Kurz vor der 100. Wiederkehr des Beginns des 1. Weltkrieges am 1. August 1914 hat der australische Geschichtsprofessor Christopher Clark ein umfassendes Werk über die politischen Entwicklungen in Europa im Vorfeld des Kriegsausbruchs verfaßt. Nicht umsonst hat er für seine Dokumentation den Titel „Die Schlafwandler“ gewählt. Nach Darstellung der Konflikte auf dem Balkan, die mit der Ermordung des Erzherzogs Franz Ferdinand und seiner Frau Sophie Chotek in Sarajevo ihre Zuspitzung erfuhren, zeigt Clark, das im Sinne des Wortes schlafwandlerische Hineintaumeln der europäischen Großmächte in den Krieg. Es war die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts.

Diese spannende Abhandlung habe ich um die Jahreswende 2013/2014 gelesen und war damals voll der Hoffnung, daß sich ein solches Blutvergießen in Europa nicht wiederholen würde. Denn alle Akteure im politischen Bereich hätten dazugelernt und würden sich nach den Erfahrungen zweier Weltkriege friedvoll und rational verhalten. Das war meine Hoffnung, als ich im Januar 2014 von einem Journalisten gefragt wurde, womit ich mich nach Eintritt in den Ruhestand beschäftigen würde. Clarks Buch legt die Lehren aus dem Versagen der Politik vor Ausbruch des Krieges offen. Nach dem Ende des Kalten Krieges, der Deutschen Einheit und dem Zusammenwachsen Europas war die Hoffnung, daß nie wieder Krieg in Europa herrschen werde, auch wenn die Jugoslawienkriege ein Alarmzeichen gesetzt hatten. Wenige Wochen nach diesem Interview überfiel Russland die Ukraine und besetzte die Krim und es herrscht nunmehr seit neun Jahren Krieg in Europa.

Bibliografische Angaben

Christopher Clark: Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltrkieg zog, München: Deutsche Verlags-Anstalt, 2013

Christopher Clark

Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog

Lesetipp von Hans-Joachim Hacker, der der Bundesstiftung Aufarbeitung auch nach seinem Ausscheiden aus dem Stiftungsrat in Freundschaft verbunden ist.
Lesetipp von Hans-Joachim Hacker mit dem Buch "Die Schlagwandler" von Christopher Clark