografie

Von Oliver Schulz

Franz Marc, geboren am 8. Februar 1880 in M�nchen und gestorben am 4. M�rz 1916 bei Verdun, Frankreich, war ein deutscher Maler und Mitgr�nder der K�nstlervereinigung �Blauer Reiter�. Er gilt als einer der bedeutendsten Maler des fr�hen 20. Jahrhunderts und als Mitbegr�nder des Expressionismus in Deutschland.


Portrait von Franz Marc, gemalt 1910 von August Macke
Portrait von Franz Marc, gemalt 1910 von August Macke

Kindheit und Jugend

Franz Moritz Wilhelm Marc wurde am 8.2.1880 als zweiter Sohn der Eheleute Wilhelm Moritz Eduard Marc, einem Maler und Juristen, der als Professor an der Akademie der Sch�nen K�nste in M�nchen t�tig war, und Sophie Marc, geborene Maurice, einer in der Schweiz aufgewachsenen Els�sserin, in M�nchen geboren.

Dort lebte er mit seinen Eltern und seinem drei Jahre �lteren Bruder Paul zuerst in der Schillerstra�e 18, dann in der Schwanthalerstra�e 55 und schlie�lich ab 1895 in einem von seinem Vater neu erbauten Haus in der Villen-Kolonie in Neu-Pasing. Die beiden Br�der wuchsen zweisprachig auf und genossen hier, trotz des katholischen Umfeldes, eine protestantische Erziehung.

Seine Schulzeit, sowohl in der Grundschule als auch sp�ter am M�nchner Luitpold-Gymnasium, durchlief er m�helos. Er war ein guter Sch�ler und wurde von seinen Lehrern stets f�r seinen Flei�, sein ausgesprochenes Interesse an allen Dingen und sein tadelloses Betragen gelobt.

Gem�� seiner protestantischen Erziehung wurde Franz Marc 1894 konfirmiert. Der obligatorische Konfirmationsunterricht bei Otto Schlier, Stadtvikar an der M�nchner Matth�us-Kirche, hinterlie� bei ihm einen so nachhaltigen Eindruck, dass er schlie�lich den Wunsch versp�rte, selbst Pfarrer zu werden, obwohl er zugleich auch k�nstlerische und literarische Ambitionen hegte. Auf die Dauer jedoch verst�rkten sich die Selbstzweifel, ob er dem Anspruch, den er selber an einen Pfarrer stellte, �berhaupt gerecht werden k�nnte, derart, dass er sich 1898 dazu entschloss, lieber Philologie zu studieren, um Gymnasialprofessor zu werden.

Zu diesem Zwecke immatrikulierte er sich nach dem Abitur, das er 1899 mit sehr guten Noten abgelegt hatte, an der Philosophischen Fakult�t der Ludwig-Maximilian-Universit�t in M�nchen. Vor Studienbeginn musste er jedoch zun�chst seinen einj�hrigen Milit�rdienst ableisten. W�hrend dieser Zeit im Lager Lechfeld bei Augsburg lernte Franz Marc reiten und entdeckte dadurch seine Liebe zu Pferden. Noch w�hrend der Dienstzeit �nderte er seinen Entschluss und entschied sich, Malerei zu studieren.

Er schrieb sich im Jahre 1900 an der Akademie der Bildenden K�nste in M�nchen ein und studierte bei den Professoren Gabriel Hackl und Wilhelm von Dietz, beides Vertreter der konservativen �M�nchener Schule�, die auch Marcs fr�he Werke pr�gte, wie etwa das Gem�lde �Moorh�tten im Dachauer Moos� aus dem Jahre 1902. Was Marc zu dieser Zeit noch nicht wusste: In der Parallelklasse von Professor Franz von Stuck studierten zwei seiner sp�teren Freunde – Wassily Kandinsky und Paul Klee.

Der Weg in die Selbstst�ndigkeit

Im Oktober 1901 unternahm Franz Marc mit seinem Bruder Paul, der in Florenz Byzantinistik studiert, eine Reise nach Italien, die ihn nach Venedig, Padua und Verona f�hrte.

Den Sommer des Jahres 1902 verbrachte er auf der Staffel-Alm oberhalb von Kochel am See. Zu diesem Ort sollte es ihn auch in den folgenden Jahren immer wieder hinziehen, bis er sich schlie�lich 1914 in der N�he ein Haus kaufte.

