Filmstart & Trailer: „Der letzte Wolf“ von Jean-Jacques Annaud - WELT
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Film „Der letzte Wolf“

Haben Sie Wölfe schon mal so gesehen?

„Der letzte Wolf“ in Gefahr

Der chinesische Student Chen Zhen soll in der Mongolei einen Nomadenstamm unterrichten. Die Hirten haben eine besondere Beziehung zu dem freilebenden Wolf, doch die Regierung will die Rudel ausrotten.

Quelle: Wild Bunch

Autoplay
Jean-Jacques Annaud, der Märchenerzähler der Wildnis, feiert in seinem neuen Film den letzten Wolf als heiliges Geschöpf. Eine große Geschichte, getarnt als romantisches Öko-Epos. Und das alles in 3-D.

Aus Jiang Rongs Bestseller „Der Zorn der Wölfe“ ist „Der letzte Wolf“ geworden, nicht nur auf der Kinoleinwand, sondern auch im Buchhandel. Der Roman, dessen Verkaufszahlen an die der Mao-Bibel heranreichen sollen, stapelt sich als „Buch zum Film“ an den Kassen. Der Titelwechsel nimmt alles Sperrige aus diesem grandiosen Stoff und biedert sich an die Publikumserwartung eines romantischen Öko-Epos an, in dem Wölfe eben nicht zornig sein, sondern bloß aussterben dürfen.

Zu Wildnisheiligen können sie nur als Letzte ihrer Art werden. Diese Marketingentscheidung ist grunddoof. Sie tut dem Roman wie auch Jean-Jacques Annauds grandioser Verfilmung Gewalt an, denn die großartige Geschichte, die hier erzählt wird, lässt sich nicht herunterbrechen auf das simple Muster der Naturzerstörung durch Zivilisation.

Der Pekinger Student Chen Zhen (Feng Shao-feng), der in den Jahren der chinesischen Kulturrevolution den Nomaden der Inneren Mongolei Mandarin-Chinesisch beibringen soll, trifft eben nicht auf ein Naturvolk, sondern auf eine uralte Kultur, die über einen unermesslichen Schatz von Naturwissen verfügt. Die Viehzüchter können den Lebensraum des Graslandes nur deshalb optimal nutzen, weil sie die Überlebensstrategien von Pflanzen und Tieren im Wechsel der Jahreszeiten und unter Extrembedingungen wie Dürre oder Schneesturm genau beobachten.

Der edle Wilde und der weise Mensch

Besonders nahestehen ihnen dabei die Wölfe, die sie verehren und fürchten, deren Jagdstrategien sie nachahmen und deren Vorsicht und Mut sie sich zum Beispiel nehmen. Es heißt, das mongolische Weltreich des Dschingis Khan sei durch Krieger errichtet worden, die von Wölfen gelernt hätten.

Dem Beobachten der Natur verfällt der Chinese Chen Zhen von seinem ersten Tag in der Inneren Mongolei an. Die Kisten mit den Büchern sind bald vergessen. Lieber liegt er bei eisiger Kälte mit seinem alten mongolischen Mentor Bilig (Basen Zhabu) im gefrorenen Steppengras und wartet darauf, dass ein Wolfsrudel die vielhundertköpfige Herde Mongolischer Gazellen einkreist, die in einer Talsenke äst. Es dauert viele Stunden, bis die Wölfe sich zum Angriff entschließen.

Dann aber kennen sie keine Gnade. Sie töten so viele Gazellen wie sie erwischen können. Die Kadaver begräbt ein Schneesturm – Wintervorrat für Mensch und Tier. Mit langen Haken angeln die Mongolen am nächsten Tag Gazellen aus dem Schnee, deren Fleisch sie als Delikatesse schätzen und deren Felle gutes Geld bringen. Aber sie lassen den Wölfen ihren Teil. So jedenfalls verfügt es der weise Bilig.

Die Natur versteht keinen Spaß

Nicht alle sehen das so. Aus dem Osten sind Ackerbauern in die Gegend gekommen. Die Kulturrevolution hat ganze Regionen veröden lassen und Hungersnöte verursacht. In einer nächtlichen Aktion transportieren Lastwagen alle Gazellen ab. Dieser Frevel ist der Wendepunkt. An ihm entzündet sich der Zorn der Wölfe, die ihrer winterlichen Nahrungsgrundlage beraubt sind und sich nun dem Vieh der Nomaden zuwenden müssen. Es beginnt ein Krieg zwischen Wölfen und Menschen, der von beiden Seiten mit Grausamkeit geführt wird.

