Der politische Kampf auf Hann. Mündens Straßen
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„Reichsbanner marschiert!“: Der politische Kampf auf Hann. Mündens Straßen

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Die Bannerweihe war zentraler Bestandteil politischer Aufzüge. Im Mai 1925 wurde die Uslarer Fahne geweiht. Als eines der wenigen Beispiele überstand sie sicher verwahrt die Zeit des Nationalsozialismus im Museum der Stadt Uslar.
Die Bannerweihe war zentraler Bestandteil politischer Aufzüge. Im Mai 1925 wurde die Uslarer Fahne geweiht. Als eines der wenigen Beispiele überstand sie sicher verwahrt die Zeit des Nationalsozialismus im Museum der Stadt Uslar. © Stefan Schäfer

Der politische Kampf auf Hann. Mündens Straßen war in den 1920er-Jahren ein Thema. Am 1. Mai trat der „Reichsbanner“ auf den Plan. Der Festausschuss des Reichsbanners plante eine volksfestartige Stimmung und vor allem einen großen Empfang.

Hann. Münden – Im Mai 1924 in Magdeburg gegründet, erzielte das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold einen beachtlichen Zuwachs an Mitgliedern. Bis zu 3 Millionen Mitglieder soll das Reichsbanner gehabt haben. Als seriösere Zahl nennen Historiker etwa 1 Million Mitglieder.

Das Reichsbanner war der Zusammenschluss ehemaliger Weltkriegsveteranen, die sich zum Schutz der Republik zusammenschlossen und den politischen Milieus der SPD, dem konservativen Centrum oder der liberalen DDP zugehörig fühlten. Die anfängliche Begeisterung für das Neue, die parlamentarische Demokratie, wich der Angst vor einer Kette von Staatskrisen, den rechten Putschversuchen oder anfangs auch vor den linken Räterepubliken und damit einer Sowjetisierung Deutschlands. In Münden kippten 1924 die politischen Mehrheiten nach rechts.

Ein bürgerlich rechtskonservatives Bündnis stellte die Mehrheit im Bürgervorsteherkollegium (vergleichbar dem heutigen Stadtrat). Das Oberste Staatsamt des Reichspräsidenten fiel nach dem Tode Eberts Ende April an den Weltkriegsgeneralfeldmarschall Hindenburg.

Insbesondere die Sozialdemokraten hatten in der Arbeiterstadt Münden eine breite Basis, die auch weitestgehend in den Dörfern des Umkreises, insbesondere im Obergericht (Staufenberg) bestand. Der liberale Bürgermeister Dr. Rudolf Haarmann war qua Amt zur politischen Neutralität verpflichtet, darf aber als glühender Unterstützer der republikanischen Staatsverfassung gewertet werden.

Das christlich orientierte Centrum spielte in Münden keine politische Rolle. Die Idee der Gründung des Reichsbanners fand vor allem bei Ernst Dörfler (1891-1975) großen Anklang. Der stadtbekannte Milchhändler war selbst Soldat im Ersten Weltkrieg. Zuvor trat er am 1. Mai 1912 in die SPD ein. Aufgrund seines Organisationsgeschicks, aber auch, weil er die Sprache des „kleinen Mannes“ gut kannte, übernahm er die Initiative. Er wurde Führer der im Mai 1924 in Münden gegründeten Ortsgruppe. Nicht minder wichtig war sein Bruder Ludwig Dörfler (1893-1966). Der gelernte Buchdrucker war seit 1921 Redakteur des Göttinger-, später Mündener Volksblattes.

Während Ludwig Dörfler für den öffentlichkeitswirksamen Rückenwind sorgte, plante Ernst, die bis dato größte politische Veranstaltung in Münden, ein Reichsbannerfest. Es sollte vom 27. bis 29. Juni 1925 in Münden stattfinden.

Anfang Juni 1925 hatte in Münden der II. Pioniertag stattgefunden, bei der die Stadt unter dem Eindruck von Feiern des Kaiserreiches stand und bei der die Farben Schwarz-Weiß-Rot das Bild der Stadt prägten. Reichspräsident Paul von Hindenburg, Schirmherr der Veranstaltung, sandte ein Grußtelegramm an die Veranstalter.

Der Festausschuss des Reichsbanners plante eine volksfestartige Stimmung und vor allem einen großen Empfang der aus dem Umland eintreffenden Reichsbanner-Formationen, dazu Promenadenkonzerte und einen großen Vergnügungspark auf dem oberen Tanzwerder. Dem Festausschuss gehörten unter anderem die Forstprofessoren Falck und Wedekind an. Seit Falck den Lehrstuhl an der Forstlichen Hochschule innehatte, wurde er bereits 1920 offen wegen seiner jüdischen Religionszugehörigkeit angegriffen.

Die Motivation im Kampf gegen rechte Gewalt gebot ihm, dieser die Stirn zu bieten. Vor allem schloss man mit dem Appell, dass dieses Fest durch „eine Massenbeteiligung das Fest zu einem gewaltigen Bekenntnis für die Republik werden möge. Im Zeichen der Reichsfarben Schwarz-Rot-Gold“. Es gelang dem Organisationskomitee, den zweiten Mann im Staate zur Festansprache zu bewegen.

Paul Löbe, Präsident des Reichstages, kam am 28. Juni 1925 nach Münden. Als Löbe mit dem Auto anreiste, brach spontaner Jubel aus. „Hüte und Tücher werden geschwenkt, Blumen fliegen in das Auto und die Frei-Heil-Rufe wollen kein Ende nehmen.“ So umschrieb Ludwig Dörfler den Empfang. Er zitierte aus der Rede Löbes: „Hände weg von der Republik! Sollte es aber den Feinden der Republik gelingen, Schwarz-Rot-Gold als Reichsfahne zu entfernen, dann wird sie die Kampfesfahne der Republikaner sein“. Ludwig Dörfler kommentierte: „Das Reichsbanner ist in einer Zeit gegründet worden, als der Staat in Gefahr war, von der schwarz-weiß-roten Hakenkreuzlergesellschaft zerstört zu werden. Diese Gefahr ist jetzt gebannt.“ Er sollte sich irren! (Stefan Schäfer)

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