Selbstfürsorge hat 5 Ebenen – die philosophische Selbstsorge verstehen

Selbstfürsorge (philosophisch Seelenfürsorge) ist mehr als ein heißes Bad nach einem stressigen Tag. Richtige Selbstsorge zeigt sich viel mehr im Kleinen. Es geht darum, wie Du Dich im Alltag behandelst und welche Einstellung Du zu Dir selbst hast.

Selbstfürsorge und Selbstsorge

Selbstfürsorge ist schnell gesagt

Aber selten gelebt. Dabei fällt uns die Fürsorge für andere oft leichter. Aber wie lässt sich Selbstfürsorge jeden Tag praktizieren? Und das am besten einfach?

Selbstfürsorge ist wichtig für die Gesundheit

  • Ein Abend mit einem guten Buch und einem Glas Wein...

  • Ein herrlicher Wellness-Tag zuhause, an dem Du Deinen Körper mit viel Pflege verwöhnst…

  • Ein entspannendes heißes Bad zum Tagesende…

Diese oder ähnliche Bilder gehen Dir wahrscheinlich durch den Kopf, wenn Du an Selbstfürsorge denkst.

Das ist auch richtig so, aber nicht ganz korrekt.

Viele Menschen verwechseln Selbstfürsorge mit einzelnen Maßnahmen der Self Care.

Und dann auch noch mit Dingen, die schnell gehen müssen.

Selbstfürsorge ist da doch etwas mehr.

Sie ist ein Ausdruck Deines Selbstwertgefühls und beeinflusst es gleichzeitig.

vgl. auch: Kein Selbstwertgefühl – Symptome & Selbstwert-Aufbau (Übungen)

 

Selbstfürsorge in der antiken Philosophie

Das Konzept gibt es schon wesentlich länger, genauer gesagt: seit der griechischen Antike. Sokrates nimmt hier wieder eine herausragende Stellung ein.

Für den alten Sokrates war es zentrale Aufgabe des Menschen, die eigene Seele zu erkennen, Sorge um sich zu tragen und dadurch die Basis für ein gerechtes Zusammenleben zu finden. Selbstfürsorge bedeutet nach Sokrates also vor allem: Sorge um die eigene Seele.

Die Seelenfürsorge hat für Sokrates 3 Ebenen:

philosophische Selbstsorge ist Seelenfürsorge
  1. Erziehung

  2. Selbsterkenntnis

  3. Politisch

Damit wird die Selbstsorge Teil eines größeren Ganzen:

Sie ist Bestandteil von Pädagogik, ist als Erwachsener Teil der Selbstverantwortung für ein glückliches Leben und stellt das Fundament einer funktionierenden Gemeinschaft.

Vgl. auch: Innere Zufriedenheit & Glück (Philosophie) – Was ist Glück?

Selbstsorge, wie sie die antiken Griechen verstanden, hat nichts mit narzisstischem oder egoistischem Selbstkult zu tun. Vielmehr ist die Sorge um sich selbst als Basis für die Sorge um andere und für ein aktives Einbringen in der Gesellschaft zu verstehen.

 

Selbstfürsorge im frühen Christentum

Wie so vieles, wurde auch die Selbstsorge im Christentum verworfen bzw. verteufelt. Jetzt legten Geistliche die Selbstfürsorge als egoistische Selbstliebe und Selbstbezogenheit aus. Ein wahrer Christ müsse genau dieses unmoralische Verhalten vermeiden. Die Devise heißt nämlich Nächstenliebe.

Ein wichtiges Prinzip dabei: Hier im Diesseits das Unvollkommene, Böse – dort im Jenseits das wahrhaft gute Seelenleben. Selbstreflexion ist für die damaligen Christen eher ein Zugeständnis der eigenen Fehler und Schuld, die gebüßt werden müssen.

Während wir in der Antike eine Verknüpfung von Selbstfürsorge und Selbstlosigkeit haben, arbeitete das Christentum dem entgegen: Jetzt standen sich Selbstfürsorge und Selbstlosigkeit als Antagonisten gegenüber.

 

Selbstfürsorge heute

Nach Prof. Dr. Reichhart (8) zeigen sich heute 2 Strömungen der Selbstfürsorge.

1) Selbstfindung (Sinnsuche)
– die richtige Selbstsorge

2) Selbstoptimierung (Verbesserung)
– die falsche Selbstfürsorge

Selbstfürsorge ist nichts zwischen Tür und Angel. Sie ist kein Instrument zur Selbstoptimierung, das Du mal schnell zwischendurch abarbeiten kannst und dann ist gut.

Sie hat auch nichts damit zu tun, ab und zu mal ein heißes Entspannungsbad zu nehmen und Zack – schon bist Du wieder fit! Es bringt auch nichts, in der knappen Stunde zwischen Feierabend und Kinder abholen schnell noch eine Meditation hineinzuquetschen.

