Walter Scheel: FDP-Vorsitzender, Vizekanzler und Bundespräsident
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Walter Scheel: Alle Informationen zum vierten Bundespräsidenten Deutschlands

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Vereidigung des Außenministers und Vorsitzenden der FDP, Walter Scheel.
Nach dem Rücktritt von Willy Brandt übernahm Walter Scheel für wenige Tage das Amt des Bundeskanzlers, bevor er zum Bundespräsidenten gewählt wurde. © picture alliance / dpa / Egon Steiner

Walter Scheel hat eine facettenreiche Karriere aufzuweisen. Als Vizekanzler übernahm er für einige Tage sogar das Kanzleramt.

  • Als Außenminister war Walter Scheel maßgeblich an der sogenannten Entspannungspolitik zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion beteiligt.
  • Nach dem Rücktritt von Willy Brandt übernahm er für wenige Tage das Amt des Bundeskanzlers, bevor er zum Bundespräsidenten gewählt wurde.
  • Beim Volk sammelte er vor allem dank seines Hits ‚Hoch auf dem gelben Wagen‘ Popularität. Andere warfen ihm einen dekadenten Lebensstil vor.

Der deutsche FDP-Politiker Walter Scheel wurde am 8. Juli 1919 im Solinger Stadtteil Höhscheid als Sohn des Stellmachers Albrecht Scheel und seiner Frau Helene Scheel geboren. Sein Abitur schloss er erfolgreich am Gymnasium Schwertstraße ab. 1938 begann er eine Lehre bei der örtlichen Volksbank, die er ein Jahr später erfolgreich absolvierte. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde der spätere Bundespräsident an die Front gerufen, weshalb er Pläne für ein Wirtschaftsstudium aufgeben musste. Scheel diente erst als Adjutant in der Luftwaffe, später stieg er zum Oberleutnant auf und gelangte für kurze Zeit in britische Gefangenschaft.

Nach Kriegsende kehrte er zurück in seine Heimat und arbeitete in der Rasierklingenfirma seines Schwiegervaters. Ab 1953 war er als selbstständiger Wirtschaftsberater in Düsseldorf tätig und stieg dort zum Geschäftsführer des Marktforschungsinstituts Intermarket sowie der von ihm mitbegründeten Firma InterFinanz auf. Seine wirtschaftliche Expertise kam Scheel später auch politisch zugute. Als FDP-Vorsitzender, Außenminister, Vizekanzler und später Bundespräsident hatte er prägenden Einfluss auf die deutsche Politik der 1960er bis 1970er Jahre.

Walter Scheel: Politische Anfänge und Werdegang

Scheels politische Karriere begann bereits im Jahr 1946. Damals trat er der FDP bei und war von 1948 bis 1950 Stadtrat von Solingen. Anschließend saß er für eine Legislatur im Landesvorstand der Freien Demokraten in Nordrhein-Westfalen. Von 1953 bis 1974 war er Mitglied des Deutschen Bundestages, davon fungierte er zwei Jahre lang als Vizepräsident. Schon früh machte der Wirtschaftsexperte seine pro-europäische Haltung deutlich und unterstützte so auch Pläne zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. So war es auch kein Wunder, dass er 1955 Mitglied der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) wurde und anschließend drei Jahre lang als FDP-Abgeordneter im Europäischen Parlament diente.

Größere Aufmerksamkeit erregte Scheel 1956, als er Teil der sogenannten Jungtürken war, die den Koalitionswechsel in Nordrhein-Westfalen von der CDU zur SPD initiierten. Als Folge davon schied auch die FDP aus der Bundesregierung aus und öffnete sich politisch mehr gegenüber den Sozialdemokraten. Nach der Bundestagswahl 1961 fiel Scheel die Rolle des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit zu, nachdem die Union unter Konrad Adenauer auf eine Koalition mit der FDP angewiesen war. Aufgrund der Spiegel-Affäre trat er 1962 von seinem Amt zurück, kehrte aber im gleichen Jahr zurück. Seinen Posten behielt Scheel auch mit dem Regierungsantritt von Ludwig Erhard 1963 bei. Drei Jahre später entbrannte ein Streit zwischen FDP und CDU über den Bundeshaushalt, was ihn und seine Parteimitglieder zum Rücktritt motivierte und den Sturz von Erhards Regierung zur Folge hatte.

