Reichsbürgerprozess: Das sind die Köpfe der Reuß-Gruppe
 

Reichsbürgerprozess: Das sind die Köpfe der Reuß-Gruppe

Bei einer Razzia gegen sogenannte „Reichsbürger“ wurde Prinz Reuß im Frankfurter Westend festgenommen.
© Boris Roessler/dpa

Am Dienstag beginnt in Frankfurt die Verhandlung gegen die Rädelsführer der Prinz-Reuß-Gruppe. Die Terrororganisation wollte gewaltsam das politische System Deutschlands stürzen.

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Frankfurt. Unweit des Frankfurter Palmengartens, Stadtteil Westend, noble Gegend, ist es im Dezember 2022 zu einer der spektakulärsten Verhaftungen der vergangenen Jahre in Deutschland gekommen. Fotos dokumentieren, wie vermummte Polizisten den über 70 Jahre alten Adeligen, Heinrich XIII. Prinz Reuß, aus seinem Wohnhaus in der Rossertstraße abführen, vorbei an vollen Papiermülltonnen und einem glänzenden Damenrad. Prinz Reuß trägt ein altmodisches, senfgelbes Sakko, ockerfarbene Hose – und Handschellen. Das Gesicht ist hinter einer FFP2-Maske verborgen. Prinz Reuß wird beschuldigt, mit einer rechtsextremen Reichsbürgergruppe geplant zu haben, in einer groß angelegten Umsturzfantasie den Bundeskanzler zu entmachten und selbst die Führung in Deutschland an sich zu reißen. Am Dienstag beginnt nun vor dem Frankfurter Oberlandesgericht der Prozess gegen ihn und sieben weitere mutmaßliche Rädelsführer der Gruppe.

Ermittler fanden über 380 Schusswaffen

Laut Anklage sollen die Verschwörer ab August 2021 den Umsturz vorbereitet haben. So fanden Ermittler bei den Verhafteten und in deren Umfeld offenbar über 380 Schusswaffen, 350 Hieb- und Stichwaffen, 150.000 Schuss Munition und 17 Sprengstoffe. Ziel der Terrorzelle sei gewesen, so die Anklage, mit den Waffen gewaltsam in den Bundestag einzudringen. Zahlreiche namhafte Politiker standen mutmaßlich auf der Todesliste der Terrorgruppe. Prinz Reuß, als Anführer der Operation, sollte anschließend als Staatsoberhaupt die Geschäfte der neu eingesetzten Übergangsregierung leiten, so zumindest der Plan.

Prinz Reuß wird am Dienstag demnach der prominenteste Vertreter auf der Anklagebank in Frankfurt sein. Der Adelige gilt seit Jahren als zweifelhafte Kultfigur der verschwörungsideologischen Szene und sorgte vor seiner Verhaftung häufig mit kruden Thesen für Aufmerksamkeit. Unter anderem soll Prinz Reuß immer wieder öffentlich geäußert haben, dass Deutschland kein Staat sei, sondern von einer BRD GmbH regiert werde. Er gilt als tiefverwurzelt in der Reichsbürgerszene, die die Existenz der Bundesrepublik grundsätzlich nicht anerkennt.

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Ebenfalls auf der Anklagebank wird Rüdiger v. P. sitzen, ein ehemaliger Offizier der Bundeswehr und Fallschirmjäger-Kommandeur. Er gilt neben Prinz Reuß als zweiter führender Kopf der Terrororganisation. Der Soldat sollte nach dem vollzogenen Umsturz das militärische Kommando im Land übernehmen. Ihm werden außerdem Kontakte nach Russland nachgesagt.

Ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete vor Gericht

Die dritte bekannte Person im Pool der Angeklagten ist die ehemalige Richterin und AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann. Gemäß dem Plan der Terrorgruppe sollte ein kleiner, bewaffneter Trupp in den Bundestag eindringen, um den Umsturz einzuleiten. Malsack-Winkemann hat als Bundestagsabgeordneter der rechtsextremen Gruppe offenbar im Vorfeld Zugang zu den Räumen des Berliner Reichstags verschafft, um die Operation besser planen zu können. Nach der Machtübernahme sollte sie Justizministerin werden.

Mit Maximilian E. wird einem weiteren Bundeswehroffizier der Prozess gemacht. Der Bayer avancierte während der Corona-Pandemie zu einem überregional bekannten Sprachrohr der Querdenkerszene. Er wird genau wie der ebenfalls Angeklagte Peter W., ein Survival-Trainer aus Bayern, beschuldigt, Gebäude des Bundestages ausspioniert und aktiv Soldaten für den „Tag X“ angeworben zu haben. Außerdem sollen die beiden Waffen beschafft und Schießtrainings durchgeführt haben.

Des Weiteren stehen vor Gericht: Johanna F.-J., eine Querdenkerin vom Bodensee, die offenbar ebenfalls versuchte Kontakte zu russischen Regierungsstellen aufzubauen. Sie sollte nach dem Sturz Familienministerin werden. Michael F., ein Polizist aus Niedersachsen. Und Hans-Joachim H., ein Finanzberater aus dem Landkreis Harburg, ebenfalls Niedersachsen.

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Prozesse gegen hessische Mitglieder in Stuttgart und München

Neben der Verhandlung in Frankfurt finden noch zwei weitere Terrorprozessen gegen die Reuß-Gruppe statt – in Stuttgart und in München. In Stuttgart muss sich der sogenannte militärische Arm der Terrororganisation mit neun Angeklagten vor Gericht verantworten. In München wird der restliche Kern der Gruppe vor Gericht stehen, mit acht Angeklagten. Unter den Angeklagten befinden sich jeweils auch zwei weitere Hessen: Alexander Q. (59) aus Wetzlar-Dutenhofen (Prozess in Stuttgart, Beginn war am 29. April) und Ruth L. (69) aus Heppenheim (Prozess in München, Start ist am 18. Juni).

Der Wetzlarer Q. betrieb bis zu seiner Festnahme am 7. Dezember 2022 einen Telegram-Kanal mit rund 130.000 Abonnenten und soll laut Anklage als „Sprachrohr“ der Vereinigung agiert haben. Mit seinem Kanal, auf dem viele verschwörungstheoretische Inhalte geteilt wurden, sollte er den „Tag X“ ausrufen, den Tag des Umsturzes. Dann sollte der Bundestag gestürmt werden, und es sollten unter anderem Landräte und Amtsärzte exekutiert werden. Dafür habe es schon Todeslisten gegeben. Q. nahm an Planungstreffen teil, nach einer Machtübernahme sollte er einen eigenen TV-Sender für Propagandazwecke gründen und den Bundeswehrsender „Radio Andernach“ übernehmen.

Ruth L. aus Heppenheim gehörte laut Anklage zu den Gründungsmitgliedern der Vereinigung, sie sei frühzeitig in die Pläne für das gewaltsame Eindringen in den Bundestag eingebunden gewesen. Sie habe auch neue Mitglieder rekrutiert, darunter die nun in Frankfurt angeklagte ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann. Im „Rat“ der Vereinigung habe die Astrologin das Ressort „Transkommunikation“ übernommen, das unter anderem für die persönliche Beratung von Heinrich XIII. Prinz Reuß zuständig gewesen sei. Sie habe sich ebenfalls an mehreren Koordinierungstreffen beteiligt.