Langes Leben in der Löwengrube: Luise Rinser ist 90 – DW – 26.09.2001
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Langes Leben in der Löwengrube: Luise Rinser ist 90

26. September 2001

Rebellin, Pazifistin, Feministin und Sozialistin: Luise Rinser, die Grande Dame der deutschen Literatur, wurde am 30. April 90 Jahre alt.

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Rebellin ist sie, Pazifistin, Feministin und engagierte Sozialistin. Über 30 Bücher hat sie veröffentlicht. Ihr Werk wurde in mehr als 20 Sprachen übersetzt, mehrfach ausgezeichnet und erfreut sich einer großen Lesergemeinde. Luise Rinser, die Grande Dame der deutschen Literatur, wurde am 30. April 90 Jahre alt.

Am 30. April 1911 wurde Luise Rinser als Tochter des Lehrers und Organisten Joseph Rinser im oberbayerischen Pitzling geboren. Sie studierte Psychologie und Pädagogik in München und arbeitete anschließend als Lehrerin.

Da Luise Rinser sich weigerte, in die NSDAP oder eine andere NS-Organisation einzutreten, wurde ihr die Entlassung aus dem Staatsdienst angekündigt, der sie 1939 mit einer Kündigung zuvorkam. Zu dieser Zeit heiratete sie Horst Günther Schnell, damals Kapellmeister am Staatstheater Braunschweig. Aus der Ehe stammen die Söhne Christoph und Stephan. Schnell fiel im Zweiten Weltkrieg.

1941 veröffentlichte Rinser ihr erstes Buch "Die gläsernen Ringe". Das Buch wurde verboten, die Autorin erhielt Berufsverbot und wurde 1944 sogar wegen Hochverrats und Wehrkraftzersetzung inhaftiert. In dieser Zeit entstand das "Gefängnistagebuch".

Bevor Luise Rinser nach Kriegsende als freie Schriftstellerin leben konnte, arbeitete sie von 1945 bis 1955 als Literaturkritikerin für die "Neue Zeitung" in München. 1954 heiratete sie den damals noch wenig bekannten Komponisten Carl Orff, von dem sie sich 1959 wieder trennte.

Seit den 60er Jahren lebt Luise Rinser in Rocca di Papa bei Rom. Sie zählt zu den markantesten und erfolgreichsten deutschen Schriftstellerinnen der Gegenwart und jüngeren Vergangenheit. Mehr als fünf Millionen Exemplare ihrer Werke wurden verkauft.

Ihre Erzählungen sind einfach und eindringlich, emphatisch und teilnehmend an der Not der Menschen. Neugier und Liebe in allen Facetten, Mystik und Religion, Politik und Sünde, Schuld und Gnade sind ihre Themen.

Viel Beachtung fand Luise Rinser auch als kritische und politisch engagierte Persönlichkeit, die gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein erfahrbar machte. Sie war politische Weggefährtin von Willy Brandt, 1984 wurde sie von den Grünen als erste Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten nominiert.

Heftige Angriffe blieben der umstrittenen Autorin nicht erspart. Als Sympathisantin des Terrorismus wurde sie diffamiert, ihre Verehrung für den nordkoreanischen Diktator Kim Il Sung stieß auf Befremden. Manche nannten sie abfällig eine katholische Schriftstellerin, andere eine Feministin.

Erheblichen Wirbel verursachten auch ihre 1994 unter dem Titel "Gratwanderung. Briefe der Freundschaft an Karl Rahner" veröffentlichten Schreiben an den Theologen. Der Jesuitenorden befürchtete Missverständnisse und lehnte die Veröffentlichung der privaten Korrespondenz ab.

Die Liste der Auszeichnungen, die sie für ihre Leistungen bekommen hat, ist lang. So erhielt sie beispielsweise 1977 das Bundesverdienstkreuz, 1979 den Roswitha-Preis der Stadt Bad Gandersheim, 1987 den Heinrich-Mann-Preis der Künste der DDR und 1991 den Internationalen Literaturpreis Ignazio Silone.

Luise Rinser ist viel gereist, hat Länder und Leute studiert. Als 83-Jährige brach sie in den Himalaya auf, um den Dalai Lama zu besuchen. Für Musik, Philosophie und Religionen hegt die Schriftstellerin eine besondere Leidenschaft.

Ihrem Leben spürte Luise Rinser in einer zweibändigen Biografie nach: der erste Teil "Den Wolf umarmen" (1981) endet im Jahr 1950, den zweiten Teil "Saturn auf der Sonne" brachte sie 1994 heraus.