Im Mai 1903 begab sich Marc auf Einladung seines wohlhabenden Studienfreundes Friedrich Lauer mit diesem auf eine viermonatige Reise nach Frankreich, wo er die Werke franz�sischer K�nstler wie Edouard Manet, Gustave Courbet und Eug�ne Delacroix sah sowie gotische Architektur und au�ereurop�ische Kunst kennenlernte. Der Erwerb einiger japanischer Holzschnitte bei Camille Flammarion bildete den Grundstein einer eigenen Ostasiatica-Sammlung. Als Ergebnis dieser Reise fasste Franz Marc, sehr zum Missfallen seiner Familie, den Entschluss, nicht wieder auf die Akademie zur�ckzukehren, sondern sich fortan im Selbststudium weiter zu bilden, was gleichsam eine Abkehr von der akademischen Malweise nach sich zog.

Unterst�tzt wurde dieser Schritt in die k�nstlerische Selbst�ndigkeit durch den Bezug seines ersten eigenen Ateliers in der Kaulbachstra�e 68 in M�nchen/Schwabing im Jahre 1904. Die ersten Bilder, die in dieser neuen Umgebung entstanden, sind das heute verschollenen Gem�lde �Partie an der Isar in M�nchen� sowie �Indersdorf �.

Im gleichen Jahr begann er allerdings auch eine Aff�re mit der 9 Jahre �lteren Malerin und Kopistin Annette Simon (geb. von Eckardt). Die Tatsache jedoch, dass seine Geliebte verheiratet war und eine Familie (zwei kleine T�chter) hatte, bedeutete f�r Marc eine gro�e Belastung, welche sich bei ihm in andauernder Melancholie ausdr�ckte. Einen k�nstlerischen Ausdruck fand diese Krise in dem Gem�lde �Der tote Spatz� von 1905.

Ebenfalls 1905 machte Marc jedoch auch die Bekanntschaft mit dem jungen franz�sischen Tiermaler Jean Blo� Niestl�, die ihm einen entscheidenden Impuls in seinem k�nstlerischen Schaffen bescherte: Niestl� inspirierte ihn zu Tierdarstellungen, die nicht die anatomisch korrekte Abbildung des Tieres zum Ziel hatten, sondern versuchen sollten, �sich in das Tier einzuf�hlen, das Wesen des Tieres in einem Bild einzufangen.� Damit hatte Marc sein geeignetes Ausdrucksmittel gefunden!

Im Herbst des gleichen Jahres lernte er die Male rinnen Marie Schn�r und Maria Franck kennen. Beide Damen waren Lehrerinnen am M�nchner K�nstlerinnenverein und die drei verband schnell eine innige Freundschaft. Das Ende des Jahres brachte f�r Marc auch das Ende der ihn qu�lenden Beziehung zu Annette Simon mit sich, allerdings ohne dass dies allein bereits seine depressive Gestimmtheit aufzuhellen vermocht h�tte.

In der Hoffnung auf eine Besserung seiner Stimmungslage folgte Marc im Fr�hjahr 1906 der Einladung seines Bruders Paul, ihn als Helfer auf eine dreiw�chige Reise nach Griechenland zu begleiten. Paul Marc hatte inzwischen sein Byzantinistik-Studium abgeschlossen und den Auftrag erhalten, in den Kl�stern auf dem Berg Athos Handschriften wissenschaftlich zu untersuchen und zu fotografieren.

Kaum von dieser Reise zur�ckgekehrt, zog es Franz Marc auch schon wieder nach Kochel, wo er von Mai bis Oktober blieb und malte. Hier besuchten ihn Marie Schn�r und Marie Franck, die er in dem Gem�lde �Zwei Frauen am Berg� verewigt, das beide Frauen auf einer Wiese zeigt.

Das Weihnachtsfest 1906 verbrachte Franz Marc im elterlichen Haus in Pasing. Es wollte jedoch keine rechte Weihnachtsstimmung aufkommen, da sein Vater, der bereits seit einigen Jahren gel�hmt und auf den Rollstuhl angewiesen war, im Sterben lag. Fest gehalten hat Marc diese Situation in einem Gem�lde sowie einer, im Format kleiner gehaltenen, Kreidezeichnung �Kopf des Vater auf dem Totenbett�.

