So hat sich das Sat 1 wohl gedacht: Man zeigt, wie sich selbst die Bundeskanzlerin nicht nur im �bertragenen Sinne nackig macht, wie sie zum verliebten Teenie regrediert – und erm�glicht so der weiblichen Zielgruppe, den zwischen Beruf und Privatleben switchenden Frauen, daraus die richtigen Lehren f�r sich zu ziehen. „Die Staatsaff�re“ ist nicht wirklich eine Staatsaff�re, sondern eine moralinsaure, auf h�chste Staatsbene gehievte RomCom. Wer mehr erwartet hat, gar Seitenhiebe auf den deutschen Politzirkus, muss entt�uscht sein!
Foto: Sat 1Dieses Liebe-f�r-Deutschland-Pathos kann einem auf den Geist gehen. Vroni Ferres
Anna Bremer liebt ihren Beruf �ber alles – sie liebt Deutschland und sie wird von den B�rgern zur�ckgeliebt: Anna Bremer ist Bundeskanzlerin. Sex und Liebe stehen bei ihr nicht auf der Agenda. Ihr scheint nichts zu fehlen. Ihr Berater h�tte sie gern menschlicher, emotionaler. Soll er haben. Und ein bisschen Privatleben w�re gut f�rs Image. Pl�tzlich ist auch das kein Problem mehr f�r die immer etwas (h�ft)steif wirkende First Lady. Grund f�r die Wende ist der neue franz�sische Pr�sident Guy Dupont. In ihm erkennt sie den franz�sischen Studenten, der mit ihr in der historischen Nacht des Mauerfalls eine offenbar unvergessliche Liebesnacht verbrachte, auf einem Dach, irgendwo in Kreuzberg. Jetzt, 25 Jahre danach, sehen sich die beiden wieder – ausgerechnet beim Europa-Gipfeltreffen, bei dem das Bremer so wichtige Energieabkommen verabschiedet werden soll. Die Kanzlerin ist v�llig durch den Wind; auch Le President erkennt bald, wen er da vor sich hat. Einen einzigen Kuss w�nscht er sich. Es folgt eine erneute Liebesnacht. War es das nun mit dem Job als Bundeskanzlerin?
Foto: Sat 1So franz�sisch l�ssig w�re die deutsche Kanzlerin auch ganz gerne. Ferres & Caroit
In Situationen, in denen man sich selbst klein vorkommt und die anderen um einen herum f�r gro� und m�chtig h�lt, wird einem h�ufig der Rat gegeben, sich das Gegen�ber nackt vorzustellen. So �hnlich m�ssen sich das die ganz auf den weiblichen Zuschauer fixierten Sat-1-Macher f�r ihr TV-Movie „Die Staatsaff�re“ gedacht haben: Man zeigt, wie sich selbst die Bundeskanzlerin nicht nur im �bertragenen Sinne nackig macht, wie sie zum verhuschten, verliebten Teenie regrediert – und erm�glicht so der Zielgruppe, den stets zwischen Beruf und Privatleben switchenden Frauen im besten Alter, scheinbar von Selbstzweifeln und schlechtem Gewissen getrieben, daraus die richtigen Lehren f�r sich zu ziehen. Der peinliche Off-Kommentar zu Beginn und am Ende des Films, von der Kanzlerin himself vorgetragen in einer fidelen Ratgeber-Rhetorik, die keinen Gemeinplatz ausl�sst, legt diese Vermutung nahe. Vielleicht hat man aber auch nur deshalb die RomCom-Muster auf die h�chste Staatsebene gehievt, um dem abgegriffenen Genre zumindest ein zartes Facelifting zu verpassen, sicherlich auch in der berechtigten Hoffnung, dass damit die Attraktivit�t des quotenm��ig etwas dahind�mpelnden Sat-1-Dienstagsfilms f�r Zuschauer und Medienmenschen steige.�
Foto: Sat 1Politiker sind auch nur Menschen – und st�ndig in Eile. Das Team und seine Chefin. Martin Brambach, Veronica Ferres, Bernhard Piesk und Theresa Underberg
