Oskar Roehlers „Bad Director“ mit Oliver Masucci: Jeder Mann weiß, dass er ein Misthaufen ist

Oskar Roehlers „Bad Director“ mit Oliver Masucci: Jeder Mann weiß, dass er ein Misthaufen ist

Mit seinem neuen Film „Bad Director“ wird der Regisseur Oskar Roehler wieder einmal seinem Ruf als Enfant terrible der hiesigen Filmszene gerecht.

Oska Roehler erzählt in „Bad Director“ die Geschichte von Gregor Samsa, gespielt von Oliver Masucci, einem dauernörgelnden Filmemacher Mitte 50. 
Oska Roehler erzählt in „Bad Director“ die Geschichte von Gregor Samsa, gespielt von Oliver Masucci, einem dauernörgelnden Filmemacher Mitte 50. sunstroem

Es war einmal ein trüber Freitagvormittag im Januar des Jahres 2020. Wie üblich war der ICE-Sprinter von München nach Berlin sehr voll. Einen letzten Platz konnte ich noch im Bordbistro ergattern. Auf diese Idee kam auch der Regisseur Oskar Roehler, der zum Bayerischen Filmpreis im Prinzregententheater in die bayerische Landeshauptstadt reiste. Ich saß also Rücken an Rücken mit ihm. Auf der vierstündigen Fahrt wurde ich unfreiwillig Zeugin seiner Unterhaltung mit einer ihn begleitenden Frau. Er beschwerte sich mit einer fast die gesamte Zugreise andauernden Beharrlichkeit über die Filmbranche, zu der er zwar gehört, an der er aber viel zu kritisieren hat.

So ähnlich äußert sich auch die Hauptfigur Gregor Samsa, dargestellt von Oliver Masucci, in Roehlers neuem Film „Bad Director“. Samsa ist ein dauernörgelnder Filmemacher Mitte 50. Die Dreharbeiten zu seinem neuen Film laufen nicht gut. Es gibt Stress mit der Hauptdarstellerin Konstanze (Anne Ratte-Polle). Samsa ist Roehlers Alter Ego, was man unschwer an Frisur, Gesichtszügen, schwarzer Brille und Kleidung erkennt. Das Drehbuch basiert auf seinem im Jahr 2017 erschienenen Roman „Selbstverfickung“.

Provokant ist bereits die erste Einstellung, eine Sexszene, in der die involvierte Prostituierte Samsa anherrscht, doch mal bitteschön endlich zur Sache zu kommen. „Ach Mann, jetzt mach nicht so einen Druck, ich habe noch zehn Minuten hier auf der Uhr“, ätzt er zurück. Gelangweilt verlässt Samsa die Situation. Er ist des Lebens und des Filmens überdrüssig und lässt seinen Frust an seiner Umwelt aus. Dann erreicht ihn ein Anruf zu seinem nächsten Film. Welche Sockenfarbe soll der Hauptdarsteller Fabian zu den braunen Loafers denn tragen, fragt Samsas Assistentin. Der nächste Wutausbruch: „Ihr seid viel zu blöd und zu feige zum selbstständigen Denken. Hör auf, mir mit so einem Quatsch die Laune zu verderben“, schnaubt Samsa.

Er braucht sein Schlafmittel Rohypnol und schnappt sich im nächsten Antiquariat eine Ausgabe von Oswald Spenglers „Der Untergang des Abendlandes“. Was auch keine Linderung seines Weltschmerzes bringt. Doch dann schwebt eine wunderschöne Frau namens Grete (Bella Dayne) zu „Je t’aime“ von Serge Gainsbourg in den Laden, und es ist um Samsa geschehen. Wenig später trifft er sie in seinem Stammbordell wieder, wo es zu einigen recht komisch inszenierten Sexszenen kommt. Es turnt ihn an, dass er sie als schwanzgeile Suhrkamp-Lektorin bezeichnet, und er lässt sie Gedichte von T.S. Eliot oder das Manifest von Valerie Solanas („Jeder Mann weiß, dass er ein Misthaufen ist“) zitieren. So weit, so grotesk-amüsant.

Oliver Masucci ist die ideale Besetzung in„ Bad Director“

In diesem Tonfall geht es den ganzen kurzweiligen und unterhaltsamen Film lang weiter. Samsa ist ein neurotischer Unsympath, der einem im Lauf des Filmes nicht gerade ans Herz wächst. Masucci, der bereits die Hauptrolle des Rainer Werner Fassbinder in Roehlers letztem Film „Enfant Terrible“ spielte, verkörpert dieses egozentrische Leiden an der Welt ziemlich gut. Er dominiert das Geschehen und ist die ideale Besetzung. Ohne ihn wäre „Bad Director“ in der Tat nicht ansatzweise so gut.

Es ist phasenweise ziemlich komisch-absurd, wie er sich über die herumwieselnden Vollidioten aus der Filmbranche mokiert, die direkt aus Charles Schuhmanns Tagesbar in München stolpern und nur öde High-Concept-Movies drehen. Oder über die drei Schauspielerinnen, die den Fernsehmarkt in Deutschland unter sich aufteilen und gern einen reichen Medienmogul heiraten, worin man unschwer einen Seitenhieb auf Maria Furtwängler erkennen kann, die mit Hubert Burda liiert war. Für seine unverblümte Art, überall anzuecken und dem Filmestablishment einen Spiegel vorzuhalten, muss man Roehler einfach mögen. Er karikiert die Gegenwart zwar mit einer ätzenden Schärfe, trifft aber oft den Punkt. Gleichzeitig ist er selbst Teil dieser Branche, die er offenkundig nicht leiden kann. Der Filmtitel „Bad Director“ lässt seine Selbstironie durchschimmern.

Was ist nun die Botschaft, die hängen bleibt? Roehler analysiert subtil, dass die Zeit der dominanten Regisseure im Geiste eines „Gefühlsdiktators“ wie Fassbinder vorbei ist und Samsa sich am Set plötzlich mit den Muttergefühlen seiner Hauptdarstellerin herumschlagen muss, was ihn sichtlich überfordert. Die politisch absolut inkorrekten Monologe, die Roehler Samsa in den Mund legt, sind sein deutlicher Kommentar zur Wokeness. Sprechverbote? Nie im Leben. Kunst darf alles. Was all das wiederum sympathisch macht, ist die Tatsache, dass Samsa auch keine Antwort auf diese derzeit hitzig diskutierten Fragen hat. Der alte weiße Mann ist einfach nur komplett überfordert von den Herausforderungen der Gegenwart und weiß, dass seine Männlichkeit in Scherben liegt. Reparatur eher ausgeschlossen.

Roehler lässt man einiges an Provokationen durchgehen, da er eben diese Ratlosigkeit thematisiert und mit „Die Unberührbare“ von 2000 einen der besten deutschen Filme des 21. Jahrhunderts gedreht hat. In diesem wunderschönen und tragischen Film verarbeitete er das Leben seiner Mutter, der Schriftstellerin Gisela Elsner. An diese Größe kommt „Bad Director“ nicht wirklich heran. Sehenswert ist er aber allemal. Auch wenn man nicht damit konform gehen muss, liefert er einen interessanten Beitrag zur Debatte um Wokeness und politische Korrektheit.