Sohn von Hitlers Sekretär unter Verdacht - 20 Minuten

Sohn von Hitlers Sekretär unter Verdacht

Aktualisiert

Sexueller MissbrauchSohn von Hitlers Sekretär unter Verdacht

Er trägt einen berüchtigten Namen und gerät nun selbst ins Zwielicht. Martin Bormann jr. soll sich während seiner Zeit als Priester an einem Zögling vergangen haben.

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Martin Bormann jr. spricht in einer ZDF-Dokumentation über seinen Vater. (Screenshot YouTube)

Martin Bormann jr. spricht in einer ZDF-Dokumentation über seinen Vater. (Screenshot YouTube)

Sein Vater war einer der engsten Vertrauten von Adolf Hitler: Als persönlicher Sekretär kontrollierte Martin Bormann faktisch den Zugang zum «Führer». Nach Kriegsende verschwand er spurlos, in Nürnberg wurde er 1946 in Abwesenheit zum Tode verurteilt, viele vermuteten ihn in Südamerika. Doch 1972 wurden seine Überreste bei Bauarbeiten in Berlin gefunden. Eine DNA-Analyse ergab 1998 zweifelsfrei: Bormann war beim Versuch, vor der Roten Armee zu fliehen, ums Leben gekommen – vermutlich durch Selbstmord.

Sein gleichnamiger ältester Sohn versuchte auf seine Art, dem Schatten des Vaters zu entkommen: 1947 trat Martin Bormann jr. in den Orden der Herz-Jesu-Missionare ein, 1953 wurde er zum Priester geweiht. In den 60er Jahren war er Missionar im Kongo, wo er in die Hände von Rebellen fiel. Nach einem Verkehrsunfall trat er 1970 aus dem Orden aus, um die Frau zu heiraten, die ihn gepflegt hatte. Mit der Geschichte seines Vaters ging Bormann offensiver um als andere Kinder von Nazi-Grössen: Er besuchte Schulen, trat im Fernsehen auf, traf sich mit Holocaust-Opfern in Israel und suchte das Gespräch mit Neonazis.

«Jähzornig und brutal»

Doch nun wird der 80-jährige Martin Bormann selber von einem dunklen Kapitel seiner Vergangenheit eingeholt. Es betrifft seine Zeit als Erzieher an einem Elitegymnasium der Herz-Jesu-Missionare in Salzburg. Dort soll der damals 30-jährige Bormann einen Zögling während eines Jahres wiederholt sexuell missbraucht haben, berichtet das österreichische Magazin «Profil» in seiner aktuellen Ausgabe. Der heute 63-jährige Mann sei als schwer erziehbarer Jugendlicher in die Klosterschule gekommen.

Der «Profil»-Bericht beschreibt eine wahre Schreckensherrschaft hinter den Klostermauern, in der die Buben neben ständiger religiöser Disziplinierung körperlicher Gewalt und militärischem Drill ausgeliefert waren. Daran habe sich auch der Priester Martin Bormann beteiligt, der als «sportlich-gestählt, geheimnisumwittert, eitel, von jähzorniger Härte und brutal» geschildert wird. Laut Aussage von drei ehemaligen Schülern hat er Buben blutig geschlagen, einen davon sogar bewusstlos. Er habe aber auch fürsorglich sein können.

Von Alter und Krankheit gezeichnet

Die Sachwalterin des Mannes, an dem sich Bormann vergangen haben soll, erklärte laut österreichischen Medien, der Missbrauch habe das Leben des 63-Jährigen verpfuscht, er habe die Folgen auch als Erwachsener nie wirklich verkraften können. Es sei für ihn schwer zu verarbeiten gewesen, dass ihm weder seine Mutter noch seine Grossmutter geglaubt hätten. Juristisch ist der Fall längst verjährt, das Opfer wolle nichts ausser einer Entschuldigung oder zumindest die Gewissheit, dass nun alle von dem Missbrauchsfall Kenntnis haben, so die Sachwalterin.

Von «Profil» mit den Vorwürfen konfrontiert, konnte oder wollte sich Martin Bormann weder an seine Zeit im Internat noch an das angebliche Missbrauchsopfer erinnern. Das Magazin schildert den 80-Jährigen, der heute in Deutschland lebt, als «ausgemergelt, von Alter und Krankheit gezeichnet». Zwischen den Zeilen lässt sich herauslesen, dass der Sohn des Nazi-Verbrechers die Realität nur noch eingeschränkt wahrnimmt. Der «Profil»-Besuch sei «zwei Jahre zu spät gekommen», wird seine Frau zitiert.

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