Neue Studie: Warum sind Elektroautos in Ostdeutschland so unbeliebt?

Neue Studie: Warum sind Elektroautos in Ostdeutschland so unbeliebt?

Eine neue Studie offenbart ein großes Gefälle beim Verkauf von Elektroautos in West- und Ostdeutschland. Woran liegt das? Ein Erklärungsversuch.

Die Nachfrage nach Elektroautos nimmt immer weiter ab. Vor allem in Ostdeutschland scheinen E-Autos sehr unbeliebt zu sein.
Die Nachfrage nach Elektroautos nimmt immer weiter ab. Vor allem in Ostdeutschland scheinen E-Autos sehr unbeliebt zu sein.Jochen Tack/imago

Die Elektromobilität in Deutschland kommt einfach nicht in Fahrt: Eine neue Prognose des Portals Motointegrator anhand von Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes zeigt, dass der Plan der Ampelregierung, bis 2030 insgesamt 15 Millionen Elektroautos auf deutsche Straßen zu bringen, nicht aufgeht.

„Das ausgerufene Ziel der Bundesregierung scheint zunehmend unerreichbar“, sagt Jan Schmanns, Datenanalyst und Mitautor der Studie, der Berliner Zeitung.

Laut den Berechnungen von Motointegrator wird die 15-Millionen-Marke nicht ansatzweise erreicht. Gerade einmal 4,4 Millionen Elektroautos werden demnach bis 2030 in Deutschland fahren. Das wäre kaum ein Drittel des von der Ampel ausgerufenen Ziels und würde ein eindeutiges Scheitern bei der Mobilitätswende bedeuten. „Trotz eines Bestands von 1,4 Millionen E-Autos in Deutschland, was 2,86 Prozent der Gesamtzulassungen entspricht, bleibt das ambitionierte Ziel der Bundesregierung eine gewaltige Herausforderung“, heißt es.

Der Anteil der Elektroautos wachse zwar, allerdings nicht mal um einen Prozentpunkt jährlich. „Die Neuzulassungen von E-Autos hinken hinterher und machen dieses Jahr bisher nur 11,7 Prozent der Neuzulassungen aus.“ Letztes Jahr seien es zu diesem Zeitpunkt 14,2 Prozent, am Ende des Jahres sogar noch 18,42 Prozent der Neuzulassungen gewesen. Im ersten Quartal 2024 wurden laut Angaben des Kraftfahrt-Bundesamts 81.337 Elektroautos neu zugelassen und damit 14,1 Prozent weniger als im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, allein im März wurden mehr als ein Viertel weniger E-Autos zugelassen als im Vorjahresmonat.

Was sind die Gründe für den schwächelnden Elektroautomarkt in Deutschland? Und was haben die unterschiedlichen Durchschnittsgehälter in West- und Ostdeutschland damit zu tun?

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Weniger Elektroautos in Ostdeutschland: Geringeres Einkommen ein möglicher Grund

Die Zahlen offenbaren ein starkes regionales Gefälle bei der Adaption von Elektroautos. Spitzenreiter der Bundesländer beim Anteil von E-Autos ist Hamburg mit 3,7 Prozent. Schlusslicht ist Sachsen-Anhalt, wo nur 1,34 Prozent aller Fahrzeuge elektrisch betrieben werden. Bei der Betrachtung der Daten wird außerdem ein großer Unterschied zwischen West- und Ostdeutschland beim Anteil an Elektroautos deutlich. Ostdeutschland liegt demnach mit einem Anteil von nur 1,55 Prozent Elektroautos gegen 1,13 Prozent im Vorjahr deutlich hinter dem Westen mit 3,10 Prozent (2,24 Prozent im Vorjahr).

Jan Schmanns stellte im Hinblick auf die Ergebnisse einen Zusammenhang zwischen dem durchschnittlichen Einkommen in der Bevölkerung und der Bereitschaft zum Kauf eines Elektroautos her. Die Ergebnisse ließen darauf schließen, dass der Wohlstand eine essenzielle Rolle für die Adaption von Elektrofahrzeugen spiele. „Die Studie zeigt, dass die Verfügbarkeit und Verbreitung von Elektroautos stark mit dem durchschnittlichen Einkommen der Bundesländer korreliert“, bilanzierte Schmanns. Nach dem Wegfall der Kaufprämie werden die Unterschiede beim Einkommen noch relevanter.

