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Die Katatonie ist gar nicht so selten und doch wird sie häufig übersehen. Die diagnostischen Kriterien für die Katatonie haben sich verändert. Katatone Syndrome sind prinzipiell gut behandelbar, wenn sie denn rechtzeitig erkannt werden. Unbehandelt ist die Katatonie auch heute noch lebensbedrohlich.
"Es gibt ein mysteriöses Syndrom, das Menschen in Statuen verwandelt", so beginnt ein Artikel des Online-Magazins Vice aus dem Jahr 2020. Die Katatonie ist ein faszinierendes Syndrom und prinzipiell gut behandelbar; das Erstarren in einer Haltung ist reversibel. Allerdings ist die Katatonie als Erkrankung gefürchtet und selbst Psychiatern zu wenig bekannt, obwohl sie eine der ersten diagnostischen Kategorien der Psychiatriegeschichte war. Karl Kahlbaum beschrieb die Katatonie 1874 anhand von 26 Fällen als das "Spannungsirresein" [1]. Kahlbaums Werk war damals wegweisend, weil es die erste Sammlung psychiatrischer Fälle war, bei denen der Autor von gemeinsamen Krankheitszeichen und ähnlichen Verläufen auf das Vorliegen einer einheitlichen Krankheitsursache geschlossen hatte. Eine Vielzahl von Autoren hatte später das Konzept der Katatonie aufgegriffen und weiterentwickelt. So beschrieb Kraepelin gutartige Langzeitverläufe der Katatonien mit Remission [2]. Eine äußerst differenzierte Einteilung verschiedener Katatonie-Typen führte Karl Leonhard ein, der Arbeiten von Carl Wernicke und Karl Kleist weiterentwickelte. Leonhard beschrieb akute Katatonieformen im Rahmen der Motilitätspsychosen mit gutem Verlauf und mindestens sechs verschiedene chronisch progrediente Formen im Rahmen seiner systematischen Schizophrenien. In der angloamerikanischen Psychiatrie gab es Autoren, die katatone Syndrome auch bei affektiven und schizoaffektiven Störungen beschrieben. Schließlich setzte sich die Vorstellung Kraepelins durch, der die Katatonie einem Subtyp der Schizophrenie zugeordnet hatte. Bei der Erstellung operationalisierter Diagnosekriterien in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verloren motorische Symptome, die der Fremdbeurteilung unterliegen, jedoch an Bedeutung für die Schizophreniediagnose zugunsten von Symptomen, die auf dem inneren Erleben der Betroffenen basieren. Insbesondere wurden Auffälligkeiten von Bewegung und Körperhaltung, die ursprünglich als wichtig für das Erscheinungsbild der Schizophrenie erachtet wurden, in modernen Diagnosesystemen weitgehend ignoriert [3].
Katatonie ist nicht automatisch Schizophrenie.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es noch eine Vielzahl von Katatonieerkrankten in den psychiatrischen Kliniken, allerdings sank der Anteil von Katatoniediagnosen gegen Ende des 20. Jahrhunderts. Manche Autoren stellten daher die Frage, ob die Katatonie ausgestorben sei [4]. Eine genaue Betrachtung muss aber zu dem Ergebnis kommen, dass dies keinesfalls zutrifft, sondern Katatonie bei einer Vielzahl von Erkrankungen auftritt, dort aber häufig nicht vermutet wird. Das Fehlen spezifischen Wissens über die Katatonie und der Neglect der Psychomotorik während der psychiatrischen Weiterbildung der letzten Dekaden führten schließlich dazu, dass die Katatonie häufig nicht erkannt wird [5, 7, 8, 9].
In einer aktuellen Untersuchung zur korrekten Diagnostik katatoner Syndrome wurden Fachärzte, Weiterbildungsassistenten und Medizinstudierende mit Fragen zur Definition von Katatoniesymptomen sowie mit standardisierten Videos zu Katatoniesymptomen konfrontiert [10]. Nur die Hälfte der Fachärzte erkannte die Katatonie. Überraschend erwiesen sich Fachärzte nicht wesentlich besser als Ärzte in Weiterbildung oder Medizinstudierende. Hier zeigt sich, dass die Erfassung motorischer Symptome und katatoner Syndrome vor allem in Weiter- und Fortbildung besser geschult werden muss.