Walter Scheel: Vom FDP-Vorsitzenden zum geschäftsführenden Bundeskanzler

1968 wurde Walter Scheel zum Vorsitzenden der FDP gewählt und trat damit die Nachfolge von Erich Mende an. Als solcher brachte der spätere Bundespräsident frischen Wind in die Parteiränge und leitete eine Orientierung zu einer sozialliberalen FDP ein. 1969 unterstützte er so auch den SPD-Kandidaten Gustav Heinemann dabei, das Amt des Bundespräsidenten zu übernehmen.

Seine Präferenz für die Sozialdemokraten machte Scheel auch kurz vor der Bundestagswahl 1969 deutlich. Zusammen mit Willy Brandt initiierte er trotz Widerstand aus beiden Lagern eine Koalition aus SPD und FDP. Unter Brandt wurde er anschließend zum Vizekanzler und zum Bundesaußenminister ernannt. Beide Politiker setzten sich für die sogenannte Entspannungspolitik im Kalten Krieg ein, die eine Annäherung an den Osten zum Ziel hatte. Dafür schlug ihnen sowohl von der Opposition als auch von den eigenen Rängen heftiger Gegenwind entgegen. Es folgten Fraktionsaustritte und 1972 wurde im Bundestag ein konstruktives Misstrauensvotum gegen Brandt eingebracht. Die vorgezogenen Neuwahlen im gleichen Jahr bestärkten die Koalitionsregierung jedoch letztendlich in ihrem Kurs und hatten Stimmengewinne für beide Parteien zur Folge. Die Sozialdemokraten konnten sogar den größten Wahlerfolg ihrer Geschichte verweisen.

1970 wurde der Moskauer Vertrag unterschrieben, in dem sich die Bundesrepublik und die Sowjetunion dazu verpflichteten, den internationalen Frieden aufrechtzuerhalten. Auch mit Polen und der CSSR schloss die Bundesrepublik ähnliche Verträge zur Förderung des Entspannungsprozesses. Das waren jedoch nicht die einzigen außenpolitischen Leistungen Scheels. So initiierte er unter anderem die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu China, setzte sich für die Erweiterung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ein und arbeitete am Grund­la­genver­trag zwi­schen der Bun­des­re­pu­blik und der DDR mit.

Als Willy Brandt am 7. Mai 1974 zurücktrat, übernahm Walter Scheel übergangsweise das Amt des Bundeskanzlers. Neun Tage später, am 16. Mai 1974, wurde Helmut Schmidt zum neuen Kanzler gewählt.

Walter Scheels Aufstieg zum Bundespräsidenten

Zur gleichen Zeit kandidierte Scheel als Bundespräsident und Nachfolger von Gustav Heinemann. Am 15. Mai 1974 setzte er sich mit 530 zu 498 Stimmen gegen den CDU-Kandidaten Richard von Weizsäcker durch und wurde zum vierten und mit 54 Jahren bisher jüngsten Bundespräsidenten gewählt. Damit legte er alle Parteiämter nieder. Während seiner Amtszeit führte Scheel seinen bisherigen politischen Kurs fort und setzte sich weiter für eine Entspannungspolitik ein. Als erster Bundespräsident besuchte er 1975 die Sowjetunion und bestärkte so den diplomatischen Kurs der Bundesrepublik.

Weitere Reisen führten ihn unter anderem nach Frankreich, die USA, Costa Rica, Mexiko, Japan, Iran und Australien. Eine seiner bedeutendsten Reden stammt wohl aus dem Jahr 1975 zum 30. Jahrestag des Kriegsendes. Darin stellte er heraus, dass das deutsche Volk Adolf Hitler gewählt habe und ihm so keineswegs nur die Rolle des Opfers zufalle. 1976 erregte er Aufsehen, als er die Unterzeichnung des Gesetzes zur Abschaffung der Gewissensprüfung bei Wehrdienstverweigerern verweigerte und auf die fehlende Absegnung durch den Bundesrat hinwies. Damit war er der vierte Bundespräsident, der einem Gesetz seine Unterschrift verweigerte.

