Brucknerrezeption und Brucknerbild - Forum OÖ Geschichte

Brucknerrezeption und Brucknerbild

Brucknerrezeption und Brucknerbild


Frühe Erfolge
Bruckner war – bezugnehmend auf ein gängiges Vorurteil – keineswegs ein armer, verkannter Künstler. Sowohl die beachtliche Aufführungsstatistik bis 1896 mit Aufführungen im In- und Ausland durch namhafte Dirigenten und Orchester (erste Aufführung 1885 in New York) als auch seine finanziellen Einnahmen und Auszeichnungen zeigen nur das Bild eines Umstrittenen. Natürlich provozierte die Neuheit seiner Tonsprache zum Teil heftige Kritik und Ablehnung; ebenso aber setzten sich wichtige Persönlichkeiten, unter ihnen die Dirigenten Felix Mottl, Karl Muck, Arthur Nikisch, Hermann Levi oder Hans Richter, für sein Schaffen ein.

Bedeutete die Uraufführung der Messe d-Moll im Alten Dom in Linz 1864 bereits einen wichtigen erfolgreichen Schritt des Komponisten in die musikalische Öffentlichkeit, war es dann vor allem die Siebente Symphonie, die von Leipzig aus (Uraufführung 1884) den Ruf Bruckners als Symphoniker großräumig festigte.

Frühe Initiativen
Die ersten Jahre nach dem Tod Anton Bruckners sind in erster Linie durch Initiativen von Freunden und Schülern gekennzeichnet: Dies gilt für das in Steyr errichtete Denkmal (1898) genauso wir für die von August Göllerich angeregte Bruckner-Stiftung mit regelmäßig veranstalteten Konzerten (ab 1898). Durch engagierte Dirigenten fanden zahlreiche Aufführungen statt; 1910 erlebte Wien erstmalig einen „Bruckner-Zyklus“. Im Umkreis des 100. Geburtstages des Komponisten im Jahre 1924 nahmen – vor dem Hintergrund einer christlichsozial geprägten Ära – diese Aktivitäten stark zu. Im Jubiläumsjahr trug das Theaterstück Der Musikant Gottes von Viktor Léon und Ernst Decsey zu einer problematischen Popularisierung bei; 1926 bzw. 1929 fanden die Gründungen des Brucknerbundes für Oberösterreich und der Internationalen Bruckner-Gesellschaft statt.

Vereinnahmung durch die Nazis
Im Dritten Reich wurde die Brucknertradition nicht nur fortgesetzt, sondern durch Vereinnahmung des Komponisten als „Nationalheros“ im Dienste er großdeutschen Idee noch massiv verstärkt. Geradezu Symbolcharakter hatte die Aufstellung der Brucknerbüste in der Walhalla bei Regensburg (1937). Auch die Herausgabe der Werk-Gesamtausgabe geriet in dieses Fahrwasser, indem die Rückkehr zu den „Originalfassungen“ die Eingriffe fremder (zum Teil „nicht-arischer“) Persönlichkeiten rigoros ausschloss. Ein Höhepunkt dieser Vereinnahmung war der gigantomanische Plan der nationalsozialistischen Machthaber, im Stift St. Florian ein „Bruckner-Bayreuth“ aufzubauen.

> Musik zur NS-Zeit in Oberösterreich

Brucknerpflege nach 1945
Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen von Interpreten und Wissenschaftlern neue Impulse. So erschien 1951 die Fünfte Symphonie als erster Band in der von Leopold Nowak betreuten Neuen Gesamtausgabe. Auch eine neue Dirigentengeneration widmete sich dem Schaffen. Mit dem Bau des Brucknerhauses (1974) und der Gründung des Brucknerfestes entwickelte sich Linz neben Wien als zweites Zentrum der Brucknerpflege. Mit dem 1978 gegründeten Anton Bruckner Institut Linz etabalierte sich zudem ein eigenes Forschungs- und Dokumentationszentrum, das heute durch den an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien befindlichen Spezial-Forschungsbereich „Anton Bruckner“ ergänzt wird.

Überblickt man die gegenwärtige Situation, so sind Bruckners Werke in Konzertsälen des deutschsprachigen, niederländischen und angloamerikanischen Raumes regelmäßig zu hören. Fast alle namhaften Dirigenten nehmen zumindest einzelne Symphonien in ihr Repertoire auf. In jüngerer Zeit ist zusätzlich ein Interesse für „Originalfassungen“ und weniger bekannte Kompositionen Bruckners zu verzeichnen.

Vielseitige Vereinnahmung
Die Rezeptionsgeschichte des Künstlers ist insofern verwirrend und irreführend, als das konstituierte „Bild“ emotional aufgeladen von starken Gegensätzen geprägt erscheint. Auf der einen Seite der naive, ländliche, unbeholfene und fromme „Musikant Gottes“, auf der anderen der selbstbewusste, beispielgebende heroische Titan. Indem der Komponist zu Lebzeiten für seine Zeitgenossen real im Alltag erfahrbar war und sich unterschiedlichen Strömungen und Weltanschauungen gegenüber offen verhielt, ließ er sich auch bequem vereinnahmen: Der katholisch forcierte „Musikant Gottes“ mit himmlisch getönten Symphonien war ebenso plausibel wie der deutsch-nationale Held oder – anthroposophisch ausgerichtet – der Erzieher zu höchsten ethischen Idealen. Zeitgemäß hat Oberösterreich seit dem Jubiläumsjahr 1996 auch den „Landsmann“ verstärkt für touristisch-wirtschaftliche Zwecke entdeckt.

Die polarisierenden Erscheinungsbilder haben dem Komponisten sehr geschadet, da die Bedeutung seiner Musik unter die Räder rein weltanschaulich bzw. wirtschaftlich orientierter Auffassungen geriet. So ist vielleicht erklärbar, aber dennoch unverständlich, dass bis heute weder in Wien noch in Linz eine Gedenkstätte existiert. Im Stift St. Florian („Bruckner-Zimmer“) und im Stadtpfarrhof Steyr sind allerdings Dokumentationen eingerichtet.

Autor: Erich Wolfgang Partsch, 2008