Eberhard Feik war als Stasi-IM registriert
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Eberhard Feik war als Stasi-IM registriert

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Eberhard Feik als „Tatort“-Kommissar Christian Thanner, 1984.
Eberhard Feik als „Tatort“-Kommissar Christian Thanner, 1984. © Imago

Der Schauspieler Eberhard Feik, bekannt als "Tatort"-Kommissar Thanner war offenbar zwischen 1977 und 1984 bei der Stasi als Inoffizieller Mitarbeiter registriert. Obwohl Feik und seine Frau wohl niemanden verraten haben, ist jetzt die Aufregung groß.

Zu den bizarrsten Phänomenen des an Bizarrerien reichen West-Berlin gehörte die Sympathie kritischer, sensibler Künstler und Intellektueller für die DDR. Wie konnte man, ummauert von brutalen Grenzanlagen und bei jeder Transitreise schikaniert von zwar korrekten, aber organisierte Gewalttätigkeit ausstrahlenden Grenzbeamten, den Glauben hegen, diesem Regime, das seine Bewohner einkerkert, gehöre die Zukunft?

Eine dieser rätselhaften Gestalten, die eine Zeit lang durchaus prägend waren für das geistige Leben West-Berlins, war offenbar Eberhard Feik, bekannt als wackerer TV-Kommissar Thanner an der Seite von Schimanski. Schimanski alias Götz George war der Sponti unter den Tatort-Kommissaren. In Dienst gestellt 1981, ausgemustert zehn Jahre später, aber sporadisch noch immer unterwegs machte der trink- und prügelfeste Beamte vor allem seine hellgraue Parkajacke berühmt, die inzwischen jeder zweite Rentner trägt.

Damals aber galt das praktische Kleidungssstück mit den vielen Taschen als rebellisch und stand sinnbildlich für den ganzen Kerl. Schimanski war so rebellisch, dass ihm der überkorrekte Thanner, stets im Anzug und mit sorgfältig gezwirbeltem Oberlippenbart, nur halb als Partner, mehr noch aber als Aufpasser zur Seite gestellt war.

Das passt zu der Stasi-Geschichte, die das aktuelle „Zeitmagazin“ über Eberhard Feik erzählt. Oder besser zu erzählen versucht. Es ist die mehrseitige, spannende Erzählung über eine Recherche, die am Ende wenig ergab. Spannend ist sie, weil sie von dem scheiternden, detektivischen Versuch erzählt, etwas Konkretes herauszubekommen und dabei viel über journalistische Arbeitsweisen und einiges über die Siebziger Jahre erzählt.

Tatsache ist offenbar, dass Eberhard Feik und seine Frau Anneli Feik-Wagner in den Jahren zwischen 1977 und 1984 bei der Stasi als Inoffizielle Mitarbeiter registriert waren. Es gibt Karteikarten der Stasi in den „Rosenholz“-Dokumenten, die auf drei verschwundene Aktenordner verweisen, die über Tanner angelegt worden waren. Der Schauspieler wurde als IM Lear geführt, seine Frau als Queen, registriert mit dem Kürzel IMA. Das A soll für besondere Aufgaben stehen. Irgendwas muss in den Ordnern abgeheftet worden sein. Aber was? Ohne Grund legte nicht einmal die Stasi eine zweite und dritte Akte an.

Gleich auf der ersten Seite der Geschichte schreibt ihr Autor Toralf Staud: „Haben die Feiks Menschen bespitzelt und verraten? Diese Frage muss man nach einer langen Spurensuche wohl verneinen.“ Anneli Feik-Wagner, inzwischen 70 Jahre alt, räumt ein, Kontakte mit einzelnen Mitarbeitern der HVA gehabt zu haben, bestreitet aber jegliche Arbeit für den DDR-Auslandsgeheimdienst. Sie studiert ab 1973 an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. Eberhard Feik beginnt im selben Jahr als Schauspieler an der Schaubühne am Halleschen Ufer in Berlin. 1978 verlässt er das inzwischen berühmteste Theater Deutschlands wieder, weil er, wie er selbst sagte, dort aus der dritten Reihe nie herausgekommen ist. Eberhard Feik starb vor 20 Jahren an den Folgen eines Herzanfalls.

Die Aufregung ist groß

Obwohl die „Zeit“ auf ihren Online-Seiten selbst schreibt, dass die Feiks wohl niemanden verraten haben, ist jetzt die Aufregung groß. Denn sie wirft ein in der zeitlichen Distanz immer wieder aufs neue faszinierendes Licht auf das seltsame Eiland West-Berlin. Wen sollte der Schauspieler und die Filmstudentin auch verraten haben? Die Stasi konnte den West-Berlinern nichts anhaben, ihr langer Arm reichte nur in den seltensten Fällen bis nach Kreuzberg und Charlottenburg. Und wenn, dann bestimmt nicht, um ein paar Künstler kalt zu stellen.

Aber die DDR war interessiert an Berichten aus der linken Opposition der Stadt, die sie mit einer Mischung aus Lust an der Zersetzung, Schadenfreude und Misstrauen betrachtete. Sie war interessiert an jeder politischen Schwächung des Westens und zugleich froh, eine solche Laus nicht selbst in ihrem Pelz zu haben. Und sie war besonders froh, in den DDR-nahen SEW- und DKP-Mitgliedern ein paar halbwegs verlässliche Partner im unübersichtlichen Spektrum der westdeutschen und Westberliner Linken zu besitzen, die einander spinnefeind gesonnenen china-hörigen K-Gruppen einerseits und von anarchistischen Spontis andererseits dominiert waren.