„Auf ostdeutschen Straßen begegnet man Elektroautos eher selten“, bestätigt Wulf Schlachter, der Gründer von DXBe Management, einer Firma im Bereich Aufbau und Betrieb von Ladeinfrastruktur aus Buxtehude bei Hamburg. Auch Schlachter sieht einen möglichen Grund in den unterschiedlichen finanziellen Gegebenheiten je nach Wohnsitz. 

Tatsächlich gibt es nach wie vor große Einkommensunterschiede zwischen Ost und West, wie eine Statistik der Stellenbörse Stepstone zeigt. In Ostdeutschland liegt das durchschnittliche Bruttojahresgehalt demnach bei 37.200 Euro, in Westdeutschland dagegen bei 44.204 Euro. Carsten Schneider, Staatsminister und Ostbeauftragter der Bundesregierung, bestätigte im November 2023 Vermögensunterschiede zwischen Ost und West. „Das Median-Vermögen in westdeutschen Haushalten ist mit 130.000 Euro fast dreimal so hoch wie das der ostdeutschen Haushalte“, sagte Schneider damals. Ein Elektroauto kostet derzeit in der Regel noch deutlich mehr als beispielsweise ein Verbrenner. Das populärste Elektroauto, Tesla Model Y, kostet momentan ab 44.990 Euro, und unter 30.000 Euro Kaufpreis gibt es nur eine Handvoll Modelle. 

In Hamburg ist das Bruttojahresgehalt mit durchschnittlich 49.750 Euro am höchsten. Entsprechend ist Hamburg auch beim Anteil an Elektroautos Spitzenreiter. In Sachsen-Anhalt, dem Bundesland mit dem niedrigsten Durchschnittseinkommen (36.500 Euro) ist auch der Anteil an Elektroautos mit Batterie (BEV) mit nur 1,3 Prozent am niedrigsten. Der Zusammenhang zwischen Einkommen und der Bereitschaft, sich ein Elektroauto zuzulegen, scheint somit sehr eindeutig. „Trotz Förderungen haben sich E-Autos als ein Wohlstandsprodukt herauskristallisiert, das vor allem in wohlhabenden Regionen Anklang findet“, heißt es in der Studie dazu.

Autoverband über Ampelregierung: „Rahmenbedingungen stimmen nicht“

Für große Veränderungen wie den Umstieg auf Elektroautos müssen bestimmte Rahmenbedingungen geschaffen werden. „Diese Rahmenbedingungen stimmen aktuell nicht, hier hat die Politik noch viele Aufgaben zu bewältigen“, kritisiert ein Sprecher des Verbands der Automobilindustrie (VDA) auf Anfrage der Berliner Zeitung. Ein Problem beim Ausbau der Elektromobilität in Deutschland sind die fehlenden Ladesäulen. Zur Erreichung des 15-Millionenziels sei eine flächendeckende und leistungsstarke Ladeinfrastruktur von zentraler Bedeutung.

Der Nachholbedarf sei diesbezüglich enorm. „In rund 40 Prozent aller Gemeinden gibt es keinen einzigen öffentlichen Ladepunkt, in drei Viertel keinen einzigen öffentlichen Schnellladepunkt.“ Darüber hinaus müsse die Bundesregierung die Stromnetze für die Zukunft fit machen. Die hohen Strompreise dürften keine Bremse für den Industriestandort Deutschland und die Elektromobilität werden.

Elektroauto-Experte Wulf Schlachter sieht beim derzeitigen Ausbau der Ladeinfrastruktur ebenfalls ein großes Problem und kritisiert dabei die übermäßige Bürokratie in Deutschland. Nahezu alle Firmen in Deutschland, die Schnellladesäulen aufstellen wollen, müssten sich seit Jahren in Geduld üben. „Sie kämpfen täglich mit den komplizierten und lang anhaltenden Genehmigungsverfahren bei den zuständigen Behörden, die sich meist über Monate hinziehen.“ Die Bundesregierung hat also noch viel zu tun, um die von ihr beschworene Mobilitätswende umzusetzen. 

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