Am 26. M�rz 1907 heiratete Franz Marc, obwohl eigentlich in Maria Franck verliebt, Marie Schn�r. Der Hintergrund dieser �berraschenden Hochzeit war, dass Marie Schn�r einen kleinen Sohn hatte, dessen Vater sie jedoch nicht heiraten wollte. Aufgrund der damaligen Rechtslage musste das Kind bei Maries Eltern in Swinem�nde leben, bis sie selbst verheiratet war. Mit dieser �Scheinehe� wollte Marc ihr also erm�glichen, ihren Sohn zu sich zu holen. Dass es tats�chlich nur eine Gef�lligkeit war zeigt der Umstand, dass Marc noch am Abend nach der Trauung allein nach Paris fuhr. Marie hatte er kurzerhand in einen Zug nach Gauting gesetzt und seinen Freund Niestl�s gebeten, sich um sie zu k�mmern. Die acht Tage, die er in Paris verweilte, geh�rten nach eigenem Bekunden zu den �traumhaftesten� seines Lebens. Besonders begeisterten ihn diesmal die Werke Vincent van Goghs und Paul Gauguins.

Bereits kurz nach der R�ckkehr nach M�nchen stellte sich das Zusammenleben mit Marie Schn�r als problematisch heraus. Um Ruhe zu finden zog er sich deshalb von Juni bis August zum Malen in das Kloster Indersdorf zur�ck.

Lediglich Ende Juni begab er sich zwischenzeitlich wieder nach M�nchen, um ein neues Atelier in der Schellingstra�e 33 zu beziehen. Es war das bisherige Atelier seiner fr�heren Geliebten Annette Simon.

Um seine finanzielle Situation aufzubessern entschloss sich Marc zur Veranstaltung von Kursen zur Tieranatomiezeichnung. Der Erfolg war jedoch eher gering. Die Beziehung zu Marie Schn�r verschlechterte sich derart, dass Marc bereits nach einem Jahr die Scheidung einreichte. Entgegen vor der Heirat getroffener Absprachen verklagte Schn�r ihn jedoch wegen Ehebruchs und verhinderte so trotz einer schnellen Scheidung die M�glichkeit einer Hochzeit mit seiner eigentlichen Liebe Maria Franck.

Mit dieser verbrachte Marc den Sommer 1908 in Lenggries, wo er mit gro�em Enthusiasmus vor allem Pferde- und Baumstudien malte. So entstand hier neben dem �L�rchenb�umchen� auch das gro�e Lenggrieser �Pferdebild�. Hierf�r hatte er, wie Maria Franck sp�ter in einem Brief berichtete, seine Staffelei unter schattenspendenden B�umen auf einer Pferdeweide aufgestellt. Immer wieder ging er den Pferden hinterher, studierte sie, kehrte zu seiner Staffelei zur�ck und malte das Gesehene. Stilistisch betrachtet, strebte er zu dieser Zeit eine immer gr��ere Vereinfachung der Form an, w�hrend die Farben, unter denen zu diesem Zeitpunkt die hellen dominierten, zunehmend zu einem selbst�ndigen Ausdrucksmittel wur den.

Seine finanzielle Situation hingegen war nach wie vor prek�r und so kam er auf die Idee, mit Bronze-Plastiken Geld zu verdienen, die er notfalls �bis nach Russland etc.� schicken wollte. Eine hilfreiche Unterst�tzung in dieser Lage fand Marc in der Person seines fr�heren Akademiekollegen Fritz Osswald. Dieser erreichte im Fr�hjahr 1909, dass die beiden einflussreichen Kunsth�ndler Justin Thannhauser und Josef Brakl einige von Marcs Werken kauften und Brakl ihm sogar f�r das kommende Fr�hjahr in seiner Kunsthandlung eine Ausstellung seiner Werke in Aussicht stellte.

Die Phase der Entfaltung

Einen weiteren Impuls erhielt er durch eine van Gogh-Ausstellung, die im Dezember in der M�nchner Galerie Brakls veranstaltet wurde und in der etwa 70 Werke des holl�ndischen Meisters gezeigt wurden. Marc, der bereits bei seiner zweiten Parisreise im Fr�hjahr 1907 von den Werken van Goghs sehr beeindruckt war, half Brakl begeistert beim Aufbau der Ausstellung und besuchte diese w�hrend ihrer Dauer mehrere Male. Die Inspirationen, die er hier durch van Gogh fand, flossen direkt in das gerade in Arbeit befindliche Gem�lde �Katzen auf rotem Tuch� ein, das er am 5. Januar 1910 vollendete.