Womit wir wieder bei dem später zusammen gestellten Gespann Schimanski-Thanner wären, dem Sponti und dem Revi, wie erstere die biederen Gestalten vom Realosozialismus sahen. Gut möglich, dass die Stasi in Eberhard Thanner den idealen Aufpasser über die unzuverlässigen Genossen von der Fraktion der Antiautoritären sah.

Feik war Mitglied der DKP. 1971 kandidierte er bei der Stuttgarter Kommunalwahl für die Partei, verfehlte aber den Einzug in den Stadtrat. In West-Berlin durfte es nach ihrer Drei-Staaten-Doktrin keine DKP geben, dort hieß ihr Ableger Sozialistische Einheitspartei Westberlins (SEW). Die SEW konnte in West-Berlin nie mehr als um die zehntausend Mitglieder gewinnen, und nach den 2,3 Prozent bei der Abgeordnetenhauswahl 1971 nahm die Zahl der Wähler ständig ab. Doch im Umfeld der Partei bewegten sich wesentlich mehr Sympathisanten. An den Hochschulen, in den Gewerkschaften, in der Friedensbewegung und auch in der Kulturszene hatten Kommunisten in den 70ern und 80ern erheblichen Einfluss.

Die von SEW-Genossen geführte ElefantenPress Galerie in Kreuzberg war ein Anziehungspunkt der ganzen alternativ-politischen Szene, der (heute noch bestehende) Hanns-Eisler-Chor gehörte zum Umfeld und strahlte mit brillanten Konzerten weit ins bürgerliche Publikum hinein. Die Parteizeitung „Die Wahrheit“ war eine eher dröge Postille, die Zeitung „Extradienst“ mit ihrer Kneipe „Drehscheibe“ spielte eine wichtige Rolle in der links-intellektuellen Szene West-Berlins – sie war zwar offiziell unabhängig, wurde aber aus Ost-Berlin finanziert. Die SEW unterhielt eine eigene Parteigruppe, in der Mitarbeiter sogenannter bürgerlicher Medien organisiert waren, die ihrerseits erheblichen Einfluss in der IG Druck und Papier und der Gewerkschaft Kunst hatten.

Ähnliche Parteigruppen gab es auch für Theaterleute. Sie pflegten Kontakte zu Kollegen in Ost-Berlin, die zuweilen im Westen auftraten, unter anderem in der Majakowski Galerie am Kurfürstendamm, dem West-Berliner Ableger der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft.

Politische Atmosphäre

Ein anderer Treffpunkt war die Kneipe „Casa Leon“ in der Hasenheide, auf deren Bühne linke Liedermacher, Bands, Theatergruppen und Kleinkünstler auftraten, die nicht direkt etwas mit der SEW zu tun hatten, sich in diesem Umfeld aber wohlfühlten. Alljährlicher Höhepunkt war das Wahrheit Pressefest mit Konzerten und Aufführungen, das zehntausende West-Berliner anzog. Bei solchen und anderen Anlässen trafen sich viele aus der linken Szene, weit über die SEW-Mitglieder hinaus.

Man sah Künstler aus der Filmszene um die Hochschule für Film und Fernsehen, an der auch Eberhard Feiks Frau studierte, wie Max Willutzki, Schauspieler vom Grips oder der Schaubühne wie Jutta Kausch und Maren Kroymann, Maler, Schriftsteller, Galeristen wie Erika Runge, Monika Sieveking oder Carl Timner. Dass sich in dieser Szenerie auch Mitarbeiter der Stasi (und selbstverständlich des Verfassungsschutzes und mach anderer Geheimdienste) bewegten, war wohl irgendwie jedem klar, es spielt aber keine Rolle. Für die SEW galt ohnehin die Grundregel, dass in der Partei aktive Genossen niemals gleichzeitig für die Stasi arbeiten durften. Die suchte ihre Informanten bevorzugt in anderen Umfeldern.

Die Atmosphäre war politisch, es war die Zeit der Solidarität mit den von Pinochet unterjochten Chilenen, die eine Exilgemeinde in Ost-Berlin bildeten, aber auch im Westen unterwegs waren, es war die Zeit der Friedensbewegung und der Proteste gegen die Pershings. Das Feindbild war klar, die USA, die Nato, die Faschisten von Portugal über Spanien bis zur Türkei. Das Unrecht direkt vor der Nase, die Mauer, die den Menschen auf der anderen Seite die Freiheit nahm, war kein Thema – einer der großen Widersprüche jener Zeit, jener Szene.

Und die Schaubühne? Auch sie war ein explizit linkes Theater, hatte ihre wirklich revolutionären Zeiten als Mitbestimmungstheater aber zu Feiks Zeiten längst hinter sich. Gegründet 1962, war die Bühne unter der Leitung des legendären Peter Stein ab 1970 zu einem künstlerisch herausragenden Labor präziser Schauspielkunst von geradezu asketischer Strenge geworden. Es stimmt, ihr Domizil am Halleschen Ufer war eine ehemalige Mehrzweckhalle der Arbeiterwohlfahrt, aber weder lag sie abgelegen, wie das „Zeit-Magazin“ schreibt, noch war sie gar „äußerlich heruntergekommen“. Sie stand im Zentrum der Bewunderung und Kritik.

Einige CDU-Abgeordnete sahen in dem Ensemble von Angela Winkler, Jutta Lampe, Edith Clever, Bruno Ganz, Otto Sander und Peter Fitz eine kommunistische Zelle und forderten die Streichung der Subventionen. Peter Lorenz erkannte in dem Theater „kein künstlerisches Experiment, sondern eine klar gegen die Existenz der Stadt gerichtete Tätigkeit.“ Auf offene Ohren traf er dabei zumindest bei der Stasi, wie man jetzt weiß.

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