Systematische Untersuchungen weisen immer wieder nach, dass die Syndrome keineswegs verschwunden sind, sondern belegen stattdessen den professionellen Neglect. Van der Heiden und Kollegen untersuchten die Prävalenz der Katatonie in einer großen psychiatrischen Klinik [11]. Gemäß Krankenakten wurde bei 1 % der Schizophreniepatienten der katatone Subtyp diagnostiziert. Nach Anwendung der DSM-IV-Kriterien auf die Akteneinträge musste die Prävalenz bereits auf 7 % deutlich korrigiert werden. Der Einsatz von strukturierten Instrumenten wie der Bush-Francis Catatonia Rating Scale (BFCRS) durch Experten ließ die Prävalenz sogar auf 18 % steigen! Bei unbehandelten Patienten mit einer ersten Psychose fand sich nach DSM-IV-Kriterien eine Prävalenz von 12 % [12]. Gleichzeitig weisen viele Untersuchungen darauf hin, dass die Katatonie auch bei affektiven Störungen und anderen Erkrankungen auftritt [7]. Schließlich geht eine Metaanalyse von 9 % Prävalenz bei psychiatrischen Erkrankungen aus [13].
Die intensive Diskussion in der Fachwelt vor Einführung des DSM-5 im Jahr 2013 führte dazu, dass man sich entschloss, die Katatonie als eigenständiges Syndrom zu sehen, das bei verschiedenen psychiatrischen Grunderkrankungen auftreten kann (sogenannter Katatonie-Specifier) [14]. Mit dem Aufkommen moderner bildgebender Verfahren wurde zudem in den letzten Jahren immer besser verstanden, welche Veränderungen der Hirnphysiologie bei Patienten mit katatonen Syndromen auftreten [15, 16, 17, 18, 19]. Das komplexe Zusammenspiel der katatonen Symptome bleibt eine Herausforderung für die modernen klinischen Neurowissenschaften und erlaubt es, verschiedene Hypothesen zum Thema Willensbildung, Motorik und Affekt zu generieren [6, 20, 21, 22].
Definition
Die Katatonie stellt ein psychomotorisches Syndrom dar, bei dem es zu Beeinträchtigungen von Motorik und Willen kommt, die zum Teil von Affekten moduliert werden und zu besonderen Verhaltensänderungen führen [5]. Daneben sind Zustände mit vegetativer Dysregulation (Tachykardie, Tachypnoe, Hyperthermie, Hyperhidrose) möglich. Die Symptomatik kann in unterschiedlichen Formen auftreten und hält Stunden bis Tage und selten auch Wochen bis Monate an. Bei einigen Menschen geht die Katatonie mit schweren Angstzuständen einher und wird subjektiv stark unangenehm erlebt. Andere Menschen mit Katatonie wirken eher unbeteiligt gegenüber den motorischen Auffälligkeiten. Während die motorischen Verhaltensweisen vor allem bizarr wirken und den Ablauf des täglichen Lebens stören (z. B. Rituale und Negativismus), ist die vegetative Dysregulation wegen der hohen Mortalität gefürchtet. Unbehandelt versterben rund 30 % der Patienten mit perniziöser (maligner) Katatonie. Körperliche Folgeschäden sind aber auch bei weniger schweren Formen zu erwarten, zum Beispiel Thrombosen, Embolien, Kachexie und Niereninsuffizienz, wenn Immobilität, Nahrungsverweigerung und Rigidität nicht adäquat behandelt werden.