Für eine zweite Amtszeit ließ sich Scheel nicht aufstellen. Aufgrund der Dominanz der Union in der Bundesversammlung verzichtete er darauf, erneut zu kandidieren. Am 30. Juni 1979 schied er aus dem Amt des Bundespräsidenten aus, sein Nachfolger war der CDU-Politiker Karl Carstens, der sich gegen die ehemalige Bundestagspräsidentin Annemarie Renger (SPD) durchgesetzt hatte.

Als Altbundespräsident wurde er zum Ehrenvorsitzenden der FDP und übernahm eine Reihe von Ehrenämtern. So war er Ku­ra­to­ri­ums­vor­sit­zen­der der Fried­rich-Nau­mann-Stif­tung und Ehrenvorsitzender der Europa-Union Deutschland sowie der Deut­schen In­ves­ti­ti­ons- und Ent­wick­lungs­ge­sell­schaft.

Walter Scheel: Besonderheiten der Amtszeit

Als singender Bundespräsident ging Walter Scheel in die Geschichte ein. 1973 nahm er für die Behindertenhilfsorganisation Aktion Sorgenkind zusammen mit zwei Düsseldorfer Männergesangvereinen das Volkslied ‚Hoch auf dem gelben Wagen‘ auf. Die Schallplatte erwies sich als bundesweiter Hit und belegte Platz 5 der deutschen Singlecharts. Im Frühjahr 1974 hatte sich das Lied bereits über 300.000 Mail verkauft. Auch aus diesem Grund erlang er schnell die Sympathien der Bürger. Seine leutselige Art, sein Hang zur Eleganz und sein unkonventionelles Patchwork-Familienleben mit Mildred Scheel brachten ihm zusätzliche Sympathien ein.

Andere fassten seinen Lebensstil und die prachtvolle Ausstattung seines Dienstsitzes dagegen als dekadent auf und kritisierten ihn für seine Vorliebe für das Repräsentative. Kurz nach seinem Amtsantritt erkor Scheel so die neoklassizistische Villa Hammerschmidt als neuen Amtssitz aus und ließ diese aufwendig renovieren. Auch sozial bewegte sich Scheel in gehobenen Kreisen und wurde mit dem Kauf einer gehobenen Münchner Villa zum Nachbarn von Peter von Siemens. Sein feiner Lebensstil umfasste die Liebe für teure Objekte wie Edelzigarren, maßgeschneiderte Schuhe und Kleidung sowie seltene Antiquitäten. 

Walter Scheel: Familie und Privatleben

Walter Scheel war insgesamt dreimal verheiratet. 1942 gab er Eva Charlotte Kronenberg das Jawort, mit der er einen Sohn hatte. 1966 verstarb seine erste Frau an Krebs. Drei Jahre später heiratete er die Ärztin Mildred Wirtz, die eine Tochter aus einer früheren Ehe mitbrachte. Das Paar begrüßte 1970 eine Tochter namens Andrea-Gwendoline auf der Welt, ein Jahr später adoptierte es einen bolivischen Jungen namens Simon Martin.

Als Ehefrau des deutschen Bundespräsidenten rief Mildred Scheel die Deutsche Krebshilfe ins Leben und gilt bis heute als eine der bedeutendsten Frauen der Nachkriegszeit. Tragischerweise verlor der FDP-Politiker auch seine zweite Frau an den Krebs: Die Röntgenologin starb am 13. Mai 1985, nachdem bei ihr Darmkrebs diagnostiziert worden war. Mit seiner dritten Frau Barbara Wiese war Walter Scheel bis an sein Lebensende liiert. Nach ihrer Hochzeit 1988 lebten sie erst in Berlin, später in Bad Krozingen. Aufgrund seiner Demenzerkrankung verbrachte der ehemalige Bundespräsident seine letzten Jahre in einem Pflegeheim. Am 24. August 2016 verstarb das einstige Staatsoberhaupt im Alter von 97 Jahren. Scheel wurde im Waldfriedhof Zehlendorf in Berlin beerdigt.

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