Anfang Januar 1910 lernte Franz Marc den Maler August Macke kennen, als dieser ihn in Begleitung seines Vetters Helmuth und des Berliner Fabrikanten Bernhard Koehler in seinem Atelier in der Schellingstra�e aufsuchte. Die beiden K�nstler waren sich auf Anhieb sympathisch und es folgte bald darauf ein Gegenbesuch Marcs zusammen mit Maria Franck und seinem Hund Russi im Haus August Mackes am Tegernsee. Die Gespr�che drehten sich hier, zum Leidwesen von Mackes Vetter Helmuth, haupts�chlich um Marcs Tierstudien. Helmuth bemerkte dazu sp�ter in einem Brief: �Marc erz�hlte damals recht viel von sei nem Freund Jean Blo� Niestl� und in welcher Weise die beiden im Wald im Sumpf und Moor den Gewohnheiten der Tiere wie die J�ger auflauerten um ihr Sein ganz kennenzulernen. Dies interessierte meinen Vetter sehr und ich musste lange Diskurse �ber diesen Gegenstand nach Marcs Fortgang dar�ber aushalten. Praktische Versuche nach dieser Richtung brachte nur ein mit Fett �berzogener Baumzweig der ans Fenster angenagelt wurde und die V�gel anlockte, so dass mein Vetter sie bequem zeichnen konnte ...�

Im Februar 1910 konnte Marc, wie von Brakl zugesagt, in dessen Kunsthandlung seine erste eigene Ausstellung er�ffnen. W�hrend dieser Ausstellung erwarb Koehler einige von Marcs Werken, darunter auch das Gem�lde �Der tote Spatz� aus dem Jahre 1905, von dem sich der Maler nur schwer trennen konnte. Der Verleger Reinhard Piper erstand bei dieser Gelegenheit eine Lithographie Marcs. Dieser erste Kontakt mit Piper sollte sich sp�ter noch als n�tzlich erweisen, als Marc im Jahr darauf Kandinskys Manuskript ��ber das Geistige in der Kunst� an den Piper-Verlag vermitteln konnte.

Im Anschluss an diese Ausstellung zog es Marc Anfang April wieder nach Sindelsdorf. Da er wusste, dass M�nchen nicht l�nger sein Lebensmittelpunkt sein w�rde, l�ste er sein Atelier in der Schellingstra�e auf und zog mit einem Gro�teil seines Hab und Gutes in das beschauliche Dorf am Fu�e der Alpen.

Bei einem Besuch Marcs bei Bernhard Koehler in Berlin, Ende April, vereinbarten die beiden, die sich ausgezeichnet verstanden, au�erdem, dass Koehler an Marc monatlich 200 Mark zahlen und daf�r die H�lfte seiner Bilder, in ungerahmtem Zustand, erhalten sollte. Dieser Vertrag wurde zun�chst auf ein Jahr geschlossen, enthielt aber die Option auf eine Verl�ngerung, falls diese notwendig sein sollte.

Im Herbst des Jahres 1910 besuchte Marc die zweite Ausstellung der Neuen K�nstlervereinigung in M�nchen. Von dieser war er so angetan, dass er sofort eine positive Kritik verfasste, in deren Folge er mit einigen K�nstlern dieser Gruppe, vor allem mit Alexej von Jawlensky, Alexander Kanoldt und Adolf Erbsl�h, in pers�nlichen Kontakt kam. Hinsichtlich seiner Malerei erwuchs im w�hrend des Aufenthalts in Sindelsdorf das Gef�hl, seinen Weg gefunden zu haben. In dieser Zeit entstanden unter anderem die Gem�lde �Weidende Pferde I� und �Pferd in der Landschaft�.

An Neujahr 1911 lernte Marc bei Jawlensky in Murnau, Gabriele M�nter, Marianne von Werefkin und Wassily Kandinsky kennen. Hieraus entstand ein enger Kontakt, der dadurch noch beg�nstigt wurde, dass Murnau und Sindelsdorf geografisch nicht weit voneinander entfernt liegen.

Am 3. Februar besuchten ihn Vertreter der Neuen K�nstlervereinigung in Sindelsdorf, um seine Werke zu besichtigen. An ihnen fanden diese derart Gefallen, dass Marc in die Vereinigung aufgenommen und auf Anhieb zum 3. Vorsitzenden gew�hlt wurde. Im Mai 1911 fand Marcs zweite Einzelausstellung statt; diesmal der Modernen Galerie Heinrich Thannhausers.

