Richtig ernst wurde das Abenteuer seines Lebens am 25. April 1859. Ohne offizielle Genehmigung der Hohen Pforte des Osmanischen Reiches in Istanbul, aber dafür mit dem Einverständnis des für Ägypten zuständigen (und weitgehend autonomen) Gouverneurs Muhammed Said machte Ferdinand de Lesseps an diesem Montag den ersten symbolischen Spatenstich. Genauer: Er schlug eine Spitzhacke in den Strand des Mittelmeers. Zeugen waren einige der Gesellschafter, ferner Ingenieure und 150 örtliche Arbeiter.
Seit gut einem Vierteljahrhundert schon träumte de Lesseps den Traum, zwischen Mittelmeer und Rotem Meer einen Kanal zu schlagen. Durch die 165 Kilometer lange künstliche Wasserstraße sollte der Seeweg vom Indischen Ozean nach Europa um 9000 Kilometer verkürzt werden.
Geliebäugelt hatten mit diesem Plan schon manche Pharaonen der ägyptischen Spätzeit im 7. Jahrhundert vor Christus, doch realisierte erst der persische Großkönig Dareios I. nur einen kürzeren Kanal vom Roten Meer zum Nil. Aber erst seit Napoleons Zeiten wurde darüber ernsthaft diskutiert. 1830 wurde klar, dass es keine nennenswerte Differenz beim Wasserspiegel beider Meere gab – ein Kanalbau ohne Schleusen wäre also möglich. Nun brauchte das Projekt noch einen Manager, der es umsetzten konnte.
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Das wurde Ferdinand de Lesseps. 1805 als Sohn eines französischen Diplomaten geboren, wählte er den gleichen Beruf wie sein Vater, wurde 1832 französischer Vizekonsul in Alexandria und stieg binnen weniger Jahre zum Generalkonsul in Kairo auf. Hier freundete er sich mit dem 17 Jahre jüngeren Muhammed Said an, für den er so etwas wie ein (deutlich älterer) Bruder wurde.
Nach weiteren diplomatischen Stationen vor allem in Spanien und Italien schied er im Streit mit der Regierung Napoleons III. aus dem Dienst. Nun machte er sich den Bau eines Kanals zur Aufgabe. Als sein früherer Schützling Muhammed Said das Gouverneursamt erbte, legte de Lesseps los. Zuerst musste er Unterstützer gewinnen, denn: „So lange ich allein glaube, dass es möglich ist, bleibt es unmöglich.“
Nach einigen politischen Wirren (die Hochseemacht Großbritannien war gegen den Kanal) gründete er mit einer Konzession Saids die Suez-Kanal-Gesellschaft. Mit deren Geld konnte er den Kanalbau beginnen – übrigens weitgehend nach Plänen des österreichischen Ingenieurs Alois Negrelli, der für de Lesseps gearbeitet hatte (nach einer anderen Version soll de Lesseps Negrellis Pläne dessen Witwe gestohlen haben).
Mit hoher Energie und wenig Skrupeln setzte de Lesseps den Bau auch in den kommenden Jahren durch. Nach dem frühen Tod von Muhammed Said mit nur 41 Jahren 1863 stand das Projekt wieder auf der Kippe, doch inzwischen machte sich Napoleon III. stark dafür und erreichte die Genehmigung der Hohen Pforte. Zwar kletterten die Kosten von projektierten 160 auf mehr als 420 Millionen Francs – jedoch auch, weil die Ansprüche gestiegen waren und der Kanal nun tiefer ausgebaggert worden war.
Ab dem 25. März 1869, nach neun Jahren und elf Monaten, floss Wasser in die Verbindung, und am 17. November 1869 wurde der Suezkanal feierlich eröffnet. Obwohl die finanziellen Probleme anhielten und der Kanal erst ab etwa 1887 für die Aktionäre Gewinne abwarf, machte sich Ferdinand de Lesseps 1879 an ein weiteres, noch größeres Projekt: einen Wasserweg zwischen Atlantik und Pazifik durch Panama.
Damit scheiterte er freilich; 1888 musste die Projektgesellschaft Konkurs anmelden; auch massive Korruption französischer Parlamentarier hatte nicht geholfen. De Lesseps wurde angeklagt und sogar verurteilt, in zweiter Instanz aber wegen Verjährung freigesprochen. Er starb 1894 im Alter von 89 Jahren in seinem Schloss in einem winzigen zentralfranzösischen Dorf.
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