Symptomatik
Die Symptome der Katatonie lassen sich am einfachsten unterteilen in Symptome mit zu wenig Aktivität, in Symptome mit zu viel Aktivität und in Symptome mit abnormer motorischer Aktivität [5]. Für die korrekte Diagnose der Katatonie ist es entscheidend, die Patienten genau zu beobachten und auch körperlich zu untersuchen. Gesteigerte Psychomotorik sehen wir beispielsweise bei Agitation, Erregung, Impulsivität oder Aggressivität (Tab. 1). Verminderte psychomotorische Aktivität kann man beobachten zum Beispiel im Rahmen des Stupors, der Ambitendenz oder des Starrens. Aber auch während der Interaktion mit den Patienten zeigt sich verminderte Aktivität, nämlich zum Beispiel im Rahmen des Negativismus (Patient wendet sich ab, dreht sich weg), Mutismus oder bei starkem sozialem Rückzug. Abnorme psychomotorische Aktivität kann man beispielsweise beobachten als Stereotypien, Manierismen, Haltungsverharren, Perseveration oder Grimassieren. In der Interaktion zeigt sich abnormes motorisches Verhalten als Echolalie, Echopraxie, Verbigeration oder in Befehlsautomatismen. Bei der körperlichen Untersuchung fallen die abnormen Befunde der wächsernen Biegsamkeit (Flexibilitas cerea), der Katalepsie, der Rigidität, des Gegenhaltens, des Mitgehens oder des vorhandenen Greifreflexes auf. Zwölf dieser genannten Symptome sind als Diagnosekriterien im DSM-5 enthalten.
Zur Sicherung der Diagnose und für die Verlaufsbeurteilung empfiehlt sich die Verwendung klinischer Skalen, die den Schweregrad der Katatonie festhalten. International hat sich vor allem die BFCRS durchgesetzt [23], da sie das Vorliegen der Katatonie mit 14 Screening-Items prüft. Wenn mindestens zwei davon erfüllt sind und somit das Syndrom der Katatonie vorliegt, werden die anderen 14 Items der BFCRS bewertet, um den Schweregrad festzuhalten. Die BFCRS ist bestens geeignet für die Verlaufsuntersuchung einzelner Fälle und für klinische Studien. Inzwischen gibt es auf der Internetseite der Universität Rochester hilfreiche Trainingsvideos zur Anwendung der Skala (www.urmc.rochester.edu/psychiatry/divisions/collaborative-care-and-wellness/bush-francis-catatonia-rating-scale.aspx).
Andere geeignete klinische Skalen sind die Catatonia Rating Scale [24] oder die Modified Rogers Scale [25]. Die Northoff Catatonia Rating Scale ist eine Weiterentwicklung der Modified Rogers Scale und liegt auch in einer deutschen Übersetzung vor [26, 27].
Nosologische Einteilung
Die noch gültige ICD-10 kennt die organische Katatonie (mit Stupor oder Negativismus im Rahmen einer Hirnschädigung) und die katatone Schizophrenie mit recht strengen Kriterien (Schizophreniekriterien müssen erfüllt sein, plus mindestens zwei Wochen anhaltend mindestens eines von sieben Katatoniesymptomen) [9]. Diese Voraussetzungen schließen einen großen Teil der katatonen Syndrome aus. Beim DSM-5 ergeben sich dagegen drei weit gefasste Möglichkeiten: 1) Katatonie als Syndrom im Rahmen einer anderen psychischen Erkrankung, 2) Katatonie im Rahmen einer somatischen Erkrankung oder 3) Katatonie als eigene Erkrankung [9, 28]. Es müssen mindestens drei von zwölf Kriterien erfüllt sein, ein Zeitkriterium gibt es dagegen nicht. Bei den komorbiden psychischen Erkrankungen werden insbesondere die Störungen des Schizophrenie-Spektrums, der Autismus, die bipolare Störung sowie Depressionen genannt. Erstmals ist es dadurch möglich geworden, die Katatonie im Rahmen von affektiven Erkrankungen oder im Rahmen von Entwicklungsstörungen zu diagnostizieren. Diese Schwierigkeit stellte sich zuvor jeweils, wenn zum Beispiel katatone Symptome im Rahmen von Depressionen, bipolaren Störungen oder beim Autismus auftraten. Die geschulten Psychiaterinnen und Psychiater erkennen Katatonien aber ebenfalls im Kontext von intensivmedizinisch behandelten Patienten. Erkrankungen, bei denen organische Katatonien auftreten, sind beispielsweise Anti-NMDA und andere autoimmun-vermittelte Enzephalitiden, neurodegenerative Erkrankungen, neuroonkologische Erkrankungen, multiple Sklerose, systemischer Lupus erythematodes, Hyperkalzämie, Wernicke-Enzephalopathie, hepatische Enzephalopathie und andere.