Alles, was diesem Effizienzgedanken unterliegt, ist Self Care – ein oberflächlicher Trend, aber keine echte Selbstfürsorge. Ganz im Gegenteil, das ist Raubbau an Deinen persönlichen Ressourcen & Deiner Gesundheit.

Selbstfürsorge hat in diesem Sinne nichts mit einer Flucht aus Deinem Leben zu tun oder damit, besser zu werden.

 

Was Selbstfürsorge braucht

Selbstfürsorge Bedeutung

Selbstfürsorge ist eine gesunde und natürliche Haltung zum eigenen Selbst und seinen Wert.

Sie ist nicht egoistisch und darauf bedacht, die eigenen Bedürfnisse um jeden Preis zu erfüllen.

Viel mehr bedeutet Selbstfürsorge, auf Deine mentale, körperliche & emotionale Gesundheit gut Acht zu geben und sie zu unterstützen.

  • Selbstfürsorge heißt, Deinen eigenen Rhythmus zu finden. Ist die Grundlage erst mal drin, findest Du zu Deiner Routine.

  • Selbstfürsorge heißt, aktiv Zeit für Dich allein zu planen. Die philosophische Selbstsorge regnet nicht vom Himmel herab oder kommt zu Dir. Du musst sie praktizieren.

  • Selbstfürsorge heißt auch, Dir selbst mit Mitgefühl zu begegnen (vgl. Selbstmitgefühl)

  • Selbstfürsorge heißt, etwas zu tun, mit dem Du Dich gut fühlst und das Dir Freude bereitet. Es bringt wenig, Dich monatelang zum Sport zu quälen oder krampfhaft Tagebuch zu schreiben, wenn Dir beide Maßnahme überhaupt nicht liegen.

  • Self-Care beinhaltet, Dich Muße hinzugeben, einfach mal nichts zu tun, ohne Anforderung oder Leistung.

 

Selbstsorge – Bedeutung & Definition

Selbstfürsorge ist der liebevolle Umgang mit sich selbst. Ich achte auf mich, bin mir selbst und meinen Gefühlen gegenüber aufmerksam und kümmere mich gut um mich. Ohne dass daran Bedingungen geknüpft sind. Das erfordert einen liebevollen Blick auf Dein Selbst und all Deine Bedürfnisse und Wünsche (1).

Selbstfürsorge ist eine innere Haltung, die mit einem stetigen Entwicklungsprozess verbunden ist.

Wohlgemerkt: Entwicklung bedeutet nicht, volle Fahrt voraus ins Buddha-Paradies. Entwicklung schließt alles mit ein: vorwärts, rückwärts, Pause an der Tanke, Rasen, Schneckentempo, stotternd usw. Du verstehst schon 😉

 

Die 5 Ebenen der Selbstfürsorge

– 28 Selbstsorge Tipps –

Nicht falsch verstehen: ein heißes Bad ist eine Möglichkeit von vielen, Dich um Dich selbst zu kümmern. Aber als einzige Maßnahme viel zu schwach in der Wirkung.

Wie geht Selbstfürsorge richtig? Luise Reddemann, eine der bekanntesten Psychologinnen Deutschlands, hat viel Vorarbeit geleistet, damit Du und ich eine kleine Anleitung bekommen, wie sich Selbstfürsorge so praktizieren lässt, dass sie auch wirklich gut für Seele, Geist und Körper ist.

1) Körper – gut zu sich sein

Auf der Körperebene ist Selbstfürsorge alles, was Dein körperliches Wohlbefinden stärkt und steigert. Dabei kommt es auf die Details an: Sport machen und sich aktiv im Alltag bewegen, tut Deinem Körper gut. Allerdings hat Selbstsorge nichts mit hammerharter Disziplin zu tun und sich trotz schmerzhaftem Knie zum Joggen zu quälen. Viel mehr geht es darum Deine Körpersignale rechtzeitig wahrzunehmen und auf sie einzugehen.

Beispiele zur Selbstfürsorge für den Körper:

  1. Genügend Trinken

  2. Ausgewogen Ernähren

  3. Sich zu nichts mit großem Widerwillen zwingen

  4. Regelmäßige Erholung & Entspannung

  5. Arzt-Check-ups nutzen zur Gesundheitsprävention

  6. Ausreichend Schlaf (mind. 7 Std.)

 
 

2) Gefühle & Emotionen – bei sich sein

Das emotionale Wohlbefinden ist alles, was Deine Stimmung, Laune und psychische Verfassung positiv beeinflusst. Das wichtigste dabei: Emotionen spüren. Egal ob negativ oder positiv – alle Gefühle haben eine Berechtigung gehört zu werden. Sie auszuleben löst oft Blockaden und hilft beim Loslassen.

