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Panorama TV-Star Broscheit

Der Anwalt, der lieber ein Bösewicht sein will

Guido Broscheit, 50: Früher Anwalt, heute Schauspieler Guido Broscheit, 50: Früher Anwalt, heute Schauspieler
Guido Broscheit, 50: Früher Anwalt, heute Schauspieler
Quelle: Urban Ruths
Von einem Tag auf den anderen ließ Guido Broscheit sein Leben als Anwalt hinter sich – er wollte Schauspieler werden. Seitdem hangelt er sich von einer Serie zur nächsten. Die großen Rollen, die ließen lange auf sich warten. Bis jetzt.

Deutsche Lebensläufe sind ja meist wie die Straßen einer westdeutschen Kleinstadt: Hier und da ein paar Lücken und Löcher, manchmal verirrt man sich oder landet kurz in einer Sackgasse – aber im Großen und Ganzen übersichtlich und gradlinig. Der Lebenslauf von Guido Broscheit hätte genauso werden können: Schule und Bundeswehr, Jurastudium und Anwalt. Fast schon extravagant, dass er sich als Werbemodel etwas dazuverdiente. Dann allerdings kam das Jahr 2006, als Broscheit einen Krater in seinen Lebenslauf sprengte.

Es war ein gutes Jahr, das des Sommermärchens. Auch der 38-jährige Hobbykicker Broscheit hatte Großes vor. Er, der seit seiner Kindheit ein technisch versierter Fußballer gewesen war, ließ sich ein halbes Jahr bei einem Regionalligisten zum Torhüter ausbilden. Die Weltmeisterschaft der Anwälte stand an, und er wollte es noch mal wissen. Nicht wie bisher im Mittelfeld, sondern im Tor.

Broscheit biss sich durch, mit Erfolg. Seine Mannschaft verlor zwar im Viertelfinale gegen Italien, er selbst wurde aber zum Welttorhüter der Anwälte gewählt. Bei der richtigen WM wurde die deutsche Mannschaft dann Weltmeister der Herzen. In all der Euphorie stellte sich Broscheit die kühne, aber auch riskante Frage, die sich fast jeder Mensch irgendwann mal stellt: Ist das, was ich mein ganzes Leben lang gemacht habe, überhaupt noch das Richtige für mich?

Mehr als ein Jahrzehnt später sitzt Broscheit bei einem Berliner Italiener, die Zeit damals hat er noch lebhaft vor Augen, wie er erzählt. „Ich war schon vorher mit viel Selbstvertrauen unterwegs, aber da wusste ich: Es ist alles möglich.“ Man schaut ihn sich an, den 50-Jährigen, und versteht: 1,85 groß, athletisch, attraktiv.

Broscheit hatte den Mumm, seine selbst gestellte Lebensfrage radikal zu beantworten – er wollte sich endlich den Kindheitstraum erfüllen, den die meisten in seinem Alter vergessen haben. Bei ihm hieß das: Alles hinwerfen. Anwalt ade. Schauspieler werden.

Mit Ende 30 hat man noch Träume

Im August 2006 räumte er den Schreibtisch in seiner Kanzlei und tat, was wohl die meisten bei einem Berufswechsel machen: sich fortbilden. „Ich war mit 39 Jahren ein Berufsanfänger, mein Handwerkskasten war leer“, sagt Broscheit. Wenig Erfahrung, kaum schauspielerische Praxis, nichts von dem, was seine künftigen Konkurrenten um begehrte Rollen besitzen.

Woher die Überzeugung, ab jetzt seinen Lebensunterhalt als Schauspieler verdienen zu können? Broscheit überlegt. Eine gewisse Präsenz und Natürlichkeit vor der Kamera habe er schon damals gehabt, sagt er. „Und bei Drehs wirkte ich nicht wie ein aufgeregtes Frettchen.“ Sollte das reichen für Fernsehdeutschland?