Klinische Skalen wie die Bush-Francis Catatonia Rating Scale oder die Northoff-Catatonia Rating Scale helfen, Schweregrad und Symptommuster der Katatonie zu erfassen.
Dabei kann es sogar dazu kommen, dass im Rahmen der hirnorganischen Schädigung sowohl eine Katatonie als auch ein Delir auftreten, wobei sich nach den DSM-5-Diagnosekriterien beide ausschließen. Neuere Untersuchungen weisen aber darauf hin, dass es diese kombinierten Fälle gibt [14]. Die Revision des DSM-5 wird diese neuen Erkenntnisse aufgreifen.
Diagnosekriterien für die Katatonie sind mit dem DSM-5 klarer und liberaler geworden.
Noch einen Schritt weiter gehen die Kriterien der neuen ICD-11, die katatone Syndrome nicht nur im Rahmen von anderen psychiatrischen oder somatischen Erkrankungen, sondern auch als Folge einer Intoxikation oder eines Entzugssyndroms definieren können. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich in den letzten zehn Jahren die Diagnosekriterien der Katatonie gewandelt haben in dem Sinne, dass die Regeln klarer geworden sind und die Möglichkeit, Katatonie zu klassifizieren, zugenommen haben. Daraus lässt sich erhoffen, dass zukünftig katatone Syndrome wieder häufiger von Psychiatern erkannt und einer geeigneten Behandlung zugeführt werden können.
Schwierig zu bestimmen: perniziöse Katatonie oder malignes neuroleptisches Syndrom?
Aktuell gibt es keine beweisenden klinischen Zeichen, die eine maligne (perniziöse) Form der Katatonie von einem malignen neuroleptischen Syndrom unterscheiden können. Hier sind vor allem die Dynamik der Ereignisse und die Anamnese entscheidend, die oft in der Notfallbeurteilung nicht zugänglich sind. Während das maligne neuroleptische Syndrom nach einer neuen Exposition zu Antipsychotika (neues Medikament oder deutliche Dosisänderung) innerhalb von Stunden bis wenigen Tagen auftritt, stehen viele Patienten bei einer malignen Katatonie bereits dauerhaft unter antipsychotischer Behandlung, haben oft katatone Phasen in der Vorgeschichte und der aktuellen Situation ging eine Eskalation der katatonen Symptome voraus. Das maligne neuroleptische Syndrom ist wesentlich seltener und damit weniger wahrscheinlich als das Auftreten einer malignen Katatonie. Die wenigen systematischen Studien mit operationalisierter, prospektiver Befunderhebung weisen auf die Bedeutung der Verlaufsformen der Katatonien hin [29]. In der Regel klingen akute Katatonien wieder ab und können als rezidivierende Episoden auftreten. Im Rahmen von psychotischen Erkrankungen gibt es chronisch progrediente Verlaufsformen, bei denen katatone Syndrome nicht remittieren.
Behandlung der Katatonie
Bei der Behandlung katatoner Syndrome muss unterschieden werden zwischen der Behandlung der Katatonie und der Behandlung der Folgen der Katatonie. In jedem Fall ist kritisch zu prüfen, ob eine Substitution von Nahrungsmitteln und Flüssigkeit, die Prophylaxe thrombembolischer Ereignisse, Pneumonien oder Muskelkontrakturen durchgeführt werden muss [5, 6]. Bei katatonen Syndromen gilt es daher, möglichst frühzeitig zu therapieren, und es handelt sich häufig um psychiatrische Notfallsituationen mit Eigengefährdung. Schwere katatone Zustände können schon im Vorfeld durch bereits bestehenden Negativismus zu einer massiven Mangelernährung geführt haben. Bedenken Sie auch, dass stuporöse Zustände und starker Rigor große Energiemengen verbrauchen und somit die adäquate Ernährung unbedingt sichergestellt werden muss. Thrombembolische Ereignisse sind neben der möglichen vegetativen Entgleisung die Hauptgründe für die erhöhte Mortalität katatoner Syndrome. Liegen organische Ursachen einer Katatonie zugrunde, zum Beispiel Autoimmun-Enzephalitiden oder metabolische Enzephalopathien, dann ist die Ursache der Katatonie ebenfalls zu behandeln.