Selbstfürsorge Beispiele für Gefühle:

  1. Dir Zeit zu nehmen, um Deinen Gefühlen Raum zu geben.

  2. Gestatte Dir, zu weinen, Deine Gefühle offen zu zeigen und darüber zu reden.

  3. Auch andere Gefühle wie Wut, Eifersucht und Neid benötigen Freiraum und müssen ausgelebt werden, um nicht im Unterbewusstsein zu wüten. Die Frage ist immer: Woher kommen diese Gefühle und warum?

  4. Bewusstes Genießen, zum Beispiel Essen, Musik hören, Bücher lesen usw.

  5. Bewusste Abgrenzung von anderen Menschen und ihren Problemen (Du bist nicht für alles verantwortlich)

  6. Me-Time: Momente nur für Dich und für Deine Bedürfnisse & Gedanken.

 

3) Verstand (Intellekt) – Zusammenhänge erkennen

Selbstsorge: Verstand

Selbstfürsorge für den Verstand zeigt sich in erster Linie in Achtsamkeit Dir gegenüber. Das bedeutet, Du nimmst Dir genügend Zeit für Deine persönliche Weiterentwicklung und Selbstreflexion.

Beispiele zur Selbstfürsorge für Deinen Intellekt:

  1. Die eigenen Gedanken auf den Prüfstand stellen: Arbeiten sie mit Dir oder gegen Dich?

  2. Glaubenssätze erkennen und Realitäts-Check machen, d.h. Du identifizierst feste Wahrheiten in Deinem Kopf und gleichst Sie mit der Realität ab. Was davon ist veraltet und kann weg? Welche sind falsch? Welche behindern Dich?

  3. Wann spricht Dein innerer Kritiker? Und warum?

  4. Dazulernen und verinnerlichen, zum Beispiel Bücher lesen, Seminar besuchen, Kurse machen, sich mit anderen Austauschen usw.

  5. Negative Erfahrungen als Teil von Dir annehmen und nicht weg drängen

 

4) Sozial (Menschen-Kontakt) – Zugehörigkeit spüren

Selbstfürsorge ist kein Ego-Film.

Nope, Selbstsorge bedeutet, ein gesundes Verhältnis zu sich selbst und den Menschen schaffen, die zu Deinem Leben gehören. Du bist wie jeder andere ein Sozialwesen, das auf den Kontakt mit Freunden, Familien und anderen Menschen angewiesen ist, um gesund und zufrieden Leben zu können.

Beispiele zur Selbstsorge für Deine soziale Kompetenz:

  1. Dich regelmäßig mit Menschen zu umgeben, die Dir wichtig sind.

  2. Arbeit verschieben, wenn Du gebraucht wirst.

  3. Offenheit leben und neue Kontakte zulassen.

  4. Fehler eingestehen und sich entschuldigen können.

  5. Anderen Deine Zuneigung zeigen können.

  6. Soziale Konflikte lösen.

 

5) Geist (Mental) – im Einklang mit sich selbst sein

Arrgh, die Überschrift klingt viel zu spirituell, für meinen Geschmack, und trifft es trotzdem ganz gut.

Frau Dr. Reddemann meint mit Spiritualität & Geist etwas anderes. Keiner muss in die Kirche oder sich stundenlang mit einem Yogi über das Meditieren unterhalten.

Die Expertin spricht von einem Urvertrauen in sich selbst und in die Welt. Dazu gehört die Trias: Selbstliebe, Dankbarkeit und Vertrauen. Es handelt sich also um eine innere Haltung zur Welt und zum Leben, die sich in einer Fürsorge gegenüber Dir selbst zeigt und positiv gestimmt ist.

Beispiele zur Selbstfürsorge auf mentaler Ebene:

  1. Persönliche Werte identifizieren und danach leben

  2. Sich mehrmals unter der Woche Zeit nehmen und über Deinen Weg nachdenken.

  3. Das Leben mit all seinen Facetten überwiegend positiv wahrnehmen.

  4. Dich in Haltungen wie Achtsamkeit und Dankbarkeit üben.

  5. Menschen gegenüber offen bist anstatt misstrauisch (Vertrauensvorschuss)

 

Seelenfürsorge im Alltag ist wirkliche Selbstfürsorge

Seelenfürsorge als Selbstfürsorge

Nochmal zur Erinnerung: Selbstfürsorge hat nichts damit zu tun, dass Du jeden Tag eine 2-Stunden-Meditation hinlegst, jede Woche Wellness machst oder alle heiligen Zeiten Bäume umarmen gehst.

Selbstfürsorge zeigt sich im Alltag, in den kleinen Details Deines Umgangs mit Dir Selbst und Deiner Umwelt.