Auch der letzte Wolf fängt klein an
Auch der letzte Wolf fängt klein an
Quelle: dpa

Drei Jahre lang drehte Annaud in der Inneren Mongolei. Bei den Tierszenen arbeitete er mit Wölfen, die in dieser Zeit aufgezogen wurden. Die Actionsequenzen, die ihm dabei gelangen, sind schier unglaublich. Beim Angriff des Wolfsrudels auf eine Pferdeherde wähnt man sich als Zuschauer mitten im Geschehen – Hufgetrappel, panisches Gewieher, dampfende Pferdeleiber, hechelnde Wölfe, blutiger Schnee. Dabei tost ein Schneesturm, der den berittenen Pferdehirten, die verhindern wollen, dass die Herde in einen Sumpf gerät, Atem und Sicht nimmt. Es handelt sich um Kriegspferde der Volksmiliz, um Staatseigentum, die Partei versteht da keinen Spaß. Aber die Natur ist stärker, und die Katastrophe gerinnt in den im Moor zu eisigen Skulpturen erstarrten Pferdeleibern zu einem grandiosen Bild, vor dem der örtliche Funktionär als zeternder Wüterich Konsequenzen androht.

Auch hier enthalten sich der Film wie auch die literarische Vorlage simpler Schwarz-Weiß-Malerei. Der Heldenmut der Hirten wird schließlich doch gewürdigt. Sie werden nicht bestraft. Aber es ergeht der Befehl, die Wölfe auszurotten, ihre Welpen auszugraben und zu töten. Einen davon rettet Chen Zhen und gerät damit zwischen die Fronten.

Mehr Lebensraum dank dreier Dimensionen

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Nie käme nämlich ein Mongole auf die Idee, einen Wolf zu zähmen und so aus einem Krieger einen Sklaven zu machen. Ebenso wenig allerdings hält er von der Ausrottung der Wölfe, weil er um ihre Bedeutung für das ökologische Gleichgewicht weiß. Mit diesem archaischen Wissen hat die Wolfsliebe des jungen Chinesen nichts zu tun. Und er kann mit seiner anarchischen Rettungsaktion der bedrohten Nomadenkultur letztlich auch keinen Weg weisen. Umso stärker lädt er das globale Kinopublikum zur Identifikation ein.

Zum ersten Mal hat sich Altmeister Annaud bei „Der letzte Wolf“ auf die 3-D-Technik eingelassen. Man muss ihn dafür loben, dass er mit dem Überwältigungspotenzial, das dieser Technik in Verbindung mit der atemraubenden Landschaftskulisse des mongolischen Graslandes innewohnt, verantwortungsvoll umgeht. Die möglichen Effekte bestimmen nicht das Tempo des Films. Eher spürt der Zuschauer etwas von der Geduld, die das Team mit den tierischen Darstellern, insbesondere den Wölfen, aufbringen musste, die ja leibhaftig und nicht als digitaler Datensatz mitwirkten. Annaud spricht davon, dass er ein „friedliches 3-D“ gemacht habe, das den Wölfen den Raum gebe, der ihnen zusteht. Es bleibt jedenfalls festzuhalten, dass Wölfe so noch nie ins Bild gesetzt worden sind.

Im Zuge der sich verschärfenden Auseinandersetzung über die Wiederausbreitung der Wölfe in Europa werden Wolfsfreunde wie Wolfsgegner Annauds Film auch unter dem Aspekt ihrer jeweiligen Wolfswahrheiten bewerten. Die einen werden die ökologische Weisheit der Geschichte, die anderen die durchaus effektvoll in Szene gesetzte Grausamkeit der Wölfe hervorheben. Man sollte sich davon aber nicht den Kinogenuss verderben lassen, den „Der letzte Wolf“ bietet.

Wer hat Angst vorm bösen Wolf

Er ist wieder da. Seit 150 Jahren in Mitteleuropa tot geglaubt, erobert der Wolf als medialer Star seinen Lebensraum zurück. Eckhard Fuhr präsentiert dazu sein neuestes Buch „Rückkehr der Wölfe“.

Quelle: Die Welt

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