Da die Hindernisse f�r eine Hochzeit mit Maria Franck in Deutschland immer noch nicht beseitigt waren, beschlossen sie, die Ehe im Ausland zu schlie�en. Ende Mai reisten beide daher nach London, wo sie bei Verwandten August Mackes unterkamen und heirateten dort am 13. Juni 1911. Nach ihrer R�ckkehr stellte sich allerdings heraus, dass diese Ehe in Deutschland nicht anerkannt wurde, so dass die Hochzeit 1913 wiederholt werden musste.

Des Weiteren beteiligte sich Franz Marc 1911 mit einem Beitrag zur Denkschrift �Im Kampf um die Kunst� an einer Kontroverse und das Wesen der deutschen Kunst und ihrer Protektion. Losgetreten worden war diese Debatte durch die Anklageschrift �Protest deutscher K�nstler� an der sich unter der Federf�hrung des K�nstlers Carl Vinnen 140 K�nstler und Kunstkritiker beteiligt hatten. Ihr Vorwurf richtete sich vor allem gegen die Ankaufspolitik deutscher Museen, die ihrer Meinung nach die F�rderung einheimischer K�nstler vernachl�ssigte und somit eine �berfremdung der deutschen Kunst zur Folge h�tte. Dieser Vorwurf konnte jedoch in �Im Kampf um die Kunst�, an der sich 75 K�nstler und Galeristen, neben Marc auch Kandinsky, Macke, Pechstein, Liebermann, Corinth und Slevogt beteiligten, widerlegt werden. Nebenbei reifte in ihm die Idee eines umfassenden Almanachs zur momentanen Kunstsituation – eine Idee, die bereits ein Jahr sp�ter Realit�t werden sollte.

Der Blaue Reiter

Seit geraumer Zeit schon hatte es innerhalb der Neuen K�nstlervereinigung massive Spannungen gegeben. Der Streit eskalierte als die Jury Wassilly Kandinskys abstrakte �Komposition V� ablehnte und nicht zur dritten Ausstellung der Neuen K�nstlervereinigung zulie�. Daraufhin verlie�en sowohl Kandinsky als auch Marc am 2. Dezember die Vereinigung und gr�ndeten, quasi als Gegenreaktion, den �Blauen Reiter�.

�ber die Entstehung dieses Namens verriet Kandinsky sp�ter: �Beide liebten wir Blau, Marc – Pferde, ich – Reiter, So kam der Name von selbst.� Zu den Mitgliedern z�hlten neben Marc und Kandinsky u. a. August Macke, Gabriele M�nter, Marianne von Werefkin, Alexej von Jawlensky und Paul Klee. Nach ihrer Auffassung besitzt jeder Mensch eine innere und eine �u�ere Erlebniswirklichkeit, die durch die Kunst zusammengef�hrt werden soll. Die Arbeiten dieser Gruppe sollten wegbereitend f�r die gesamte Moderne Kunst des 20. Jahrhunderts werden.

Bereits am 18. Dezember 1911 er�ffneten sie unter dem Titel �Das Geistige in der Kunst � die erste Ausstellung ihrer neuen K�nstlervereinigung in der Galerie Thannhauser in M�nchen. Insgesamt zeigte die Ausstellung 50 Werke von 14 K�nstlern, darunter Henri Rousseau, Robert Delaunay, August Macke, Arnold Sch�nberg, Gabriele M�nter, Jean Blo� Niestl� sowie Kandinsky und Marc. Zu sehen war sie au�er in M�nchen auch in K�ln, Berlin, Frankfurt, Bremen, Hagen, Hamburg, Rotterdam, Amsterdam, Wien, Prag, Barmen, Oslo, K�nigsberg und G�teborg. Dennoch war die Ausstellung ein Misserfolg. Von den 50 Bildern wurden lediglich 8 verkauft. Als einziger wurde Delaunay gefeiert, Kandinsky hingegen gar nicht verstanden.

