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Erstmal ging in Darmstadt für mich wirklich eine neue Welt auf, das kann man sich heute überhaupt nicht mehr vorstellen. Dass es für mich überhaupt denkbar war, das in einen Unterricht zu übertragen, verdanke ich auch Cage. Denn wie er experimentell mit dem Instrument umging, das machten die anderen nicht in dem Maße. Ich hatte auch die Anregung durch Professor Pfennig, dass er von der modernen Bildenden Kunst ausgeht und fragt, warum die Kinder das nicht auch machen sollen - nach bestimmten Aufgaben. In dem Sinne habe ich hier Kinderunterricht gemacht, [zeigt in den Raum] ausgeräumt, alles weg, und dann einfach experimentiert mit den Kindern. Dann habe ich die Bänder mit nach Darmstadt genommen und die waren völlig baff. Sie fragten, wieso können Kinder Neue Musik spielen? Ich sagte, die spielen keine Neue Musik, die spielen ihre Musik, nach bestimmten Aufgabenstellungen. Diese sind aber so offen, dass die Kinder selbst entscheiden können - das können Sie ja in meinem ersten Buch alles nachlesen, die Formulierungen - wie es ausgehen soll. Also, die Struktur war übernommen von der Idee einer neuen strukturellen Musik.
Ich erzählte Ihnen ja eben, dass ich Bänder und Aufnahmen von den Kindern [nach Darmstadt] mitgebracht hatte und der gute John Cage dann, als ich sie ihm gezeigt hatte: "Oh please once more some children's music" sagte. Die Überraschung war so groß, dass Leute dort sagten - und Stockhausen vor allem - ich müsste unbedingt darüber schreiben, und ich sagte, ich hab‘ noch nie ein Buch geschrieben, ich weiß gar nicht wie man das macht. Und Stockhausen schleppte mich zu dem großen Gerig Verlag, den gibt es, glaube ich, immer noch, und dann wurde ein Vertrag gemacht. Heute ist das überhaupt nicht mehr denkbar, ich bekam 3000 DM um zu arbeiten! Jedenfalls, fing ich an zu schreiben und dann sagte der Lektor: Das ist zu viel, zu dick, und das versteht keiner. Und dann saß ich da. Das Buch hat vier Jahre auf Eis gelegen und seltsamerweise - ich weiß bis heute nicht wer es war - bekam ich einen Anruf, in der UE [Universal Edition] würde eine neue pädagogische Reihe herausgegeben, und da wäre mein Buch unbedingt wichtig. Ich schickte das Manuskript nach Wien (und in Wien weiß man sicherlich nicht, wo Oldenburg liegt) und ich bekam die Rückantwort, 50 Schreibmaschinen-Seiten wären genehm und das andere nicht! Dann habe ich wieder neu angefangen mit 50 Schreibmaschinenseiten, und das wurden die Klangexperimente. Ein Jahr nachdem es herausgekommen war, 1970, bekam ich eine Einladung nach Wien. Wie ich da ankam im Verlag, ein Riesenbahnhof, der Dr. Schlee, der damals noch lebte, der Schönberg, Webern mit herausgegeben hatte, und der stellvertretende Direktor, begegneten mir mit einer Servilität, die ich mir überhaupt nicht erklären konnte, und der Lektor sagte: "Ja wissen Sie's net, Ihr Buch hat die ganze Rote Reihe finanziert." Ich sagte: wieso das? Ich kann's mir bis heute noch nicht erklären, das sind diese Klangexperimente.
Ich würde schon sagen, dass ich auch Musikwissenschaftlerin bin - Musikpädagogin auch. Aber ich verlange von einer Musikpädagogin heute, dass sie sowohl Komposition studiert hat, ich meine nicht, dass sie unbedingt komponieren müsste, aber doch eben die Strukturen des Komponierens [kennt, und weiß], was das in unserer Gegenwart bedeutet. Und ich verlange von einer Musikpädagogin auch, dass sie nicht nur Spielexperimente macht mit den Kindern, sondern genauso gut informiert ist, was bedeuten Strukturen in der Musik heute.
Also, bei mir sind die Kisten so voll von Materialien und als ich nun angefangen habe zu schreiben, es war furchtbar. Irgendwo müsste ich auch noch Fotos haben von den Kindern. Jedenfalls: eine ehemalige Studentin, jetzt längst Freundin von mir, die im eigenen Beruf steht, die sagte: „Du, ich hab´ Dich im Fernsehen gesehen.“ Ich sage: „Kann nicht angehen, ich war nicht im Fernsehen.“ „Doch, stimmt aber. Das war die und die Sendung.“ Und da fiel mir ein: tatsächlich - ´72 war mal das Fernsehen hier, bei diesem Chaos von Kinderunterricht. Lustig ist es deswegen, es heißt „Musik als Beruf“ und nun kommt wirklich so Musikschule mit Orff kling klang plung und schön Notenschreiben und dann kommt dieses Durcheinander, dieses Labyrinth hier und die Gören, die hier frei rumhantieren, das ist wirklich lustig.