Stell Dir vor, Selbstsorge ist wie eine Blume. Wenn Du sie unregelmäßig gießt oder sie nur für 2 Wochen jährlich in die Sonne stellst, dann wird sie eingehen und sterben. Sie braucht tägliche Pflege durch Gießen und Sonnenlicht,. Sie braucht nährstoffreiche Erde, sie braucht Hilfe beim Entfernen von Schädlingen.

Genau diese Prinzip wendest Du mit täglicher Selbstfürsorge auf Dich selbst an.

 

Selbstfürsorge Ideen

17 Tipps für den Alltag

Selbstfürsorge kann nur dann gelingen, wenn Du sie wirklich umsetzt und täglich übst. Das ist wie mit den Neujahrsvorsätzen: Viele sind am Anfang motiviert, nach 1 Monat sind die guten Vorsätze dann wieder im Alltagsstress untergegangen.

Genau das sollte Dir mit kleinen Selbstfürsorge-Einheiten nicht passieren. Zeit und Regelmäßigkeit – so lassen sich die verschiedenen Tipps am besten in Deinen Alltag integrieren.

Tipps für Deine Morgenroutine (10-15 Minuten)

  1. Meditieren oder Yoga machen

  2. Frische Luft schnappen – am offenen Fenster, auf dem Balkon oder kurz vor die Tür gehen.

  3. Deinen Körper ausgiebig strecken und dehnen

  4. Ein Glückstagebuch führen und jeden Morgen schöne Dinge eintragen.

  5. Eine Seite im Lieblingsbuch lesen

  6. Deine Lieblingsmusik hören

  7. Tanzen und hüpfen

  8. Eine duftende Tasse Tee trinken.

Tipps für Deine Mittagspause (10 Minuten oder mehr)

  1. Gönn’ Dir einen kurzen Spaziergang, bei dem Du bewusst tiefe Atemzüge nimmst.

  2. Schnapp’ Dir ein Buch, finde ein ruhiges Plätzchen und lies wenige Seiten.

  3. Manche nutzen den Mittag für eine kurze Meditation. Kopfhörer rein, Musik an oder Medi-App aktivieren und Kopf abschalten.

Tipps für Deine Abendroutine (10-30 Minuten)

  1. Spätestens 30 Minuten vor dem Schlafengehen alles Elektronische meiden (Handy, Fernseher, Computer)

  2. Etwas Entspannungsmusik hören

  3. Hörbuch anhören

  4. Ein paar Seiten in einem Buch lesen

  5. Dankbarkeits-Tagebuch schreiben

  6. Meditieren oder Yoga

 

Hier nochmal die 5 Ebenen

Selbstfürsorge planen?

Tatsächlich ist es einfacher, wenn Du Deine Selbstfürsorge-Aktivitäten planst.

Ja ich weiß, das klingt jetzt nicht nach dem Locker-Flockigen-Entspannungsflow, den ich selbst wünsche und den Du Dir vorstellst.

Hat aber handfeste Gründe.

Du verpflichtest Dich Dir selbst gegenüber, zu festen Zeiten inne zu halten und auf Dich zu achten.

Je genauer Du den Zeitpunkt für diese oder jene Aktivität bestimmst und planst, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Du Dich wirklich an Dein Vorhaben hältst.


Quellen:

1) Ulrike Bossmann, Diplom-Psychologin und Coach für Positive Psychologie
2) Luise Reddemann: Imagination als heilsame Kraft – Ressourcen und Mitgefühl in der Behandlung von Traumafolgen (2017)
3) Luise Reddemann: Würde – Annäherung an einen vergessenen Wert in der Psychotherapie (2008)
4) Ulrike Scheuermann, Diplom-Psychologin und Autorin in Berlin
5) Sarah Brockhaus: Selbstfürsorge: So lernst du, besser mit dir umzugehen
6) Susanne Lorenz, Kommunikationsexpertin und Business Coach in Berlin
7) Katharina Tempel, Diplom-Psychologin, Autorin & Online-Coach
8) Dr. Med. Tatjana Reichhart: Das Prinzip Selbstfürsorge (2020)
9) Dahl, C: Warum es sich lohnt, gut für sich zu sorgen. Über den langfristigen Nutzen der Selbstfürsorge – Ergebnisse zweier empirischer Studien. Prävention und Gesundheitsförderung (2019)
10) Zentrum für Empirische Pädagogische Forschung, Landau

Tamara Niebler (Inkognito-Philosophin)

Hey, ich bin Tamara, studierte Germanistin, Philosophin (M. A.) & freie Journalistin. Hier blogge ich über meine Erfahrungen mit Depressionen & Angst sowie über Philosophie & soziale Ungleichheit.

Zurück
Zurück

Depression: Zweifel an Gefühlen sind typisch für Betroffene

Weiter
Weiter

Depressive verstehen – 5 Fakten über depressive Menschen