Akute katatone Syndrome jeder Ätiologie sprechen generell schnell und deutlich auf die Gabe von Lorazepam an. Einige Autoren postulieren sogar den sogenannten Lorazepam-Test: Bessert sich das katatone Syndrom innerhalb von zehn bis 15 Minuten nach Injektion von Lorazepam deutlich, so bestätigt sich damit das Vorliegen eines katatonen Syndroms. Dabei muss bedacht werden, dass die Lorazepam-Dosis eventuell nicht ausreicht, um ein starkes katatones Syndrom zu behandeln und somit mehrere Dosierungen notwendig sind. Der Zugangsweg ist nicht entscheidend; die Effekte sind mit leichten Unterschieden in der Dauer bis zum Eintreten ähnlich mit oraler Gabe wie mit i.m.- oder i.v.-Injektion. Andere Benzodiazepine sind ebenfalls wirksam, die Datenlage spricht aber konsistent für einen Vorteil von Lorazepam.
In Fällen von lebensbedrohlichen vegetativen Dysregulationen oder fehlendem Ansprechen auf Lorazepam-Gabe ist die bitemporale Elektrokonvulsionstherapie (EKT) das Mittel der Wahl. Die EKT hat sehr hohe Ansprechraten bei Katatonie, die in Metaanalysen belegt wurden [30]. Bereits bei den Vorgängern der EKT, nämlich der Cardiazol-Schockbehandlung wurde exzellentes Ansprechen bei Patienten mit Katatonie dokumentiert. Anekdotisch profitierten einige Fälle von den NMDA-Rezeptorantagonisten Amantadin oder Memantin zur Augmentation einer Benzodiazepintherapie bei Katatonie. Die Datenlage abseits von Lorazepam und EKT ist allerdings äußerst schwach, so dass bei Nichtwirksamkeit von Lorazepam die EKT die einzige erwiesen wirksame Therapieform darstellt und lebensrettend sein kann.
Chronische katatone Zustände sprechen nicht auf Benzodiazepin-Gabe an [31]. Meist ist es zudem notwendig, die psychiatrische Grunderkrankung weiter zu behandeln. Gerade im Rahmen von psychotischen Erkrankungen hat sich in der Praxis der Einsatz von niedrig dosiertem Clozapin bewährt. Persistierende katatone Syndrome, wie sie bei chronischen Schizophrenien vorkommen, profitieren von zusätzlicher Physiotherapie und körperlicher Aktivierung.
Obwohl die Akutbehandlung der Katatonie mit Lorazepam oder EKT sehr erfolgreich ist, besteht enormer Bedarf an weiteren Studien zur Evaluation neuer Behandlungsansätze beziehungsweise Absicherung des Wissens in Bezug auf chronische Katatonieformen. Daneben muss geklärt werden, welche Behandlung der Katatonie bei den zugrundeliegenden psychiatrischen Erkrankungen am besten hilft.
Pathophysiologie
Zur Pathophysiologie der Katatonie fehlen noch breit angelegte empirische Arbeiten. Bisherige Studien fokussierten auch aufgrund der traditionellen Klassifikation auf Erkrankungen des Schizophreniespektrums, während praktisch kaum Daten zur Pathophysiologie der Katatonie im Kontext von Entwicklungsstörungen oder affektiven Erkrankungen vorliegen. Kleinere Bildgebungsuntersuchungen weisen auf metabolische Veränderungen in prämotorischen Cortices, Basalganglien und im Parietalcortex bei Katatonie im Rahmen der Schizophrenie hin [5]. Insbesondere fand sich in zwei unabhängigen Studien eine erhöhte Aktivität im prämotorischen Kortex [15, 17]. Auch wurde eine veränderte GABAerge Aktivität im motorischen Cortex von Katatoniepatienten beschrieben [32]. Dafür sprechen auch die generelle Wirksamkeit von Lorazepam und EKT.
