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Bei Diktatoren wie Alijew macht Scholz die gleichen Fehler wie seine Vorgänger

Quelle: SOCAR Deutschland/Bernd von Jutrczenka/pa(2)/dpa(2); Montage: Infografik WELT/Jörn Baumgarten
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Kanzler Scholz hofiert mit Aserbaidschans Präsidenten Ilham Alijew einen Diktator, der 100.000 Menschen aus Bergkarabach vertrieb, Oppositionelle einsperrt und deutsche Politiker besticht. Deutschland importiert weiter aserbaidschanisches Öl – und Alijew denkt laut an den nächsten Krieg.

Am Freitag wird Bundeskanzler Scholz den aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew im Kanzleramt empfangen. Bei dem Gespräch soll es der knappen Mitteilung des Pressesprechers des Bundeskanzlers zufolge um bilaterale Beziehungen, Fragen zu Außen- und Sicherheitspolitik sowie Wirtschafts- und Energiepolitik gehen. Aus der Sicht des Kanzleramts ist Alijew ein Staatschef wie jeder andere. Nach der vorgezogenen Präsidentschaftswahl im Februar gratulierte Scholz Alijew zum Wahlsieg und wünschte ihm für die Ausübung seines Amtes „viel Erfolg“.

Im Falle Alijews heißt Erfolg: Machterhalt um jeden Preis. Seit dem Zerfall der Sowjetunion regiert die Familie Alijew das Land mit seinen zehneinhalb Millionen Einwohnern und bereichert sich an Exporten von Offshore-Öl und -Gas, die mehr als 60 Prozent des Außenhandels ausmachen.

Die Presse- und Versammlungsfreiheit im Land existiert nur auf dem Papier. Regimekritiker und Journalisten werden ins Gefängnis geworfen und gefoltert. Europas demokratische Institutionen sind längst im Visier des Alijew-Regimes, wie auch Deutschland im Rahmen der sogenannten Aserbaidschan-Affäre erleben musste. Europaweit sind Alijew Einflussoperationen unter dem Euphemismus „Kaviar-Diplomatie“ bekannt.

Im vergangenen September hat Alijew in einer kurzen „Antiterror-Operation“, so Bakus Sprachgebrauch, mehr als 100.000 Armenier aus der völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehörenden Region Bergkarabach vertrieben und die Anführer der international nicht anerkannten armenischen Republik Arzach verhaftet. Zum Nachbarland Armenien herrscht de facto Kriegszustand, die Menschen dort befürchten Bakus weitere Eskalation.

Denkfabriken wie die European Stability Initiative warnen vor einem neuen Krieg im Kaukasus, aus dem Alijew selbst keinen Hehl macht. Zuletzt im Januar machte er in einem Interview mit dem Staatsfernsehen deutlich, dass um weit mehr geht als die Landverbindung zur aserbaidschanischen Exklave Nachitschewan an der iranischen Grenze.

Armeniens Hauptstadt Eriwan erklärte er zu einer „aserbaidschanischen Stadt“. Die Frage der territorialen Integrität seines Landes müsse man „ein für alle Mal lösen“, denn im 20. Jahrhundert sei „aserbaidschanisches Land“ Stück für Stück an Armenien übergeben worden.

Berlin vermittelte ein wichtiges Treffen

Man könnte argumentieren, Scholz schrecke vor allzu offener Kritik an Alijew zurück, weil das Bundeskanzleramt sich mit Erfolg als Vermittler zwischen Baku und Eriwan ins Spiel bringt. Zuletzt konnte Scholz auf der Münchener Sicherheitskonferenz im Februar ein Treffen zwischen Alijew und dem armenischen Premier Nikol Paschinjan vermitteln.

Andere Gründe dürften schwerer wiegen. Wie es seine Vorgänger gegenüber Russland und China taten, scheint Scholz auf eine Neuauflage von „Wandel durch Handel“ zu setzen. Er will also mit einer „Modernisierungspartnerschaft“ innenpolitische Liberalisierung und außenpolitische Befriedung auslösen. Dass diese Herangehensweise sowohl in Russland als auch in China gescheitert ist, scheint Scholz nicht zu stören.

Auch gegenüber Alijew scheint sie wenig bewirkt zu haben. Noch im März vergangenen Jahres nannte Scholz Aserbaidschan einen „Partner mit wachsender Bedeutung“. – ein halbes Jahr später löste der „Partner“ durch den Bergkarabach-Krieg einen Exodus aus, wie ihn die Völker des Kaukasus seit Jahrzehnten nicht erlebt haben.

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Aus der Sicht Alijews sind Berlin und Brüssel Naivlinge, die man mit Versprechungen ruhigstellen kann. Sei es die gegenüber der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versprochene Verdopplung der Gas-Exporte nach Europa, sei es die Friedenslösung mit Armenien – wie genau Alijew das realisieren soll, bleibt stets im Dunkeln.

Der deutsche Handel mit Aserbaidschan hingegen brummt. Laut der aserbaidschanischen Statistikbehörde legte der bilaterale Handel im Jahr 2023 um 45 Prozent zu und erreichte 1,8 Milliarden Dollar. Bislang gibt es seit Jahren einen klaren Exportüberschuss Aserbaidschans. Nach Deutschland liefert das Land hauptsächlich Rohöl, im vergangenen Jahr waren es 1,2 Millionen Tonnen, ein Bruchteil des deutschen Bedarfs, was allerdings für die Top-10 der Lieferanten reicht.

Deutsche hoffen auf gute Geschäfte

Umso größer ist Potenzial für deutsche Exporte. Im März besuchte die bislang größte Delegation der deutschen Industrie das Land. Besonders vom Ausbau der erneuerbaren Energien im Land, die im Jahr 2030 30 Prozent der Stromproduktion liefern sollen, erhofft sich die deutsche Industrie ein gutes Geschäft. Vor allem Photovoltaik hat in Aserbaidschan ein großes Potenzial, das die deutsche Auslandshandelskammer auf wirtschaftlich realisierbare Leistung von 23 Gigawatt schätzt.

Es ist also kein Zufall, dass das Treffen von Bundeskanzler Scholz und Alijew ausgerechnet im Rahmen seiner Reise zum Petersberger Klimadialog geplant ist. Ausgerechnet die Branche, die Deutschlands Abhängigkeit von Energieexporten aus der Diktatur Russland verringern sollte, will nun in der Diktatur Aserbaidschan mitverdienen.

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Aber auch mit dem Wiederaufbau der zuvor armenisch bevölkerten Region Bergkarabach wollen deutsche Firmen Geschäfte machen. Zum Thema „Wiederaufbau der Wasser- und Abwasserinfrastruktur in der Region Karabach“ hat die deutsche Auslandshandelskammer kürzlich eine Studienreise für deutsche Unternehmer organisiert, gefördert vom Bundesumweltministerium.

Gegen den Staatsbesuch Alijews haben mehrere Organisationen zu einer Mahnwache vor dem Kanzleramt aufgerufen, darunter die Gesellschaft für bedrohte Völker und der Zentralrat der Armenier in Deutschland. Von Bundeskanzler Scholz fordern sie, die Vertreibung der Armenier aus Bergkarabach zu verurteilen und Sanktionen für den Fall eines erneuten Angriffs auf armenisches Territorium anzukündigen.

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