„Die Staatsaff�re“ erz�hlt nicht wirklich von einer Staatsaff�re. Der Film braucht ein wenig, bis er, moralisch angetrieben von Kalenderspr�chen wie „H�r auf dein Herz“ oder „An das Gl�ck der Menschen denken, hei�t auch an das eigene Gl�ck denken“, ansatzweise seine romantisch-kom�diantische Tonlage findet. Machtpolitisch steht die Heldin ganz oben, beziehungspolitisch bewegen sich die Autoren indes in Sachen Partnerpsychologie und Gl�cksversprechen ziemlich weit unten. Zum deutschen Politzirkus f�llt Dan Bohlinger und James Dutcher auch so gar nichts Spezifisches ein, sodass die Frage erlaubt sein muss, ob man nicht besser auch einen deutschen Autor am Drehbuch h�tte beteiligen sollen. So verdichtet sich der Verdacht, die Geschichte allein aus PR-Gr�nden auf der politischen Chefetage verortet zu haben. Etwas unstimmig auch die kom�diantische Ausgangssituation: Ein franz�sischer Politiker, der Pr�sident wird, sollte das deutsche Staatsoberhaupt schon vorher mal in den Medien gesehen haben; der Gedanke „die kenn ich doch irgendwoher“ kann ihm also nicht erst urpl�tzlich in Berlin gekommen sein. Um das Ganze etwas plausibler zu machen, hat man Anna und Guy in jungen Jahren mit zwei Schauspielern besetzt, die kaum eine �hnlichkeit mit den beiden Hauptdarstellern Veronica Ferres und Philippe Caroit besitzen.
Foto: Sat 1Die Kanzlerin & ihr Berater. Dank Brambach ein gelegentlich sehenswertes Duett!
Ein Film wie „Die Staatsaff�re“ weckt gr��ere Erwartungen als eine durchschnittliche Romantic Comedy. Vielleicht ist das mit ein Grund, weshalb dieser handwerklich solide von Michael Rowitz inszenierte Film einen so unbefriedigt l�sst. Es bleibt das Gef�hl, dass man sehr viel mehr aus dem Stoff h�tte machen k�nnen. Mehr als halbherzige Anspielungen auf nationale Klischees und europ�ische Politiker (der Russe s�uft Wodka, der Italiener l�sst sofort die Hose runter, als die Kanzlerin sagt: „Ich brauche Sie, Carlo“). Mehr als nur eine simple Politintrige. Mehr Screwball-Touch zwischen der Deutschen und dem Franzosen, weniger moralinsaure Botschaften, die offene T�ren einrennen. Mehr als nur eine einzige Komik-Regel: Je „erhabener“ kraft seiner gesellschaftlichen Stellung die Person ist, die auf der Bananenschale ausrutscht, umso komischer (der gute alte Bergson!). Mehr als diese schlichte Privatisierung der politischen Klasse � la Politiker sind halt auch nur Menschen. Dieses Verlogen-Gleichmacherische ist das, was dieses vermeintliche Event-Movie �rgerlich macht. Und besetzungstechnisch? Ob Ferres eine gute Kanzlerinnen-Darstellerin ist, dar�ber l�sst sich streiten. So witzig wie die Thalbach in „Der Minister“ ist sie erwartungsgem�� nicht – die durfte ja auch die reale Kanzlerin verk�rpern und war bewusst als Parodie angelegt. Ob Caroit ein guter Pr�sident ist, das kann klar bejaht werden. Au�er Frage steht auch, dass Martin Brambach als Kanzler-Berater eine nuancierte, unalberne Performance abliefert.
Foto: Sat 1Liebe geht durch den Magen. H�ufiger zusammen in der K�che als im Bett...
Rainer Tittelbach arbeitet als TV-Kritiker & Medienjournalist. Er war 25 Jahre Grimme-Juror, ist FSF-Pr�fer und betreibt seit 2009 tittelbach.tv. Mehr
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