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Beate Zschäpes Verteidiger

Es war zwar ein Sprung ins kalte Wasser, aber Broscheit hatte schon vorher die Zehen ins Becken des Showbusiness getaucht. Wer in den Nullerjahren regelmäßig vorm Fernseher saß, dürfte Broscheits Gesicht kennen: Automarken buchten ihn für Spots, der damalige Bezahlsender Premiere Worlds ließ ihn in der Werbung folgenden Satz sagen: „Ich habe Premiere, weil ich die ganz großen Sachen sehen will!“

Und Broscheit, damals noch Anwalt, profitierte vom Boom der Gerichtssendungen: Er spielte Anfang der 2000er-Jahre einen Verteidiger bei „Das Strafgericht“ im Mittagsprogramm von RTL. Wobei „spielen“ in seinen Augen der falsche Ausdruck ist. „Das hatte für mich nichts mit Schauspielerei zu tun, weil die meisten Rollen mit Laien besetzt wurden.“

Am Anfang immer wieder Arzt, Anwalt, Polizist

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In den ersten Monaten seiner neue Karriere lernte Broscheit vor allem eines: Demut. In den Workshops traf er auf Theaterschauspieler, fertig ausgebildete Profis, die vor die Kamera wollten. Der Laie Broscheit zahlte den vierstelligen Betrag selbst, weil er nicht wusste, dass er vom Amt wohl eine Förderung bekommen hätte.

Aber seine Saat ging nach und nach auf. Er sieht gut aus, ist nicht auf den Kopf gefallen, weiß, wie man sich bei einem Dreh verhält, ohne anzuecken. Das reichte, sein Name sprach sich herum, und so trudelten Aufträge ein. Broscheit wird zu einer festen Größe Fernsehseriendeutschlands. Seine Filmografie ist nach zwölf Jahren recht lang: Vorabendserien, Fernsehfilme, Low-Budget-Projekte. Häufig kleinere Rollen, der Arzt, der Anwalt, der Polizist – und immer wieder der Bösewicht.

Bei der RTL-Soap „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ zog er als erpressbarer Psychiater Dr. Martin Wolf die Wut der Fans auf sich. Bei „Rote Rosen“, einer ARD-Serie, kam er als Unternehmer Falk Landau in die Stadt und prügelte erst einmal seinen Gegenspieler raus.

Waren natürlich alles Rollen, ist nicht er selbst, denkt man sich, wenn Broscheit heute beim Italiener sitzt, nett lächelt, offen redet über seine beiden großen Leidenschaften Film und Fußball. Zum dritten „F“ in seinem Leben, den Frauen, hält er sich bedeckt. Broscheit ist noch unverheiratet.

Guido Broscheit, Solid Beach Drehtag 6
Die großen Rollen, die ließen lange auf sich warten. Bis jetzt
Quelle: Stefan Knaak

Nicht jeder war begeistert vom Quereinsteiger

In Kleve am Niederrhein ist man stolz auf den Sohn der Stadt, auch wenn er hier streng genommen nicht geboren wurde, sondern bloß zur Schule ging. In seiner neuen Branche hingegen habe es schon Skeptiker gegeben, die den ehemaligen Anwalt argwöhnisch beäugten. Nicht weil man ihm als Schauspieler misstraue, sagt Broscheit. „Sondern weil ich als Quereinsteiger plötzlich nach Rollen griff, die in Deutschland sonst andere unter sich ausmachen, die schon zwanzig Jahre länger dabei sind.“

Während die meisten seiner Kollegen als junge Erwachsene an die Schauspielschule gegangen waren, fehlten Broscheit diese Jahre. Er musste dafür mehr investieren, kostspielige Coaches bezahlen, mit denen er Rollen vorbereitete. Es habe auch harte Zeiten gegeben, erzählt er, in denen die Angebote weniger wurden. Dank Werbeaufträgen und gelegentlichen Anwaltsmandaten, die er noch vermittelte, sei er aber über die Runden gekommen.

Hand aufs Herz: Hat sich das gelohnt – all das für ein paar Nebenrollen im Fernsehen? Wäre es Broscheit nicht besser ergangen, wäre er Anwalt geblieben? Es habe sich in der Branche mittlerweile herumgesprochen, dass man mit ihm gut arbeiten könne, sagt er. Aber die großen Rollen, die ließen lange auf sich warten. Bis jetzt.

Guido Broscheit
Guido Broscheit in seiner neuen Rolle als Kommissar
Quelle: Felix Holland

Endlich Kinofilm, endlich Prime-Time

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Tatsächlich könnte 2018 zum Wendejahr in seiner Karriere werden. Die Frage ist: in welche Richtung? Geht es so weiter wie bisher, oder schafft Broscheit den Sprung in die nächste Liga? Zwei Projekte werden das entscheiden. Da ist zunächst der Film „Ronny und Klaid“, eine Gangsterkomödie von Erkan Acar, bei der Broscheit zum einen der Produzent ist, viel Eigenkapital und Zeit in den Film gesteckt hat. Der Entschluss, den Film ohne Förderung anzugehen, die sei zum Teil Harakiri und blauäugig gewesen, sagt Broscheit, aber eben auch mutig.