Den Jahreswechsel 1911/12 verbrachte Marc zusammen mit Maria in Berlin, wo er Anfang Januar auch mit dem Komponisten Arnold Sch�nberg sowie den Malern Ernst Ludwig Kirchner und Max Pechstein zusammentraf. Von ihnen suchte er sich einige Graphiken aus, um sie nach M�nchen zu schicken, wo im Februar 1912 unter dem Titel �Schwarz-Wei߫ in der Galerie Hans Goltz die zweite Ausstellung des �Blauen Reiters� stattfinden und ausschlie�lich graphische Arbeiten gezeigt werden sollten.

Im Mai 1912 erfolgte in Zusammenarbeit mit Kandinsky und Macke schlie�lich die Ver�ffentlichung des seit einem Jahr geplanten Almanachs unter dem Namen �Der Blaue Reiter�, welcher im M�rz 1914 noch in einer zweiten Auflage erschien.

In Berlin stellte der Galerist Herwarth Walden der weil K�nstler des �Blauen Reiters� als �Deutsche Expressionisten� unter dem Titel �Zur�ckgestellte Bilder des Sonderbundes� in seiner Galerie aus.

Die Jahre der Anerkennung

Im Herbst 1912 fuhr das Ehepaar Marc nach Bonn, besuchte August Macke und die dortige Sonderbundesausstellung. Gemeinsam mit Macke reisten sie weiter nach Paris, wo sie Robert Delaunay endlich pers�nlich kennenlernten. Als sie auf ihrer R�ckreise wieder in Bonn Station machten, ergab sich f�r Marc die Gelegenheit, sich an der Gestaltung einer Futuristen-Ausstellung in K�ln zu beteiligen. Dabei beeindruckten ihn vor allem die italienischen Futuristen, die im Folgenden auch seine Arbeiten beeinflussen sollten (�K�he, gelb-rot-gr�n�).

Den Jahreswechsel verbrachte Marc wiederum in Berlin, wo er Erich Heckel besuchte und Else Lasker-Sch�ler kennenlernte, die noch bis 1910 mit dem Galeristen Herwarth Walden verheiratet gewesen war. Beide verstanden sich auf Anhieb so gut, dass Marc sie zu einem Gegenbesuch nach Bayern einlud. Und tats�chlich besuchte Else Lasker-Sch�ler ihn anl�sslich einer erneuten Ausstellung seiner Werke in der Galerie Thannhauser bereits im Januar 1913 in M�nchen und begleitete ihm anschlie�end auch nach Sindelsdorf. Den M�rz 1913 verbrachten Marcs in S�dtirol. Dieser Aufenthalt lieferte auch die Inspirationen zu den Gem�lden �Das arme Land Tirol� und �Tirol�.

Am 25. April erhielt Marc einen Brief von Dr. Hans Hildebrandt von der Technischen Hochschule Stuttgart, verbunden mit der Aufforderung, sich an besagter Hochschule um den vakanten �Lehrposten f�r Abendakte� zu bewerben, um dort die Position der Moderne unter der ansonsten recht reaktion�ren Professorenschaft zu verst�rken. Zu einer Berufung Marcs nach Stuttgart kam es dann jedoch nicht, was m�glicherweise auch damit zusammenhing, das Franz und Maria nach deutschem Recht noch immer nicht verheiratet waren und somit in �wilder Ehe� lebten – f�r damalige Zeit ein �u�erst unmoralische Verhalten! Doch dieser Zustand sollte nicht mehr lange w�hren. Nachdem die letzten gerichtlichen Schwierigkeiten aus dem Wege ger�umt waren, konnte am 3. Juni 1913 die Trauung in M�nchen nachgeholt werden.

Darauf folgte eine der produktivsten Phasen im k�nstlerischen Schaffen Franz Marcs. Im Sommer, den die Marcs wieder in Sindelsdorf verbrachten, entstanden seine gro�en Gem�lde, u. a.: �Der Turm der blauen Pferde�, �Tierschicksale�, und �Bild mit Rindern�. Im gleichen Jahr plante Marc, zusammen mit Wasilly Kandinsky, Alfred Kubin, Paul Klee, Erich Heckel und Oskar Kokoschka, eine illustrierte Bibelausgabe herauszugeben. Kandinsky wollte die Apokalypse illustrieren, Kubin das Buch Daniel, Kokoschka das Buch Hiob, Heckel ein Evangelium und er selbst das Buch Moses gestalten.

Daneben besch�ftigte er sich vor allem in der zweiten Jahresh�lfte mit den organisatorischen Vorbereitungen und dem Aufbau des �Ersten Deutschen Herbstsalons� in der Galerie Herwarth Waldens in Berlin.