Eine Reihe von Untersuchungen hat zudem eher unspezifische Veränderungen der Struktur des motorischen Systems beschrieben, zum Beispiel erhöhte Diffusionsparameter im linken corticospinalen Trakt bei Katatonie im Vergleich zu Gesunden [19, 33]. Sämtliche dieser Veränderungen sind jedoch diagnostisch nicht ausreichend genau für den Einzelfall; sie treten nur im Gruppenvergleich auf. Neben groß angelegten bildgebenden und Verhaltensstudien am Menschen fehlten außerdem lange geeignete Tiermodelle für die Katatonie. Eher zufällig wurde kürzlich ein katatoner Phänotyp mit Haltungsverharren und sozialem Rückzug bei genetisch veränderten Mäusen beschrieben, der mit einer milden Inflammation der weißen Substanz einhergeht [34]. Die genetische Veränderung betrifft den Aufbau der Myelinscheide und die Funktion von Oligodendrozyten.
Aus den cMRT-Befunden beim Menschen und aus den Untersuchungen an Knock-out-Mäusen lassen sich heute zumindest mögliche experimentelle Behandlungen ableiten. Die verstärkte Aktivität in prämotorischen und motorischen Cortices bei der Katatonie könnte zum Beispiel mit nicht invasiver Hirnstimulation angegangen werden. Transkranielle Magnetstimulation kann beispielsweise hyperaktive prämotorische Hirnregionen hemmen. Hierzu lieferte eine transdiagnostische Studie zur repetitiven transkraniellen Magnetstimulation aus Bern erste Hinweise [35]. Patienten mit schwerer psychomotorischer Verlangsamung im Rahmen von Depressionen oder Schizophrenie konnten von einem hemmenden Stimulationsprotokoll (1 Hz) über dem prämotorischen Cortex profitieren, das 15 Behandlungen über drei Wochen umfasste. In Mausmodellen ließ sich katatones Verhalten einerseits behandeln und andererseits im Rahmen einer präventiven Intervention unterdrücken, und zwar durch die pharmakologische Depletion von Mikroglia [36]. Inwieweit diese Befunde auf den Menschen übertragbar sind, bleibt heute offen. Die Wirkung der transkraniellen Magnetstimulation wird aktuell in einer Replikationsstudie getestet [37].
Ernährung und Flüssigkeitssubstitution sind wie die Prophylaxe von Ulcera und thrombembolischen Ereignissen enorm wichtig bei katatonen Syndromen .
Fazit für die Praxis
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Die Katatonie ist ein komplexes psychomotorisches Syndrom, das im Rahmen verschiedener psychiatrischer und somatischer Grunderkrankungen auftreten kann. Das Syndrom ist unbehandelt mit deutlich erhöhter Mortalität und Morbidität verbunden, kann aber in der Akutphase gut mit Lorazepam und EKT behandelt werden.
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Psychiatrische Fachpersonen erkennen die Katatonie nicht zuverlässig, weshalb die Aus- und Weiterbildung intensiviert werden müssen. Heute gehen wir von einer Störung im motorischen System aus, die auf einer Insuffizienz GABAerger Aktivität zu beruhen scheint.
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In Zukunft brauchen wir mehr Studien zur Pathophysiologie des Syndroms und deutlich mehr randomisierte klinische Therapiestudien.
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Die Änderung der Diagnosekriterien wird die Katatonie wieder mehr in den Fokus der psychiatrischen Aufmerksamkeit rücken, sodass mehr Betroffene erkannt und behandelt werden können. Dies wird auch für die Durchführung randomisierter klinischer Doppelblindstudien hilfreich sein. Die nächsten Jahre der Katatonieforschung werden hoffentlich die Behandlung und die Perspektiven der Betroffenen entscheidend verbessern.
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Walther, S., Weiss, F. Diagnostik und Therapie katatoner Syndrome. InFo Neurologie 24, 43–49 (2022). https://doi.org/10.1007/s15005-022-2244-1
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