Papst an Anglikaner: "Mein Job ist hart. Bitte betet für mich."

Segnung homosexueller Paare: Streit bei römischem Anglikaner-Treffen

Veröffentlicht am 12.05.2024 um 12:00 Uhr – Von Sabine Kleyboldt (KNA) – Lesedauer: 

Rom ‐ Zum ersten Mal trafen sich die Leiter der anglikanischen Kirchenprovinzen in Rom. Highlight der viertägigen "Pilgerreise": Das Gespräch mit dem Papst. Doch war etwa ein Viertel der Primasse gar nicht erst gekommen – denn es gibt Streit um die Segnung homosexueller Paare.

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Von "historischen Tagen" sprach Erzbischof Justin Welby von Canterbury nach dem ersten Primas-Treffen der anglikanischen Kirchenprovinzen in Rom. Gebete, Gespräche und Besuche etwa der Basilika Sankt Paul vor den Mauern oder der Gemeinschaft Sant'Egidio, wo sich vor allem katholische Laien für benachteiligte Menschen einsetzen, prägten die Tage Anfang Mai in der Ewigen Stadt. Highlight des 23. Primas-Treffens: das etwa einstündige, freundschaftliche Gespräch mit Papst Franziskus. "Es waren Tage voller Dankbarkeit und Freude", so Welby (68), Ehrenoberhaupt der anglikanischen Weltgemeinschaft.

Einziger Wermutstropfen der Primas-Konferenz: 32 Provinzen waren bei dem Treffen vertreten, neun jedoch nicht. Mindestens zwei der Abwesenden nannten dafür persönliche Gründe wie Krankheiten in der Familie oder Probleme in ihrer Region, die eine Ausreise unmöglich machten. Doch die meisten lehnten die Teilnahme aus Gewissensgründen ab, was Welby "sehr bedrückend" nannte.

"Das eigentliche Problem bleibt die Entscheidung der Kirche von England, weiter zu prüfen, inwieweit sie den Segen für Paare in gleichgeschlechtlichen Beziehungen unterstützen wird, die bereits offiziell durch eine standesamtliche Zeremonie anerkannt sind", erklärte der Erzbischof von Canterbury. "Da haben wir alle unterschiedliche Ansichten." Er äußerte die Hoffnung, dass die anwesenden Primasse aus den Ländern des Südens den "fehlenden Freunden und Kollegen" bei der Konferenz der anglikanischen "Global South Fellowship" im Juni vom Treffen in Rom berichten und sie weiter in die Gemeinschaft einbinden.

Spaltungstendenz bei den Anglikanern

Doch damit stand die Leitung der anglikanischen Kirche erneut vor dem gleichen Phänomen wie 2022 bei der Lambeth-Konferenz in Canterbury sowie vielen dieser Weltbischofstreffen, die gewöhnlich alle zehn Jahre stattfinden: Schon mit der Priesterweihe für Frauen hatten vor allem Bischöfe aus dem Globalen Süden ihre liebe Not. Die Bischofsweihe der ersten bekennend homosexuellen Person 2003 in New Hampshire beförderte weitere Spaltungstendenzen.

Und die Entscheidung der Church of England vom Herbst 2023, homosexuelle Paare zu segnen, war ein weiterer Schritt, den viele Provinzen in Afrika oder Asien nicht mitgehen wollten – und deshalb schon der Lambeth-Konferenz fernblieben. Nur wenige Wochen nach der Church of England entschied übrigens der Vatikan in der Erklärung "Fiducia supplicans", dass Menschen in "irregulären" Beziehungen der Segen nicht verwehrt werden darf – wie etwa gleichgeschlechtlichen Paaren.

Angesichts des nach wie vor deutlichen Bedrohung der Spaltung beschworen die 32 Teilnehmer, unter denen auch drei Frauen waren, die anglikanische Einheit. Diese ist sprachlich und kulturell sehr vielfältig, wie die vertretenen Länder illustrieren, darunter Schottland, Irland, England, Jerusalem/Nahost, Zentralafrika, Burundi und Südafrika, Mexiko, Argentinien und Brasilien, Kanada, Singapur, Hongkong, Bangladesch, Indien, Pakistan und Neuseeland.

Bild: ©KNA

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Viele berichteten über Probleme und Herausforderungen in ihren Regionen, darunter Kriege, Folgen des Klimawandels, Zu- bzw. Abwanderung. "Es war eine sehr emotionale Woche, die uns gelegentlich zu Tränen gerührt hat", sagte Welby. So legte etwa der japanische Erzbischof Luke Ken-ichi Muto dar, wie sehr die Menschen nach Erdbeben, Tsunami und Reaktorkatastrophe von Fukushima 2011 noch Hilfe brauchen. Der kenianische Erzbischof Jackson Ole Sapit gab einen Überblick über das Engagement der Kirche für unterprivilegierte Menschen in seinem Land. Und Erzbischöfin Linda Nicholls, Primas von Kanada, sprach über den Einsatz der Anglikaner für indigene Gemeinschaften.

Besonders wertvoll waren der Versammlung ökumenische Gesten, die sie unter anderem durch Gespräche mit Kardinal Mario Grech, dem Generalsekretär der Weltbischofssynode, Kardinal James Harvey sowie erst recht durch Papst Franziskus erlebte. Eine Stunde lang widmete er seinen Gästen ermutigende und bestärkende Worte, so Welby. Er erinnerte an das gemeinsame christliche Erbe, das Anglikaner und Katholiken "seit vielen Jahrhunderten" teilen. Diese gemeinsamen Reichtümer könnten Ängste inmitten unvermeidlicher "Momente der Spannung und des Missverständnisses" beruhigen. In der Erkenntnis, dass der "wahre Protagonist" der Heiligen Schrift der Heilige Geist ist, können wir unsere Meinungsverschiedenheiten ohne Angst annehmen, so der Papst. Es gelte, in einem Geist der Sanftmut nach neuem Verständnis füreinander zu streben.

"Nur die Liebe, die Jesus lehrte und verkörperte, wird getrennte Christen einander näher bringen", betonte Franziskus vor den anglikanischen Gästen. Um Einheit zu erreichen, dürfe man nicht in der Vergangenheit verharren. Und zum Abschluss der Privataudienz richtete der Papst eine Bitte an die anglikanischen Brüder und Schwestern: "Mein Job ist hart. Bitte betet für mich."

Von Sabine Kleyboldt (KNA)