Ich hatte auf dem Flohmarkt – heute gibt’s die gar nicht mehr – habe ich mal Zithern gesammelt, und die Kinder spielten mit diesen Zithern und das wurde nun auch gezeigt in diesem Film. Dann kriegte ich einen Brief übers ZDF Fernsehen, das hatte diese Frau ans Fernsehen geschrieben: Sie wäre Flüchtling und sie hätte gesehen in einem Film, dass Kinder da eine Zither spielten und sie hätte früher auch eine Zither gehabt und würde so gerne wissen, wo man dann wohl eine Zither bekäme, sie hätte es nicht geschafft eine Zither zu kaufen. Und sie wollte nun wissen wo sind die Zithern her. Dann habe ich mit den Kindern Geld gesammelt, eine Zither gekauft und dieser Frau geschickt. Und dann dieser rührende Brief – jetzt überlege ich, wo habe ich den wieder gelassen – also bei diesen ganzen Dokumentationen, da fiel mir dieser Brief wieder in die Hände, aber jetzt weiß ich schon nicht mehr wo er ist. – Es war so 'was Rührendes.
Ich arbeite jetzt gerade an einem Vortrag, der heißt "Klangfarbe und Farbklang". 1962 habe ich zuerst über dieses Thema geschrieben im Melos und das habe ich mir jetzt wieder angeguckt und dachte erst, hmh, ist eigentlich gar nicht so unflott. Das zweite Mal gelesen, nein, das muss anders, das dritte Mal – weg. Und dann habe ich über einen Freund, einen Kunstwissenschaftler, der hat einen Vortrag gehalten über "Motion is Emotion", kennen Sie Dr. Deppner, in Hamburg? Mit dem habe ich an der Uni auch zusammengearbeitet, ich Musik und er Bildende Kunst. Und es geht um ein Buch von Antonio Domasio "Ich fühle, also bin ich" - Sie kennen Descartes "Ich denke also bin ich" - und man hat heute das limbische System neu entdeckt, das man natürlich kannte, aber man wusste nicht, wie eng dieses limbische System, wo Wahrnehmung, Fühlen, Emotionen, Empfinden zusammen kommen, wie eng das mit dem Kortex, dem Gehirnareal was eher analytisch arbeitet [zusammenhängt]. Und darüber reflektiert Domasio in diesem Aufsatz. Ich habe das dann gelesen und mir fiel ein, du hast ja einen Artikel geschrieben 1984 - der müsste auch angegeben sein im Internet - "Wahrnehmungspsychologische und neurobiologische Aspekte des Musiklernens". Da habe ich diese Sache mit dem vernetzten System [untersucht], verschiedene Wahrnehmungsbereiche vernetzt mit dem Kortex, nach den Forschungen damals, Globoja [?], Wygotski [Lew Wygotski, 1896 - 1934, Psychologe und Pädagoge im Bereich Kindergartenpädagogik], in der Uni war man sehr links, die hatten die russischen Wissenschaftler. Domasio ist Neuropsychologe und hat Untersuchungen, Forschungen gemacht, darüber wie das synästhetische Sehen funktioniert, ich fühle Farbe, empfinde Farbe, der gelbe Klang bei Kandinsky, etc., und wie ist das zu erklären mit den Gehirnaktionen. Da komme ich nun darauf bei diesem Aufsatz "Farbklang- Klangfarbe", erst über Dichtung, Malerei und Musik. Stockhausen hat einen wunderschönen Abschnitt in seinen Bänden, ein Ton, der gepolt, der gerillt, der alles sein kann. Also Metaphern, oder Rimbaud " i: weiß, o: schwarz...." ich weiß nicht, ob Sie das Gedicht kennen, "Vokale" heißt es. Das heißt, jeder kennt das: Bei rot empfinde ich das, oder ein 'e' ist für mich gelb, für den anderen ist das anders, das sind Synästhesien, wo man eine Wahrnehmung mit der anderen verbindet. Das habe ich aber praktisch mit lernbehinderten Schülern gemacht. Das heißt, sie kriegten etwas zu ertasten in einem Beutel, und sollten das, was sie ertastet haben dann zeichnen. Das ist also eine Transformationsleistung, von einer Sinnesempfindung in eine andere. Und das ist ein hochintelligenter Vorgang. Da kann man entdecken, das Kind ist überhaupt nicht lernbehindert, sondern er ist behindert, weil er kaputte Zähne hat und nicht sprechen kann. Solche Sachen. Das ist für mich so etwas Tolles, mich bestätigt zu fühlen in meinen Forschungen, die ich in den 80er Jahren gemacht habe, die werden jetzt von den neuesten Neurobiologen - in anderer Weise, ist ganz klar - aber bestätigt. Aber angewandt in den Schulen, oder auch in den Universitäten, wird es nicht.