Zum anderen hat er eine der Hauptrollen übernommen – „ein Riesenspagat“, sagt Broscheit, da ihm am Set tausend Gedanken durch den Kopf gegangen seien, obwohl er ja entspannt hätte spielen müssen: Wie teuer wird das hier? Wieso ist das Essen fürs Team und den Cast noch nicht da? „Ich war ja auch dafür verantwortlich, dass das Ding fertig wird.“

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Broscheit spielt in „Ronny und Klaid“ den smarten Bösewicht, seine Paraderolle. Der Film hat einen guten Humor, macht vieles richtig, Starregisseur Fatih Akin hat eine kleine Nebenrolle. Als der Film in München im Juli auf dem Filmfest lief, lachte sich das Publikum stellenweise schlapp. Mit einem Verleih, der den Film in die Kinos bringt, ist man sich aber noch nicht einig geworden.

Das zweite Projekt, das über Broscheits Zukunft entscheiden könnte, ist die neue Sat-1-Krimiserie „Jung, blond, tot – Julia Durant ermittelt“, die jetzt startet. Bei einem Erfolg der ersten Folge wären mehrere Filme über Jahre hinweg denkbar. Broscheit wäre als Kommissar gut versorgt. „Das ist für mich schon ein großer Schritt“, sagt er, „wegen der Rolle, wegen des Films, auch weil es ein Primetime-Thriller ist.“

Broscheit spielt den angeknacksten Kommissar

Das Potenzial für einen Erfolg ist da: Sandra Borgmann, 44, spielt die raue Kommissarin Julia Durant, die nach einer Nahtoderfahrung bei ihren Ermittlungen zu unkonventionellen Methoden greift. Sie ist der leuchtende Stern des Casts, alles ist auf sie zugeschnitten. Borgmann, die von der Presse als „charmanter Star aus der zweiten Reihe“, als „ewiger Sidekick“ bezeichnet wurde, zahlt das mit einer Leistung zurück, die im Gedächtnis bleibt.

Broscheit spielt ihren Kollegen, einen Kommissar, der stets korrekt nach dem Lehrbuch handelte, dann aber im Dienst einen Menschen erschoss. Solange das Dienstverfahren gegen ihn läuft, darf er keine Pistole tragen. Ein harter Mann, seiner Waffe und Männlichkeit beraubt, von seiner Vorgesetzten herumkommandiert. All das mache seine Rolle so anspruchsvoll, sagt Broscheit. „Allein die Frage: Was passiert, wenn man jemanden erschießt? Was macht das mit einem? Was macht das System mit einem? Glauben die Kollegen einem seine Version?“

Broscheit hat in dem Film allerdings nur genau eine Szene, in der er diese Fragen tiefer verhandeln kann – im Sonnenaufgang auf einer Dachterrasse. Die Szene spielt er gut, aber die existenziellen Fragen der Rolle geraten bald wieder in den Hintergrund – dafür fehlt es ihm in der ersten Folge schlicht an Raum, um sie zu entfalten.

Schaut man sich Bilder von Broscheits Rollen an, sieht man ihn meist in einem gut sitzenden Hemd, ernst dreinblickend. Es ist die Rolle, die er immer und immer wieder gespielt hat, über zehn Jahre lang. Was er sich noch wünschen würde? Einen Thriller, sagt Broscheit, ein Mann gegen den Rest der Welt. Oder eine emotionale Vater-Sohn-Geschichte, bei der er die Energie aus seiner eigenen Biografie ziehen könnte. Er hat seinen leiblichen Vater seit frühster Kindheit nicht mehr gesehen.

Ob Guido Broscheit diese Chance bekommt? Seine Kollegin Sandra Borgmann wartete rund 25 Jahre in der zweiten Reihe auf die Rolle, in der sie sich beweisen kann. Im Gegensatz zu Broscheit ist sie jedoch keine Quereinsteigerin – sie begann mit der Schauspielerei bereits als 20-Jährige.

„Jung, blond, tot – Julia Durant ermittelt“ – Dienstag, 4. Dezember, 20.15 Uhr Sat.1

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