Der „Polizeiruf“ aus Magdeburg: Absturz eines Internetstars und Influencers

Der „Polizeiruf“ aus Magdeburg: Absturz eines Internetstars und Influencers

Von Influencern wird in der ARD nicht viel gehalten, das zeigt auch dieser Sonntagskrimi. Im neuen „Polizeiruf: Unsterblich“ geht es um reale Trauerarbeit.

Aalisha (Hannah Gharib, mitte) sucht die Nähe zu ihrer Familie, doch Mutter Halime (Tahani Salim, l.) und Schwester Nadira (Eman Dwagy, r.) wenden sich ab.
Aalisha (Hannah Gharib, mitte) sucht die Nähe zu ihrer Familie, doch Mutter Halime (Tahani Salim, l.) und Schwester Nadira (Eman Dwagy, r.) wenden sich ab.ARD

Eine Motte will unbedingt ans Licht, eine junge Altenpflegerin (Hannah Gharib) schminkt sich für einen besonderen Auftritt. Es gehe immer noch um den alten Traum, erklärt sie einem Mann im Rollstuhl (Hendrik Arnst). Dann sieht man sie fliegen – durch das Glasdach eines Magdeburger Einkaufscenters. Als sie unten auf dem Boden aufschlägt und stirbt, gucken alle zu oder zücken das Smartphone.

Nur eine junge Frau eilt zu ihr: Sie hat sie als Influencer-Star Aalisha erkannt. Kommissarin Brasch (Claudia Michelsen) erfährt, dass sie über eine Million Follower hatte, aber zuletzt in der Beliebtheit regelrecht abgestürzt war. Denn sie hatte ein Diätpräparat beworben, dann aber zugegeben, dass sie sich immer nur den Finger in den Hals gesteckt hatte. Im Netz hatte Aalisha offenbar ihren Abschied angedeutet: „Breaking News morgen!“ Auch dazu hagelte es hämische Kommentare wie „Dein letzter Post ist voll eingeschlagen. LOL.“

Merkwürdig ist allerdings, dass weder die aus Syrien stammende Familie von Aalisha noch ihre beste Freundin Leonie (Katharina Stark) eine Arbeit als Altenpflegerin erwähnen. Dieser fordernde Job scheint gar nicht zu einer Influencerin zu passen. Ihre Schwester Nadira (Eman Dwagy), die zusammen mit ihren Eltern und ihrem Bruder ein Restaurant betreibt, erklärt Brasch, Aalisha wollte nie bedienen, sondern immer nur bedient werden. Der Bruder Mahdi (Mo Issa) gibt sich unbeeindruckt. Leonie zeigt der Kommissarin Fotos von Aalisha, die belegen, dass jene von ihrem Bruder verprügelt wurde. Doch als Brasch ihm Vorhaltungen macht, weist er ihre Vorwürfe als rassistisch zurück: „Überprüfen Sie mal Ihre Vorurteile!“ Die Kommissarin geht prompt in sich, gesteht ihrem Chef (Felix Vörtler): „Kennen Sie das, wenn man selber im Kopf schon ein Nazi ist und es nicht mal selber merkt?“

Während die Ermittler unsicher bleiben über den Umgang mit Migranten, sind sie sich einig in ihrer Ablehnung, ja Verachtung der Scheinwelten im Netz. Doreen Brasch weiß, dass die Influencer allesamt Narzissten sind und keinerlei Empathie empfinden können. Das hat Tradition in den ARD-Sonntagskrimis, die schon mehrfach vorgeführt haben, dass die Netzstars für Klicks und Ruhm zu allem bereit sind – zuletzt im Münsteraner „Tatort: Magic Mom“ vor einem Jahr.

Durchaus Verständnis entwickelt die Kommissarin aber für jene, die Internetstars anhimmeln und ihnen blindlings folgen. Ins Zentrum rückt jene Freundin, die als Friseurin arbeitete, für Aaalishas Look sorgte und sie bis zuletzt verteidigte. Katharina Stark zeigt hier ihr Talent für das große Drama: Die 25-Jährige war auf der jüngsten Berlinale als „European Shooting Star“ ausgezeichnet worden – und Vorgängerinnen wie Franka Potente, Maria Schrader, Nina Hoss oder Hannah Herzsprung machten ja tatsächlich eine Kinokarriere, und viele wurden auch Fernsehkommissarinnen: Heike Makatsch, Maria Simon, Franziska Weisz, Anna Maria Mühe und zuletzt Johanna Wokalek.

Für berührende Momente sorgt die private Begegnung zwischen Brasch und ihrem Chef Lemp. Der war im letzten Fall „Du gehörst mir“ von einer Nachbarin als Geisel genommen, will nicht mehr in seine Wohnung zurückkehren und haust mit seiner Katze in einer Pension. Claudia Michelsen und Felix Vörtler spielen zwei Einsame, die sich beim Bier fragen, was von ihnen bleiben wird. Die Frage stellt sich beim Abspann noch einmal, denn hier wird an Hendrik Arnst und Pablo Grant erinnert, die nach Abschluss der Dreharbeiten starben. Grant, der Berliner Schauspieler und Rapper, wurde nur 26 Jahre alt – und das Potenzial seiner Rolle ist im Magdeburger „Polizeiruf“ leider nicht mal ansatzweise ausgereizt worden. Er blieb nur „Günther“, der coole Typ am Computer.

Polizeiruf: Unsterblich. Sonntag, 12. Mai, 20.15 Uhr, ARD (+ Mediathek)