Giuseppe Tomasi di Lampedusa – Der Leopard

Ein italienischer Klassiker, ja als „Jahrhundertroman“ gilt das 1958, ein Jahr nach dem Tod des Autors erschienene erste und einzige Buch von Giuseppe Tomasi di Lampedusa, „Der Leopard“. Und das, obwohl es zuvor von den bedeutenden Verlagshäusern Italiens abgelehnt wurde und erst der Schriftsteller und damalige Lektor von Feltrinelli Giorgio Bassani seinen Wert erkannte.

Es waren die tief im 19. Jahrhundert verankerte Thematik und Erzählweise, die zu einer Zeit, in der man eher von der Avantgarde fasziniert war, von der Moderne, dem Experimentellen, wenig Interesse weckte. Beim Publikum wurde der Roman allerdings gleich ein großer Erfolg und 1963 von Luchini Visconti legendär mit Burt Lancaster, Claudia Cardinale und Alain Delon verfilmt.

Episch und vordergründig konventionell, wird die Erzählperspektive in „Der Leopard“ von Giuseppe Tamoasi di Lampedusa doch an etlichen Stellen gebrochen und gehen die Passagen eines allwissenden Erzählers fließend in innere Monologe über. Darin ist der Roman alles andere als altmodisch oder betulich.

der Leopard von Sizilien

Erzählt wird vom Fürsten Fabrizio Cobera von Salina, dessen Figur von des Autors Urgroßvater inspiriert wurde. Beide entstammen einer jener alten sizilianischen Adelsfamilien, die in herrschaftlichen Palazzi in Palermo und Umgebung ein weitgehend müßiges, wahrhaft fürstliches Leben führten. Jagden, ein wenig Literatur, Essenseinladungen und abendliche Bälle bestimmten das recht beschauliche Leben im von den Bourbonen regierten Königreich beider Sizilien.

Garibaldi in Palermo
Garibaldi in Palermo, 1860. Expedition of the Thousand, Italy, 19th century. (Photo by DeAgostini) via Wikimedia Commons

Doch nun schreiben wir den Mai 1860 und nach Volksaufständen auf der Insel gegen die bourbonische Regentschaft landet der „Zug der Tausend“ mit rund 1000 freiwilligen Kämpfern unter Giuseppe Garibaldi auf Sizilien, um die Insel und später auch Neapel dem neugegründeten italienischen Einheitsstaat anzuschließen. Es ist eine Zeit des Umbruchs.

Was der Fürst zunächst nicht wahrhaben mag. Glaubt er doch zu sehr an den Verharrungswillen der Sizilianer.

„In Sizilien ist es nicht von Belang, richtig oder falsch zu handeln: die Sünde, die wir Sizilianer niemals verzeihen, ist schlicht und einfach die, überhaupt ‚zu handeln‘.“

Auch am Reformwillen seiner Landsleute zweifelt er:

„Lieber Chevalley: die Sizilianer werden nie den Wunsch haben, sich zu verbessern, aus dem einfach Grund, weil sie glauben, vollkommen zu sein: ihre Eitelkeit ist stärker als ihr Elend; jede fremde Einmischung, sei es wegen der fremden Herkunft, sei es aus Unabhängigkeitsgeist, bringt ihre Träume von einer erreichten Vollkommenheit durcheinander, ja sie könnte ihr selbstzufriedenes Warten auf das Nichts in Frage stellen; von Dutzenden verschiedenen Völkern mit Füßen getreten, glauben sie, eine kaiserliche Vergangenheit zu haben, die ihnen Anrecht auf pompöse Bestattungen gibt.“

eine neue Zeit

Und doch haben sich die Zeiten geändert. Das merkt als Erster sein mittelloser Neffe Tancredi, dessen sich Fürst Fabrizio an Vatersstatt angenommen hat. Sein Ausspruch:

„Wenn wir wollen, dass alles bleibt, wie es ist“, dann ist nötig, dass sich alles verändert.“

ist eine der berühmtesten Szenen des Romans und wurde in Italien zum geflügelten Wort. Gattopardismo nennt man in Anlehnung an den Romantitel das passive Beharren auf den Gegebenheiten bei oberflächlichem Aktionismus.

Giuseppe Tomasi di Lampedusa
Giuseppe Tomasi di Lampedusa by  Davide Mauro [CC BY-SA] via Wikimedia Commons
Tancredi verkörpert dieses Beharren und gleichzeitige Anerkennen des Neuen. Er knüpft zarte Bande zu Angelica Sedára, der bildschönen Tochter des reichen Bürgermeisters von Donnafugata, Don Calogero. Dieser ist der typische Vertreter eines neuen Typus Mensch, des bürgerlichen Aufsteigers. Tüchtig, clever, skrupellos, aber ungehobelt und ungebildet, hat er mit seinen Ländereien viel Geld gemacht und ist zu Ansehen, Amt und Würden gekommen. Donnafugata, wohin sich die fürstliche Familie in der heißen Jahreszeit zurückzieht, ist dem Sommersitz der Fürstenfamilie Tomasi, einem Palast mit dreihundert Zimmern und drei Innenhöfen in Santa Margherita di Belice, nachempfunden.

Melancholie und Ironie

In sinnlichen Tableaus, mit viel psychologischem Einfühlungsvermögen und vor allem einer großartigen Portion feiner Ironie erzählt Giuseppe Tomasi die Lampedusa von diesem Epochenbruch, vom Untergang eines quasi noch feudalen Zeitalters, von den politischen Veränderungen des Risorgimentos. Es schwenkt eine ganze Menge nostalgische Melancholie mit, wenn er, wenn auch immer leicht ironisch gebrochen, vom Verschwinden eines ganzen Lebensstils erzählt. Mit viel Zuneigung begleitet der Autor seine Protagonisten, besonders den einst mächtigen, kraftvollen Fürsten, der in seinem Wappen stolz den Leoparden trägt.

Im vorletzten Teil des Buches wohnen wir dann auch dem berührend erzählten Tod des Patriarchen im Jahre 1883 bei. Und am Ende macht das Buch dann sogar einen Sprung ins Jahr 1910. Da ist vom einstigen Glanz der Fürstenfamilie wenig übriggeblieben.

„Der Leopard“ liegt in einer glänzenden neuen Übersetzung von Burkhart Kroeber vor, dem ein ausführliches Nachwort und zahlreiche Anmerkungen beigefügt sind.

 

Beitragsbild: Guiseppe Incorpora – Palermo [Public domain] via Wikimedia Commons

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Giuseppe Tomasi di Lampedusa - Der Leopard.
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Giuseppe Tomasi di Lampedusa – Der Leopard
Übersetzt von: Burkhart Kroeber
Piper September 2019, 400 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag, € 24,00

 

3 Gedanken zu „Giuseppe Tomasi di Lampedusa – Der Leopard

  1. Was mich an diesem Roman am stärksten fasziniert hat, ist die konsequente stilistische Gestaltung. Auch wenn eine Übersetzung zugrunde liegt: Ich habe mich regelmäßig bei dem Gedanken ertappt: „Faszinierend, wie präzise dieser alte Roman das Dilemma Siziliens zwischen Trägheit, Nationalstolz, Oligarchie und ökonomischer Abgehängtheit in Worte fasst“ – ein Dilemma das bis heute nicht wirklich aufgelöst wurde. Und dann muss man sich wieder daran erinnern: Dieser Roman stammt aus den 1950er Jahren, nicht aus dem mittleren 19 Jahrhundert, in dem er spielt.

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