Im April 1914 erwarb Marc ein Haus in Ried bei Kochel am See und zog mit Maria dort ein. Zur gleichen Zeit war er mit Entw�rfen zu einer Inszenierung von William Shakespeares �Der Sturm� am M�nchner K�nstlertheater besch�ftigt. Dieses Projekt verlief jedoch schlie�lich im Sande, nachdem die Intendanz des Theaters ihm die gew�nschte k�nstlerische Freiheit nicht gew�hren wollte. Entt�uscht �u�erte er sich dar�ber in einem Brief an Hugo Ball: �Es m�sste doch unbedingt ausgesprochen werden, dass wir durchaus nicht die Lust haben, dem K�nstlertheater sch�ne neue Dekorationen und �B�hnenbilder� zu schaffen, sondern das wir die Scene selbst, d.h. also das Schauspiel neu organisieren und nach unserem k�nstlerischen Vorstellungsleben gestalten wollen. .. Ich warte dann lieber, bis sich einmal wirklich etwas Neues schaffen l�sst, mit eigenem Ensemble und vollkommener Bewegungsfreiheit. Sonst kommt nichts Echtes zu Stande.�

In diesen letzten Monaten vor Beginn des Ersten Weltkrieges entstanden noch die Werke �Die V�gel� und �K�mpfende Formen�. Der Name des letzteren wirkt bereits wie eine d�stere Vorahnung.

Im Krieg

Direkt nach Kriegsausbruch am 1. August 1914 meldete sich Marc, der sich anf�nglich sehr f�r den Krieg begeisterte, ebenso wie August Macke freiwillig zum Kriegsdienst. Beide waren von der reinigenden Wirkung des Krieges auf die ihrer Meinung nach verrottete Gesellschaft �berzeugt. In einem Brief an Kandinsky vom 26. September schw�rmte er: �Mein Herz ist dem Kriege nicht b�se, sondern aus tiefstem Herzen dankbar! Es gab keinen anderen Durchgang zur Zeit des Geistes. Der Stall des Augias, das alte Europa, konnte nur so gereinigt werden, oder gibt es einen einzigen Menschen, der diesen Krieg ungeschehen w�nscht?� Am selben Tag fiel August Macke in einem Gefecht s�dlich von Perthes-les-Hurluin in der Champagne. Auch der Tod dieses Freundes und das allt�glich erlebte Grauen des Krieges, das er, wie aus seinen Briefen hervorgeht, durchaus reflektierte, konnten vorerst kaum etwas an Marcs Einstellung zu diesem Krieg �ndern. Am 24. Oktober bemerkte er wiederum in einem Brief an Kandinsky: � Ich selbst lebe in diesem Krieg. Ich sehe in ihm den heilsamen wenn auch grausamen Durchgang zu unseren Zielen; er wird die Menschen nicht zur�ckwerfen, sondern Europa reinigen, �bereit� machen.�

Da der Krieg ihm nur wenig Gelegenheit zum Malen lie� – nur ein kleines Skizzenbuch ist aus dieser Zeit erhalten – verlegte Marc sich auf das Schreiben. Neben vielen Briefen an seine Frau Maria und seinen Bekanntenkreis, unter anderem an Lisbeth Macke, verfasste er auch Aufs�tze und Aphorismen.

Mit fortschreitender Dauer des Krieges jedoch verflog, wie bei vielen seiner Zeitgenossen, so auch bei Marc die anf�ngliche Kriegsbegeisterung. Desillusioniert wollte er nun stattdessen so schnell wie m�glich wieder nach Hause. Die Gelegenheit hierzu bot sich tats�chlich im Februar 1916. Nach einer �bereinkunft zwischen dem Minister f�r geistliche und Unterrichtsangelegenheiten und dem Chef des stellvertretenden Generalstabes sollten zur �F�rderung der Bet�tigung im Felde stehender K�nstler� an die 30 besonders begabte K�nstler ausgew�hlt und von der Front abgezogen werden. Zu den Anw�rtern hierauf sollte nach dem Willen von Richard Seewald, ebenfalls Maler und Mitglied der �Neuen Sezession� sowie des �Deutschen K�nstlerbundes�, auch Franz Marc geh�ren. Bereits in freudiger Erwartung der Heimkehr schrieb er am 4. M�rz 1916 einen letzten Brief an seine Frau: � Ja, dieses Jahr werde ich auch zur�ckkommen in mein unversehrtes, liebes Heim, zu Dir und zu meiner Arbeit. Zwischen den grenzenlosen schaudervollen Bildern der Zerst�rung, zwischen denen ich jetzt lebe, hat dieser Heimkehrgedanke einen Glorienschein, der gar nicht lieblich genug zu beschreiben ist.� Doch das Schicksal meinte es nicht gut mit ihm: Bei einem Melderitt, den er am Nachmittag desselben Tages vor Verdun zu erledigen hatte, geriet er unter den Beschuss der franz�sischen Artillerie und wurde von Granatsplittern t�dlich getroffen.

Sein Leichnam konnte jedoch erst 1917 geborgen und nach Kochel am See �berf�hrt werden, wo er auch beigesetzt wurde.

Nach seinem Tode

Bereits in seinem Todesjahr 1916 wurde in M�nchen eine Franz-Marc-Ged�chtnis-Ausstellung gezeigt, die bis dahin umfangreichste Zusammenstellung seiner Werke. Nur vier Jahre sp�ter, 1920, entschloss sich seine Witwe dazu, die zahlreichen Briefe aus Marcs Nachlass zur Ver�ffentlichung freizugeben.

Nach der Macht�bernahme 1933 wurde in nationalsozialistischen Kreisen damit begonnen, Franz Marc als �entarteten K�nstler� zu diffamieren. Obwohl w�hrend der Olympischen Spielen 1936 in Berlin die Werke Marcs zu Propagandazwecken noch einmal im Kronprinzenpalais der Welt�ffentlichkeit gezeigt wurden, sah sich im gleichen Jahr der Direktor der Berliner Nationalgalerie, Eberhard Hanfstaengl, dazu gezwungen, das Angebot der Witwe Maria Marc, anl�sslich des 20. Todestages ihres Mannes in den R�umen der Nationalgalerie eine Sonderausstellung zu veranstalten, abzulehnen, um nicht mit den nationalsozialistischen Machthabern in Konflikt zu geraten.

Im Rahmen der Aktion Entartete Kunst wurden 1936/37 zahlreiche Werke Marcs beschlagnahmt und aus den deutschen Museen entfernt. Einige davon wurden in der gleichnamigen Propagandaausstellung gezeigt, was jedoch Proteste des Deutschen Offiziersbund hervorrief, der an Marcs �Heldentod� vor Verdun erinnerte. Ein Teil seiner Werke wurde in der Folge vernichtet, der Rest gr��tenteils ins Ausland verkauft. Durch Kriegseinwirkungen ging ein weiterer Teil seines Oeuvres verloren. Zu den verschollenen Werken geh�rt unter anderem Marcs wohl ber�hmtestes Gem�lde, �Turm der blauen Pferde�, das sich zuletzt im Besitz von Hermann G�ring befunden haben soll.

Der schriftliche Nachlass Franz Marcs wurde 1973 vom Archiv f�r Bildende Kunst im Germanischen Nationalmuseum, N�rnberg k�uflich erworben. Dieser Nachlass umfasst auch einige Zeichnungen und Aquarelle.

Die letzte, und seit der Franz-Marc-Ged�chtnis-Ausstellung 1916 umfangreichste, Retrospektive des verbliebenen malerischen und graphischen Werks von Franz Marc, war vom 17. September 2005 bis zum 8. Januar 2006 im M�nchner Lenbachhaus und im zugeh�rigen Kunstbau zu sehen.

Literatur

F�RSTER, Katja: �Auf der Suche nach einem vollkommenen Sein: Franz Marcs Entwicklung von einer romantischen zu einer geistig-metaphysischen Weltinterpretation�


H�NEKE, Andreas (Hrsg.): �Zitronenpferd und Feuerochse – 100 Grafiken� . Leipzig, Reclam-Verlag, 1990.


Katalog zur Ausstellung �Franz Marc 1880–1916� in der St�dtischen Galerie im Lenbachhaus, M�nchen, hrsg. von Rosel GOLLEK, M�nchen, Prestel-Verlag, 1980.


PARTSCH, Susanna: �Franz Marc 1880–1916�. K�ln, Benedikt Taschen Verlag, 1992


SCHULZ, Oliver: �Die Staatlichen Museen zu Berlin in den Jahren 1933–1945 – Eine institutionsgeschichtliche Studie�. Diplomarbeit, Fachhochschule Potsdam.


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